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Vortrag vor blindem Publikum

Frauenstammtisch bei unserer ansässigen Blindenselbsthilfe. Wir haben eine Referentin eingeladen, die uns etwas über Wohnen im Alter vortragen wird. Mich persönlich interessiert das Thema nur am Rande. Dennoch nehme ich an dem Treffen teil. Denn es ist auch immer eine gute Gelegenheit andere Mitglieder zu treffen, einen Plausch miteinander zu halten und gemeinsam zu essen. Und falls mich der Vortrag unserer Referentin nicht anspricht, habe ich eine Handarbeit in meiner Handtasche. Stricken entspannt mich, und hilft mir dabei mich zu konzentrieren.
Die Referentin beginnt damit, dass sie eine Unmenge an Broschüren vor sich ausbreitet. Anschließend fängt sie an daraus vorzutragen. Soweit, so gut. Nach jedem abgehandelten Punkt kommt allerdings ein Satz, der mich stört. Nämlich „Ich habe Ihnen hier eine Broschüre dazu mitgebracht. Die kann Ihnen ja jemand vorlesen.“
Ich schreibe dieses Verhalten der Möglichkeit zu, dass die Referentin noch nie mit blinden Zuhörern gearbeitet hat, und lasse sie ihren Vortrag beenden. Anschließend gehe ich zu ihr nach vorne, und frage sie, ob es die Informationen auf den Prospekten auch in einer anderen Form gibt, die für Menschen mit einer Sehbehinderung besser geeignet ist. Damit meine ich Infos in Braille, Großschrift, als Audioversion zum Hören oder als Datei. Nein, gibt es nicht, bekomme ich als Rückmeldung, nebst den angebotenen Broschüren in Papierform. Aber die lehne ich strikt ab. Wer mein Interesse wecken möchte, sollte es mir möglichst leicht machen an seine Informationen zu kommen.
Wären mir die Informationen wichtig genug, dann hätte ich diese zuhause eingescannt, durch eine entsprechende OCR-Software laufen lassen, und für mich in Text umgewandelt. Allerdings ist das für Broschüren ziemlich zeitintensiv. Und so groß ist mein Interesse dann doch wieder nicht.
Wenn man einen Vortrag vor blindem Publikum hält, sollte dieser auch entsprechend gestaltet sein. Bilder und Filme bringen nur dann etwas, wenn diese eine entsprechende Beschreibung beinhalten. Hier ist weniger oft mehr. D. h. im Klartext, dass das gesprochene Wort größere Wirkung zeigt, als viele bunte Bildchen und Filmsequenzen. Das ist höchstens für nicht blinde Begleitpersonen oder sehbehinderte Teilnehmer interessant.
Was die obligatorischen Broschüren angeht, so erwarte ich nicht, dass diese stets in Braille, Großschrift oder Audio verfügbar sind. Jedenfalls nicht bei Organisationen, welche auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Es macht allerdings Sinn mit dem Organisator der Gruppe zu sprechen, und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Diese könnte beispielsweise sein, dass man die Infos als Datei zur Verfügung stellt. Diese kann dann in Braille oder Großschrift ausgedruckt werden. Gleiches gilt auch für die Visitenkarten, die gern am Ende jeder Veranstaltung überreicht werden. Diese haben für mich kaum mehr wert als ein Fetzen Papier ohne verwertbaren Inhalt.
Wenn mir die Info wichtig genug ist, bitte ich den Referenten mir diese per E-Mail zuzusenden, oder notiere mir die Kontaktdaten auf meinem Smartphone. Visitenkarten nehme ich nur selten an, da ich sehr schnell wieder vergessen habe was für ein Papier ich da entgegengenommen habe. Wenn es nicht anders geht, mache ich mit meinem Smartphone ein Foto davon, und vergebe einen sprechenden Namen dafür. Sätze wie „Das kann Ihnen ja eines ihrer Kinder vorlesen“ finde ich blöd. Ich allein bestimme von wem ich mir wenn überhaupt etwas vorlesen lasse. Nur weil meine Kinder sehend sind, heißt es nicht, dass sie mir permanent alles vorlesen müssen. Wenn mir jemand etwas verkaufen will, dann müssen die entsprechenden Infos für mich als Endkunden so verfügbar sein, dass ich sie ohne fremde Hilfe verarbeiten kann. Gleiches gilt für Organisationen und Vereine, die ein Interesse an meiner Mitgliedschaft haben.

