Kategorien
Allgemein

Meine Nominierung zum Liebster Award Dezember 2017

Nominierung für den Liebster Award

Heute gibt es mal keine Geschichten aus meinem Alltag oder Erklärungen im Umgang mit blinden Menschen. Heute stehen mal mein Blog und ich im Mittelpunkt. Das hat auch einen ganz besonderen Grund. Ich wurde für den Liebster Award nominiert und freue mich sehr darüber. Dieser Award wurde 2011 ins Leben gerufen. Es ist eine Auszeichnung, die unter Bloggern weitergegeben wird. Es ermöglicht kleinen noch relativ unbekannten Bloggern und Bloggerinnen, sich vorzustellen, ihre Reichweite zu verbessern und sich untereinander zu vernetzen.

Und wem verdanke ich das? Mein Dank gilt Britta von Fulltime-Mami, einem Mami-Blog einer Mama und Erzieherin, deren theoretische Kenntnisse über Pädagogik und praktische Erfahrungen mit Kind nicht immer zusammen passen. Entsprechend vielseitig ist auch dieser Blog.

Zu den Spielregeln gehört, Brittas Fragen über mich und meinen Blog zu beantworten. Somit könnt ihr auch ein paar neue Details über mich erfahren.

Los geht’s.

1. Woher nimmst du deine Inspiration für deine Texte?
Die meisten Beiträge entstehen durch den ganz normalen Alltag. Oder es kommen Leser mit einem Thema auf mich zu, welches ihnen auf der Seele brennt.

2. Wofür bist du in deinem Leben dankbar?
Ich bin dankbar dafür, dass meine Eltern mit mir nach Deutschland gekommen sind, und dass ich ein selbst bestimmtes Leben führen darf. Und ich bin dankbar für meine Kinder, die ich beim Erwachsenwerden begleiten darf.

3. Wenn du ein Roman- oder Filmheld sein könntest, welcher wärst du und warum?
Das weiß ich nicht. Ich glaube, das ist irgendwie Phasenweise.

4. Warum bloggst du?
Ich blogge, weil ich Spaß am Schreiben habe, und weil ich damit bewirken kann, dass wir Menschen mit Behinderung, vor Allem aber wir blinden Eltern, ein bisschen gesehen werden. Und zwar nicht ausschließlich als hilfloses Elternteil, welches seinen Alltag nur mit der Unterstützung eines Nicht behinderten Partners meistert, sondern wie alle anderen Eltern auch. In erster Linie bin ich Mutter. Die Blindheit ist nur eine meiner vielen Eigenschaften.

5. Welche Ziele hast du mit deinem Blog in den nächsten 2 Jahren?
Ich möchte zum einen mehr Leser erreichen, zum Zweiten auch mehr Informationen zu meinen zentralen Themen bereit stellen.

6. Wenn du richtig gestresst bist und deine Ruhe haben willst, wo und womit entspannst du dich?
Am liebsten mit einem guten Hörbuch und einer Handarbeit. Das kann sowohl drinnen als auch draußen stattfinden.

7. Süß oder salzig – Welcher Typ bist du?
Auch das ist bei mir Stimmungsabhängig. Manchmal brauche ich Schokolade mit Marzipan, manchmal massenweise Erdnüsse oder Pistazien.

8. Was ist deine schönste Kindheitserinnerung?
Ich habe viele schöne Erinnerungen. Da sind die Tage, die wir Kinder mit unserer Mutter in der kleinen Küche verbracht haben. Während sie kochte, wusch oder nähte, sang und erzählte sie mit uns. Ich glaube, deshalb liebe ich es in einer Küche zu sitzen.

Und das sind meine nominierten Blogs
1. Auf Familiendinge schreibt Samybee über ihren Alltag, nachdem sie mit ihrer Familie nach Polen gezogen ist.

2. Ein Leben ohne Filter ist das Blog von Ina. Sie ist ein Teenager mit Autismus, und schreibt über ihren Alltag. Sie klärt sehr verständlich über bestimmte Eigenheiten und Verhaltensweisen auf.