Weiterführende Informationen:
in Blind am Computer erkläre ich wie ich am PC arbeite.
und Wie arbeitet ein Blinder am iPhone zeigt wie ich auch unterwegs arbeiten kann.

So, Ihr kennt jetzt meine Meinung dazu. Jetzt freue ich mich schon auf Eure.

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Was heißt eigentlich barrierefrei?

Gemeinsam mit meiner obligatorischen Tasse Kaffee am Morgen sitze ich auf dem Sofa, und lese meine Nachrichten, Zeitung usw. Unter anderem lese ich einen Beitrag, der zu Kommentaren einlädt. Also beschließe ich auch meinen Senf dazuzugeben. Ich schreibe meinen Kommentar, Trage meinen Namen und meine E-Mail-Adresse ein, und will das Ganze absenden. Da taucht ein Captcha auf, dessen Inhalt ich in ein Eingabefeld eingeben soll. Für mich heißt das so viel wie „Du bleibst draußen. Denn die meisten Programme, mit denen blinde Nutzer arbeiten, können diesen graphischen Zahlencode nicht erkennen und vorlesen. Für mich ist das eine unüberwindbare Barriere.

Das Wort Barrierefreiheit, oder auch Barrierearmut ist seit ein paar Jahren in aller Munde. Aber was eigentlich bedeutet das?

In meiner Heimatstatt entsteht ein Neubaugebiet. Und da ich neugierig bin, besuche ich eine Informationsveranstaltung. Die entsprechende Wohnungsgesellschaft preist ihre Wohnungen als barrierefrei an. Das möchte ich genauer wissen, und frage nach. Ja, die Wohnungen verfügen über ebenerdige Duschen und über einen Fahrstuhl. Das reicht aus, um diese Wohnungen als barrierefrei zu kennzeichnen. Wie ich erfahre, sind die Aufzüge nicht einmal mit einer Sprachausgabe versehen. Und die brauchen blinde Menschen, um festzustellen wo der Fahrstuhl gerade gehalten hat. Es reicht nicht aus, dass die Knöpfe im Fahrstuhl mit fühlbaren Buchstaben, oder sogar Brailleschrift gekennzeichnet sind, wenn ich nicht kontrollieren kann, wann ich den Fahrstuhl verlassen muss? Und die Devise „Blindsein macht schlank“ funktioniert auch nur bedingt. Was machen sehbehinderte Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, um mal eben in den fünften Stock zu laufen?

Barrierefrei bedeutet für jemanden mit einer Gehbehinderung etwas ganz anderes, als beispielsweise für jemanden mit einer Sehbehinderung. Während eine Stufe für einen Rollstuhlfahrer eine Barriere, also ein Hindernis darstellt, ist eine Nullabsenkung eines Bürgersteig eine für blinde Teilnehmer im Straßenverkehr. Der Rollstuhlfahrer nutzt den Aufzug, der Blinde kann ihn nur nutzen, wenn dieser mit einer Sprachausgabe versehen ist. Blinde Menschen sehen Bordsteine als Orientierungshilfe an. Rollstuhlfahrer und Nutzer eines Rollators wünschen sich eine Nullabsenkung. Da diese aber für blinde Verkehrsteilnehmer gefährlich ist, hat man sich auf eine Höhe von drei CM Höhe geeinigt. Diese ist mit dem Blindenstock tastbar, und kann auch mit einem Rollstuhl noch überwunden werden.

Hier ein paar hilfreiche Links zur Barrierefreiheit.
– Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele – Was ist Barrierefreiheit?
– Aktion Mensch – Barrierefreiheit Definition & Bedeutung
– Sozialverband VdK Hessen-Thüringen e.V. – Was bedeutet Barrierefreiheit?
– Bundesministerium für Umwelt – Leitfaden Barrierefreies Bauen Deutschland.
– Eine Broschüre für die baulichen Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Personen gibt es hier.
– Sowie eine Erklärung der Unterschiede für Barrierefreiheit

Fazit: bevor man das Wort Barrierefreiheit benutzt, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Barrieren für jede Behinderung etwas anderes darstellen. Während es für mich okay ist, wenn im Hintergrund Musik läuft, findet eine hörbehinderte Person das bei der Kommunikation eher hinderlich.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Maßnahmen, bei denen an Menschen mit Behinderung gedacht wird, von Menschen geplant und durchgeführt werden, die über ein unzureichendes Wissen verfügen. Das muss nicht sein. Denn die Behindertenverbände sind hier Experten in eigener Sache, und können kompetente Hilfe leisten. „Mit uns, und nicht über uns“, sollte die Devise sein. Dann haben alle Beteiligten etwas davon. Und es werden nicht sinnlos Gelder für unsinnige Projekte verschwendet, die an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden können.

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Bilder für Blinde zugänglich machen

Neulich schickte mir eine Freundin auf Facebook ein Foto. Die Absenderin wusste, dass ich blind bin. Dennoch kam dieses Bild ohne jegliche Beschreibung zu mir.

In früheren Beiträgen habe ich bereits beschrieben, wie blinde Nutzer den PC oder das Smartphone nutzen. Auch diese technischen Hilfsmittel haben Grenzen. Beispielsweise bei einem Text, der in ein Bild eingebettet ist. Mein Screen Reader erkennt ein Bild. Und vielleicht auch noch Bruchteile des Textes. das war es dann auch schon. Ich kann also nicht, wie ein sehender Nutzer, innerhalb von Sekunden erfassen was ich da bekommen habe, sondern muss einigen Aufwand betreiben. Ich kann z. B. das Bild durch ein Programm zur Texterkennung schicken, und versuchen den Text aus dem Bild erkennen zu lassen. Wenn das Foto gut gemacht ist, und der Kontrast stimmt, dann geht es. Aber bei vielen Fotos, an denen sich ein Grafikdesigner bei den Lichteffekten ausgetobt hat, geht das nicht.

Immer wieder erreichen mich Fotos, die nicht beschriftet sind. Und das von Menschen, denen meine Sehbehinderung bekannt ist. Ein Absender, den ich darauf aufmerksam machte, empfahl mir, dass meine Kinder mir den Text ja vorlesen könnten. Hallo, geht’s noch? In meinem Facebook Account hat niemand anderes was verloren. Und schon gar nicht in meinen persönlichen Nachrichten. Auf die Frage, ob er sich seine Liebesbriefe auch von einer dritten Person vorlesen lassen würde, bekam ich keine befriedigende Antwort.

So, genug gemeckert. Jetzt habe ich einige Anregungen, wie es besser geht. Denn es ist nicht sehr aufwändig blinde Menschen am bildlichen Geschehen teilhaben zu lassen. das geht mit einfachen Bordmitteln.

Text als Bild

So sieht das Foto aus, welches ich zu Beginn dieses Beitrags erwähnt hatte. Ich hätte den Inhalt selbst lesen können, wenn die Nachricht als Text zu mir gekommen wäre. Nämlich so:

„Hey, eine Frage an Dich… Kennst Du den wunderbarsten Menschen der Welt? Kennst Du die wertvollste Person, die es gibt? Kennst Du den Menschen, der einfach unersetzbar ist? nein? Na dann guck aber mal ganz schnell in den Spiegel!!! Jaa, ich meine DICH!!! Schicke das an jeden, deren Freundschaft dir etwas bedeutet, auch an mich. Bekommst du sie nur einmal zurück, bist du kein guter Freund, bekommst du sie mehr als dreimal bist du ein echter Schatz!“

Text auf einem Bild

Das ist ein Text, den alle Screen Reader sofort auslesen können. Und das in Echtzeit.

Bilder als Anhang einer E-Mail

Ein Foto, das auf dem PC gespeichert wird, hat einen Namen. Dieser lässt sich ändern. Aus einem kryptischen Namen, der gern vom System vergeben wird, kann man eine Beschreibung machen. Diese könnte beispielsweise „Lydia hält lächelnd einen Käsekuchen.jpg“ heißen. Unter diesem Namen habe ich das Beitragsfoto abgespeichert. Bekomme ich ein so beschriebenes Bild, kann ich es mit eben diesem Namen abspeichern, und später wiederfinden. Auch wenn mehrere Bilder in derselben E-Mail kommen. Problematisch wird es, wenn die Beschreibung nicht im Dateinamen steckt, sondern im Text der E-Mail. Dann ist es für mich unmöglich die Beschreibung dem entsprechenden Bild zuzuordnen.