3. Auf justdisabled erzählt Wheelie aus ihrem Leben als Spastikerin und Teilzeitrollifahrerin.

4. Charlotte schreibt auf Charlottesadoptionsblog über ihr Familienleben mit ihren beiden Adoptivkindern aus Russland.

5. auf andersunddochgleich schreiben Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen über alles, was zum Leben gehört. Der Fokus gilt hier den Gemeinsamkeiten. Das Motto heißt hier: „Lass Dich von Deiner Behinderung nicht behindern“.

Liebe nominierte Bloggerinnen und Blogger,,

Im Frühjahr 2017 hatte ich schon einmal eine Ernennung zum Liebster Award. Da es für mich etwas aufwändiger ist, die entsprechenden Texte rauszuziehen, poste ich hier den entsprechenden Beitrag. Dort findet Ihr die Teilnahmebedingungen für den Liebster Award und alles was Ihr sonst noch wissen müsst.

Ich bin gespannt auf Eure Antworten zu meinen folgenden Fragen:

  1. Wo schreibst Du Deine Beiträge am liebsten?
  2. Über welche Dinge würdest Du auf gar keinen Fall schreiben wollen?
  3. Was brauchst Du für einen guten Start in den Tag?
  4. Hund oder Katze?
  5. Welches war Dein liebstes Märchen aus der Kindheit?

Den Nominierten wünsche ich viel Spaß beim Beantworten der Fragen, und freue mich schon auf die Antworten. Allen anderen Lesern wünsche ich viel Spaß beim Stöbern. Ich hoffe, ich habe diesmal Blogs ausgesucht, die Ihr noch nicht kennt.

Kategorien
Allgemein

Danke für ein erfolgreiches Bloggerjahr 2017

Liebe Leser, Follower und Freunde von lydiaswelt!

Das Jahr 2017 geht seinem Ende zu, und ich blicke mit Freude auf ein für mich erfolgreiches Bloggerjahr zurück. An dieser Freude möchte ich Euch, die Ihr ein gutes Stück dazu beigetragen habt, teilhaben lassen.

Hier habe ich ein paar Zahlen aus meiner Statistik für Euch zusammengestellt, über die ich mich sehr gefreut habe.

Mein Blog wurde Fast 41.000-mal aufgerufen.

746 mal wurden Beiträge mit einem Gefällt mir markiert.

364 Kommentare wurden unter meine Beiträge geschrieben.

Und inzwischen habe ich 171 Follower, die meinen Blog abonniert haben.

Viele meiner Beiträge wurden in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter weiter geteilt.

Außerdem wurden viele meiner Beiträge auf anderen Blogs oder Seiten verlinkt. Darüber freue ich mich ganz besonders, da ich auf diese Weise noch mehr Leser erreichen kann.

Inzwischen habe ich mehr als 90 Beiträge zu unterschiedlichen Themen rund um Blindheit, blinde Eltern und meiner arabischen Herkunft veröffentlicht. Das heißt jede Woche ein bis zwei Beiträge. Und jeder Einzelne davon ist mir wichtig. Wenn ein neuer Beitrag online geht, freue ich mich wie ein kleines Kind, welches ein neues Geschenk auspacken darf.

Hier mal die fünf Beiträge, die besonders viel Zuspruch gefunden haben:

Blind heißt nicht gleich Rollstuhl erzählt vom Fliegen als blinder Fluggast.

Wenn der Bus wo anders hält handelt von den Schwierigkeiten, wenn der Bus nicht an der vorgeschriebenen Stelle hält oder abfährt.

Blinde sind blind erklärt Begriffe wie blind, sehbehindert.

Blinde Eltern, sehende Kinder, Teil 5, schriftliche Aushänge. In diesem Beitrag schreibe ich über das Problem der Informationsbeschaffung im Zeitalter von Aushängen im Kindergarten, und der üblichen Ranzenpost.

Wie arbeitet ein Blinder am IPhone beschreibt die Möglichkeiten für blinde Nutzer effektiv auf einem IPhone oder IPad zu arbeiten.

Danke an meine Gastautoren, die immer dann eingesprungen sind, wenn es ein Thema gab, über das ich nicht selbst schreiben möchte oder kann. Und Danke an meine Freunde, die mir hier und da mit der Gestaltung meines Blogs unter die Arme greifen, oder auch mal einen Beitrag gegenlesen. Ohne Euch wäre ich manchmal ganz schön aufgeschmissen gewesen.