Gleiches gilt, wenn ich Bilder auf einem USB-Stick, oder anderem Medium bekomme. Haben die Dateinamen keine Beschreibung, kann ich alleine nichts damit anfangen.

Grafiken und Fotos beschriften

Screen Reader können Grafiken zwar als solche ausmachen, jedoch nicht beschreiben. Daher ist es wichtig, dass diese mit einem aussagekräftigen Text hinterlegt werden.

In vielen Blogs, die ich verfolge, sehe ich viele Fotos, die wichtig für den Kontext sind, jedoch keinerlei Beschriftung aufweisen. Dabei gibt es die Felder für Beschreibung und Alternativtext, die von Programmen, die blinde Leser benutzen, ausgelesen werden können. Und nicht nur WordPress bietet gute Möglichkeiten, Bilder mit alternativen Beschreibungen zu versehen. Das ist wichtig für Blinde oder Sehbehinderte, die das Bild nicht sehen oder nicht erkennen können.

Die Optionen zur Bildbeschreibung werden in der Mediathek in der rechten Spalte angezeigt. Ist das Bild ausgewählt, könnt ihr Alternativtext oder Titel festlegen.

Der Alternativtext wird Blinden vorgelesen. Der Titel wird angezeigt, wenn ihr mit dem Mauscursor über das Bild fahrt. Er richtet sich also eher an Sehbehinderte. Alternativtext und Titel dürfen identisch sein, da die Hilfssoftware von Blinden jeweils nur eines von beidem vorliest. Allerdings schlagen Plug-Ins wie Access Monitor an, wenn die beiden Texte gleich sind. Das Tool geht in solchen Fällen davon aus, dass die Felder automatisch befüllt wurden.

Als Faustregel gilt: Blinde können das Bild nicht sehen und benötigen grundlegende Infos: Was ist überhaupt auf dem Bild zu sehen. Zum Beispiel „Das Diagramm zeigt die Geschäftsentwicklung 2015“. Die Werte dazu sollten natürlich in einer Tabelle oder im Fließtext stehen. Sehbehinderte haben eventuell Probleme, den Bild-Inhalt zu erkennen, ihnen hilft daher eine allgemeinere Beschreibung des Bildaufbaus. Zum Beispiel: „Das Säulendiagramm zeigt die Geschäftsentwicklung des Jahres 2015, die einzelnen Säulen bilden die Monate ab“. .

Ich habe von vielen Bloggern gehört, dass auf Seminaren vermittelt wird, dass diese Felder unwichtig sind, und daher ruhig ignoriert werden können. Ich hoffe, dass auch zu diesen Seminarleitern durchdringt, dass auch blinde und sehbehinderte Nutzer im Internet unterwegs sind.

Was heißt ein Foto beschreiben?

Die Beschreibung eines Fotos sollte kurz und aussagekräftig sein. Wer macht was, womit und wo. Evtl. könnte auch der Gesichtsausdruck wichtig sein. Für sehende Nutzer mag das absolut unwichtig sein. Für uns blinde Leser jedoch ist das sehr wichtig, um am bildlichen Geschehen teilhaben zu können.

Also, liebe Versender von nicht beschrifteten Bildern!
Wenn Ihr wollt, dass der Empfänger Eure Nachricht auch wahrnehmen kann, dann beschriftet oder beschreibt Eure Bilder entsprechend. Dann hat der Empfänger die Wahl das Bild weiterzuschicken, abzuspeichern, oder ins Nirwana zu befördern. Auf jeden Fall aber kann er dies selbständig tun. Bei Fotos, die ohne Beschriftung kommen, weiß man nicht, ob sie doch eine wichtige Information enthalten. Meine persönliche Lösung dafür ist, dass Fotos, die von Leuten kommen, die mir nur selten etwas schicken, direkt und kommentarlos gelöscht werden, erst recht, wenn sie wissen, dass ich das Foto nicht sehen kann.

Tja, und wenn Ihr wirklich nicht wisst, wie Ihr das machen könnt, dann fragt den Empfänger doch einfach wie er oder sie es gerne hätte. Denn mein Beitrag stellt nur einige Anregungen vor, und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

In diesem Sinne wünsche ich Euch eine bildschöne Zeit.

Eure Lydia

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Allgemein Alltag Bildung unterwegs

Apps, die blind bedienbar sind

Seit 2012 ist das IPhone mein ständiger Begleiter im Alltag. Damals hatte mich ein Freund darauf gebracht, und mir die Bedienungshilfen gezeigt, die das Gerät von Haus aus mitbrachte.

Vorher hatte ich ein handelsübliches Handy der Firma Nokia. Darauf wurde eine spezielle Software aufgespielt, die den Text auf dem Display in Sprache umwandelte. Damit war es möglich Nachrichten oder E-Mails zu verwalten, im Internet zu surfen oder Musik zu hören. Die Software kostete zusätzliches Geld, und war quasi ein Aton. Und dieses Handy hatte fühlbare Tasten.

Anfangs fürchtete ich mich ein bisschen vor meinem IPhone. Daher war es mir wichtig, dass ich eine Zweitkarte hatte, die in meinem alten Handy steckte. Falls etwas schief ging. In den ersten drei Wochen holte ich das IPhone nur hin und wieder aus der Schublade, um damit zu experimentieren. Das ging so lange, bis ich ein Gefühl für die Bedienung ohne fühlbares Display entwickelte. Ein weiteres Plus war die Bedienung von sozialen Netzwerken. Hatte ich diese vorher über den PC angesteuert, so konnte ich das mit dem Smartphone von überall her tun. Also auch ganz bequem vom Sofa aus.

Und so schlich sich das Smartphone immer stärker in mein Leben, und wurde mein Helfer im Alltag. Ich verbrachte viel Zeit damit neue Apps zu erkunden und mir Empfehlungen von anderen blinden Nutzern anzusehen. Im Laufe der nächsten Jahre erledigte ich immer mehr Aufgaben, die ich vorher auf dem PC erledigt hatte, über das IPhone. Denn dieses garantierte mir eine räumliche Unabhängigkeit.

Ich möchte meinen Lesern nachfolgend einige Apps vorstellen, die mich durch meinen Alltag begleiten. Dabei handelt es sich nicht nur um Apps, die für blinde und sehbehinderte Nutzer entwickelt wurden.

Die App Mbraille macht aus dem IPhone eine Braille Tastatur mit vollwertiger Textverarbeitung. Mit etwas Übung kann man darüber sogar die gesamte Bedienung des IPhone steuern.

Ich bin meistens mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Hier begleitet mich der Abfahrtsmonitor von Witali Aswolinskiy. Die App kann mich orten und mir die nächst gelegenen Haltestellen anzeigen, und deren Abfahrtstafel abrufen. Ich kann Haltestellen, die ich oft brauche, als Favoriten definieren, und sehr schnell darauf zugreifen. Diese werden mir in einer übersichtlichen Listenansicht angezeigt.

Blindsquare von MIPsoft ist eine Navigationshilfe für blinde Nutzer, die mir gerade in einer fremden Umgebung eine große Hilfe ist. Ich kann ein Restaurant, ein Hotel oder einen Bahnhof heraussuchen, und mir anzeigen lassen in welcher Richtung und wie weit entfernt dieser von mir ist. Und ich kann diese Informationen einer Navigationsapp übergeben, die mich hin navigieren kann.

Der KNFBReader ist eine sehr gute Texterkennungssoftware. Ich kann quasi ein Dokument fotografieren, und bekomme dessen Inhalt vorgelesen.

TapTapSee, CamFind Inc. beschreibt ein gerade gemachtes Foto in deutscher Sprache. Dies geschieht mit Hilfe von künstlicher Intelligentes.

Seeing AI von Microsoft Corporation vereint mehrere Funktionen in einer einzigen App. Es bietet eine Produkterkennung, eine Farbansage und eine Beschreibung von Dingen, die vor die Kamera gehalten werden. Auch Handschrifterkennung und eine Gesichtserkennung sind Teil dieser App, die noch nicht ganz ausgereift ist. Ich denke, dass da noch viel Potential dahinter steckt. Und ich wünsche mir, dass es diese App irgendwann auch in mehr Sprachen gibt.

Es gibt Situationen, die mit künstlicher Intelligenz nicht auskommen. Brauche ich eine sehende Hilfe, so kann ich diese per Videotelefonie abrufen. Das wird durch das Netzwerk und die App Be My Eyes ermöglicht. Weltweit stellen sehende Nutzer ihr Sehvermögen zur Verfügung. Fällt mir eine Schraube runter, die ich nicht alleine wiederfinden kann, so kann ich mein Gesprächspartner durch meine Kamera sehen, und mir dieses entsprechend mitteilen. Ich kann voreinstellen welche Sprache ich spreche, und werde nur mit Menschen verbunden, die dieselbe Sprache angegeben haben.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sicher werde ich irgendwann über weitere Apps schreiben, die mir helfen, mir gefallen oder auch nicht.