Im vergangenen Jahr sind nicht nur Beiträge entstanden, sondern auch mehrere Unterseiten auf meinem Blog. Da wäre die Seite mit „Gastbeiträgen“,die ich für andere Blogs und Seiten geschrieben habe. Auf der Seite „interessante Links rund um Sehbehinderung“ habe ich unterschiedliche Links mit Informationen gesammelt. Und dann gibt es die Seite „Dies und das“, auf welcher ich Links poste, die ich rund um Behinderung interessant genug finde, um sie zu verbreiten. Diese Seiten werden stetig erweitert, so dass sich Reinschauen immer wieder mal lohnt. Und ganz zum Schluss gibt es noch die Seite zum Thema „Unterstützung für meinen Blog“, wo es um die unterschiedlichen Möglichkeiten gibt, um mich zu unterstützen.

Für das nächste Jahr habe ich mir viele weitere Themen vorgenommen. Außerdem wird meine Seite um zusätzliche Kategorien erweitert. Und natürlich freue ich mich über Gastautoren, die meinen Blog um gute Beiträge bereichern.

In diesem Sinne wünsche ich euch, liebe Leser, einen guten Übergang in das kommende Jahr 2018.

Eure Lydia

Kategorien
Allgemein Alltag blinde Eltern

Wenn die Einkaufshilfe ausfällt

Heute ist Donnerstag, 8:45 Uhr, als mein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung meldet sich die Dame, mit der ich mich in einer Viertelstunde treffen wollte. Geplant war, dass wir mit dem Auto zum Supermarkt fahren, und einen Familieneinkauf bewerkstelligen. Leider muss sie mir für heute absagen, da eines ihrer Kinder mit Magendarminfekt im Bett liegt. Da steckt man nicht drin.

Ok, jetzt habe ich ein Problem. In drei Tagen ist Weihnachten. In diesem Jahr bedeutet das, dass die Geschäfte drei Tage in Folge geschlossen sind. Dementsprechend wollte ich meinen Einkauf so gestalten, dass ich in den nächsten zwei Tagen nur noch Lebensmittel wie Obst und Gemüse einkaufen würde. Denn ich bin kein Freund hektischer Lastminuteeinkäufe. Dabei sind es nicht unbedingt die langen Schlangen an der Supermarktkasse, die mir zu schaffen machen, sondern die Hektik in den Gängen, gepaart mit der Atmosphäre und dem Suchen der benötigten Lebensmittel. Außerdem sind die Mitarbeiter an solchen Tagen so stark beschäftigt, dass es schwer wird Hilfe zu bekommen. Nein, das möchte ich mir in diesem Jahr nicht geben.

Also gut, jetzt muss ganz schnell Plan B her. Meine Kinder fallen als potentielle Einkaufsbegleiter aus, da sie heute und morgen vormittags in der Schule sind. Der Lieferservice ist auch keine wirkliche Option zur sehenden Begleitung. Eine Option wäre Aldi. Die haben ihre Wahren meist so angeordnet, dass sie an derselben Stelle sind. Früher hatten wir eine Buslinie, die von mir direkt hinfuhr. Diese gibt es inzwischen nicht mehr. Für mich heißt es jetzt, dass Aldi ca. 30 Minuten Fußweg bedeutet. Nein, dazu bin ich heute echt nicht zu motivieren. Außerdem konnte ich damals noch die Aufschriften auf den Verpackungen in der Tiefkühltruhe lesen, und damit meinen Einkauf selbst zusammensuchen. Inzwischen brauche ich hierfür sehende Hilfe. Und die steht mir heute Vormittag definitiv nicht zur Verfügung.

Ok, was gibt es noch für Möglichkeiten? In vielen Städten gibt es Nachbarschaftshilfen. Teilweise auch über Facebook. Hier habe ich auch schon die eine oder andere Hilfe bekommen können. Aber für einen Familieneinkauf mit einer völlig fremden Person finde ich das jetzt nicht geeignet.

Eine Tasse Kaffee später steht mein Plan B fest, der sich für mich besser anfühlt. Ich nehme mir meinen Shopper, und gehe zum nächst gelegenen Supermarkt. Das dauert zwar etwas länger, ist aber eine gute Zwischenlösung. Sachen, die ich nicht gefunden habe, oder die aus der Tiefkühltruhe, kann ich mit meiner Freundin morgen Vormittag einkaufen gehen, oder ihr eine Einkaufsliste schreiben. Das bespreche ich nachher mit ihr. Und was dann noch fehlt, dass können evtl. meine Kinder noch schnell einkaufen gehen. Das geht auch mal am Samstagvormittag. Fertig.