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Allgemein Bildung Zu Gast auf lydiaswelt

Barrierefrei bloggen auf WordPress

Seit ich einen eigenen Blog betreibe, beschäftigt mich das Thema Barrierefreiheit immer wieder. Durch meine Arbeit lerne ich stets interessante Blogger kennen, deren Beiträge ich gerne verfolge, liken oder kommentieren würde. Ein Blog, der mehr Bilder als Text beinhaltet, ist für mich quasi nicht wahrnehmbar. Ein Beitrag, der durch ein grafisches Captcha geschützt ist, kann von mir nicht kommentiert werden. Und ein Beitrag, der so richtig schön kontrastarm gestaltet ist, mag für normal sehende Leser wunderschön aussehen. Für Leser mit einer Sehbehinderung ist es nur anstrengend. Als blendempfindliche Leserin kann ich ein Lied davon singen.
Ich weiß, dass hier kein böser Wille dahinter steckt, sondern einfach Unwissenheit über unseren Personenkreis. Daher möchte ich versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Auf meine Nachfrage hin hat Domingos de Oliveira mir den folgenden Text zur Verfügung gestellt. Er arbeitet als Dozent, Berater und Speaker zur digitalen Barrierefreiheit. Als einer der wenigen blinden Experten für Barrierefreiheit schreibt er
auf seinem Blog über Blindheit und Technologie.

WordPress ist sicherlich das beliebteste Blogging-System überhaupt. Ganz nebenbei hat es sich auch für viele Website-Anbieter zum bevorzugten Redaktionssystem entwickelt. In diesem Artikel erkläre ich, wie man mit WordPress barrierefreier werden kann.

Die Wahl des Themes
WordPress lässt sich als Framework betrachten, das sich an unterschiedliche Ansprüche anpassen lässt. Das gilt insbesondere für das Layout. Die Wenigsten werden sich mit den Standard-Themes von WordPress begnügen. Sie sind allerdings relativ barrierefrei. Bei Pressengers findet ihr eine Auswahl barrierefreier Themes.
Bei Themes von Dritt-Anbietern müsst ihr selbst prüfen, ob sie barrierefrei sind. Ist euch eine Website bekannt, die das Theme bereits einsetzt, könnt ihr diese automatisch mit einem Tool wie WAVE oder manuell mit einem Prüfverfahren
wie dem BITV-Test prüfen. Fragt ruhig auch bei dem Entwickler nach, ob das Theme barrierefrei ist. Vor allem, wenn das Theme kostenpflichtig ist, sollte der Entwickler solche Anforderungen berücksichtigen. Außerdem schafft ihr so ein Bewusstsein dafür, dass eine Nachfrage nach barrierefreien Themes besteht.
Entwickelt ihr selber ein Theme, bietet WordPress selbst Infos zur Barrierefreiheit. Den Link findet ihr am Ende des Artikels.

Texte
Der WordPress-Texteditor TinyMCE bringt leider nicht alle nötigen Funktionen zur barrierefreien Texterstellung mit. Es fehlen zum Beispiel Befehle für Zwischenüberschriften oder Abkürzungen. Die Auszeichnung von Zwischenüberschriften, Listen und weiteren Elementen erleichtert es Blinden zu erkennen, welche Aufgabe das Element hat. Ihr seht einen fett gedruckten und abgesetzten Text und wisst, dass das eine Zwischenüberschrift ist. Blinde nehmen das nicht wahr. Für ihre Hilfssoftware wird die Information, welche Aufgabe ein Stück Text hat, über HTML-Auszeichnungen vermittelt. Außer Zwischenüberschriften können auch Listen, Zitate sowie Abkürzungen ausgezeichnet werden.
Um diese Auszeichnungen mit einem grafischen Editor zu erstellen, benötigt ihr das
Plugin TinyMCE Advanced.
Wenn ihr ein wenig HTML beherrscht, benötigt ihr keinen weiteren Editor. Schaltet den Texteditor auf HTML um und gebt die entsprechenden Auszeichnungen händisch ein. Die wenigen Auszeichnungsbefehle sind schnell erlernt.