Am liebsten gehe ich ganz früh morgens einkaufen. Da ist es noch ruhig im Supermarkt. Und wenn ich mal was nicht alleine finde, höre ich wo die Mitarbeiter sind, und kann sie direkt danach fragen. Später geht das nicht mehr. Die Gänge sind voll von Menschen, die ihren Einkauf möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Und es ist oft zu laut, um zu erkennen wer ein Mitarbeiter oder Marktbesucher ist.

In meinen Beiträgen „Blind einkaufen – Teil 1“ und „Blind einkaufen – Teil 2“ habe ich bereits darüber geschrieben, wie ich mich im Supermarkt zurecht finde, und mich orientiere. Jetzt bin ich auf Eure Kommentare zu diesem Thema gespannt.

Kategorien
Allgemein Alltag unterwegs

Heißt selbständig auch schnell sein?

Wenn ich meine Wohnung putze, benötige ich das Vielfache an Zeit. Denn ich gehe nicht nach dem Prinzip vor, dass ich schaue, wo es nötig ist, und wo nicht. Vielmehr fange ich links oben an zu putzen, und gehe dann systematisch vor. Das ist zwar zeitaufwändig, für mich jedoch machbar. Ich habe die Option meine Wohnung selbst zu putzen, oder mich dafür zu entscheiden diese Aufgabe an eine Assistenz abzugeben, die das für mich macht. Wichtig dabei ist, dass ich die Entscheidung selbst treffen kann. Das gilt nicht nur für das Putzen, sondern auch für viele andere Tätigkeiten, die nicht blinden Menschen möglicherweise schneller von der Hand gehen als mir. Ich habe ein Recht darauf, Dinge langsamer zu bewerkstelligen, oder mich für eine schnellere Lösung zu entscheiden. So wie jeder andere Mensch ohne Behinderung.

Und was für mich die richtige Lösung ist, muss noch lange nicht für alle blinden Menschen gelten. Daher schreibt meine Gastautorin Susanne Aatz’ heute über dieses Thema.

Muss, wer selbstständig sein will, auch schnell sein?

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Das ist keine neue Erkenntnis. Und wir alle leiden in irgendeiner Form darunter. Wenn wir arbeiten, oder auch nur alltägliches tun, dann scheint es, als liefe eine imaginäre Stoppuhr mit. Wir alle haben gelernt bei allem was wir tun so etwas wie ein inneres Zeitlimit zu beachten. Wie lange darf es dauern, um von A nach B zu kommen? Wieviel Zeit darf ich brauchen, um eine Tätigkeit im Haushalt, zu verrichten. Wir alle haben Situationen erlebt, in welchen wir uns ärgern oder wundern, wie langsam jemand ist. Und wenn jemand bei etwas besonders flink ist, und das, was er tut trotzdem noch gründlich ist, dann wird die Person von uns besonders gelobt und bewundert.

Was heißt das eigentlich für mich als praktisch blinder Mensch? Auch ich bin mit dem Anspruch großgeworden bestimmte Dinge in einer bestimmten Zeit zu erledigen. Oft gebe ich Tätigkeiten an Assistentinnen ab, weil ich glaube dafür zu lange zu brauchen. Die Qualität des Ergebnisses steht für mich dabei in keinem Verhältnis zu der Zeit, die ich, zum Beispiel für die Reinigung meiner Wohnung, benötige. Ich habe mich in letzter Zeit, immer dann, wenn ich mich über den Stress, den der Anspruch der Schnelligkeit in unserer Zeit verursacht, ärgere, oder er mir wieder besonders auffällt, oft gefragt: Muss, wer selbstbestimmt und selbstständig sein will, auch schnell sein?

So ist mir neulich beim Umsteigen von der S-Bahn zur U-Bahn folgendes passiert: Mein Hund hat, so wie er es gelernt hat, mir die Treppe abwärts angezeigt. In der Regel bleibe ich da erst einmal stehen. Ich lobe meinen Hund dafür, dass er etwas richtig gemacht hat. Oft gibt es auch ein Leckerchen.