Bilder
WordPress bietet gute Möglichkeiten, Bilder mit alternativen Beschreibungen zu versehen. Das ist wichtig für Blinde oder Sehbehinderte, die das Bild nicht sehen oder nicht erkennen können.
Die Optionen zur Bildbeschreibung werden in der Mediathek in der rechten Spalte angezeigt. Ist das Bild ausgewählt, könnt ihr Alternativtext oder Titel festlegen.
Der Alternativtext wird Blinden vorgelesen. Der Titel wird angezeigt, wenn ihr mit dem Mauscursor über das Bild fahrt. Er richtet sich also eher an Sehbehinderte. Alternativtext und Titel dürfen identisch sein, da die Hilfssoftware von Blinden jeweils nur eines von beidem vorliest. Allerdings schlagen Plugins wie Access Monitor an, wenn die beiden Texte gleich sind. Das Tool geht in solchen Fällen davon aus, dass die Felder automatisch befüllt wurden.
Als Faustregel gilt: Blinde können das Bild nicht sehen und benötigen grundlegende Infos: Was ist überhaupt auf dem Bild zu sehen. Zum Beispiel „Das Diagramm zeigt die Geschäftsentwicklung 2015“. Die Werte dazu sollten natürlich in einer Tabelle oder im Fließtext stehen. Sehbehinderte haben eventuell Probleme, den Bild-Inhalt zu erkennen, ihnen hilft daher eine allgemeinere Beschreibung des Bildaufbaus. Zum Beispiel: „Das Säulendiagramm zeigt die Geschäftsentwicklung des Jahres 2015, die einzelnen Säulen bilden die Monate ab“. .

Plugins
Zuletzt möchte ich noch auf ein paar Plugins hinweisen, die eventuell hilfreich sind. Wer diese Plugins installiert, ist sicher nicht barrierefrei, umgekehrt muss man diese Plugins nicht installieren, um barrierefrei zu werden. Ich zeige lediglich, welche Möglichkeiten es gibt.Von allen genannten Plugins gibt es kostenlose Varianten. ReadSpeaker integriert eine Vorlesefunktion für eure Webseite. Die Sprachmelodie ist eher gewöhnungsbedürftig, es mag aber für manchen Lese- oder Sehbehinderten hilfreich sein. Es gibt eine kostenlose und eine kostenpflichtige Variante. Die kostenlose Variante ist beschränkt, was die Zahl der vorgelesenen Artikel angeht. Außerdem stehen weniger Optionen zur Verfügung. Der IT-Nachrichtendienst Heise Online bietet eine ähnliche Vorlesefunktion, ihr könnt sie dort ausprobieren.
Hurraki ist ein Wörterbuch, das Alltagsbegriffe in einfacher Sprache erläutert. Das
Plugin hurrakify ermöglicht es, sich zu einzelnen Begriffen aus einem Text Erläuterungen aus Hurraki anzeigen zu lassen. ,
Der
Access Monitor prüft eure WordPress-Inhalte auf Barrierefreiheit. Wie alle automatischen Testtools benötigt man Erfahrung mit digitaler Barrierefreiheit oder viel Zeit, um die einzelnen Fehlermeldungen nachvollziehen zu können. Das Tool kann euch auch nicht sagen, ob Bilder einen sinnvollen Alternativtext haben, das müsst ihr selbst entscheiden. Auch hier handelt es sich um ein Freemium-Modell. Es gibt eine kostenlose sowie eine kostenpflichtige Variante.
WP Accessibility rüstet eine Textvergrößerungsfunktion sowie eine Kontrastansicht für WordPress nach. Solche Funktionen waren früher der letzte Schrei in Barrierefreiheits-Kreisen, gelten aber seit einigen Jahren als unerwünscht. Es wird argumentiert, dass die Betriebssysteme, die Browser und die Hilfstechnik diese Aufgaben besser lösen als die fehleranfälligen Webseiten-Funktionen. Das ist sicherlich korrekt, aber es gibt tatsächlich noch Menschen, die nicht wissen, wie sie Text vergrößern oder eine kontrastreiche Ansicht aktivieren und sie sind dankbar für diese kleinen Hilfen. Und die Anderen nehmen auch keinen Schaden, solange die Regeln der Barrierefreiheit bei der Themegestaltung berücksichtigt wurden.

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