Dann orientiere ich mich mit einer Hand. Wo ist das Geländer? Meistens zeigt die Nase meines Hundes direkt zum Geländer hin. Mit dem Stock taste ich nach dem Anfang der Treppe. Da ich nicht sehen kann, wohin ich meine Füße setzen muss, ist das eine Lösung, die für mich am besten geeignet ist. All dies benötigt Zeit. Ich habe nie gestoppt, wie lange ich eigentlich dafür brauche. Ich habe Gleichgewichtsstörungen und muss daher vorsichtiger sein. Auch meinem Hund zuliebe habe ich mir vorgenommen, meine Wege mit Bedacht zu gehen. Ihm fällt seine Arbeit als Blindenführhund dann erheblich leichter.

Wenn ich das alles überprüft habe, mich sicher fühle, und sich niemand, was oft vorkommt, noch eben vorbei drängelt, Gehe ich, mit einer Hand am Geländer, in aller Ruhe die Treppe. Dass das so ist, hat auch mit meinem Gleichgewicht zu tun. Ich ermahne meinen Hund dann auch immer, langsam zu gehen. Und mittlerweile klappt das auch ganz gut.

Soweit so gut. Immer wieder erlebe ich es, dass mich freundliche Mitmenschen fragen, ob ich Hilfe brauche. Und es macht auf mich den Eindruck, als wäre die Zeit, die ich brauche, der Grund, warum man glaubt, ich käme nicht zurecht. Was ich nicht weiß ist, ob der Mensch gesehen hat, was ich tue. Hat er zum Beispiel gesehen, dass mein Hund gerade belohnt wird? Oft haben viele es eilig, obwohl die Bahn alle 3-10 Minuten fährt. Sie rennen von A nach B, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre. Und nebenbei versuchen sie in ca. 20 Sekunden, die eine Begegnung oft nur dauert, zu beurteilen, ob da ein fast blinder Mensch, mit Blindenführhund und Stock, eventuell noch Hilfe braucht. Einerseits sehr nett, dass die Leute sich, obwohl sie eigentlich keine Zeit haben, doch die Zeit zum Fragen nehmen. Andererseits: warum ist Langsamkeit ein Indikator für Hilflosigkeit? Diesen Eindruck habe ich sehr oft. Nicht das Ergebnis spricht für sich, sondern es steht im Vordergrund, wie lange ich für den Weg von A nach B gebraucht habe. Es ist oft so, dass ich eine Bahn, zu der gerade alle hetzen, auch bewusst fahren lasse, um dann, etwas entspannter, in 3-10 Minuten die nächste Bahn zu nehmen.

Es wirkt auf mich, als wäre das sich bewusst Zeit nehmen Ausdruck von Hilflosigkeit und Unvermögen. Es ist was mich angeht, aber eine bewusste Entscheidung. Und sie dient vor allem der entspannten und verlässlichen Zusammenarbeit mit meinem Hund. Wenn ich entspannt bin, ist es mein Hund auch.

Immer häufiger erleben wir es, dass gestresste Menschen uns über den Haufen rennen, trotz Hund, trotz Stock. Und ich benutze meinen Langstock mittlerweile ganz oft als Abwehr für allzu Eilige. Dabei wird mein Hund oft gerempelt oder getreten. Und zwar durchaus so, dass er laut aufjault. Wenn wir Glück haben ist wenigstens noch Zeit für eine schnelle nach hinten gerufene Entschuldigung. Noch ein paar solche Erlebnisse und mein Hund braucht eine Nachschulung! Ich selbst frage mich dann: was geht in manchen Menschen vor? Einerseits haben Sie die Zeit meine vermeintliche Langsamkeit als Unselbstständigkeit und Hilflosigkeit zu bewerten, was offenbar Ihr Eingreifen nötig macht. Andererseits haben sie es so eilig, dass sie die eigentlich üblichen Regeln von Aufmerksamkeit, Höflichkeit und einem guten Miteinander komplett missachten. Dazwischen sind dann wir, für die es ohne hin ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und Stress bedeutet einen täglichen Weg, zum Beispiel über den Hamburger Hauptbahnhof, zu bewältigen.

Und noch etwas ist mir in verschiedenen Situationen bei verschiedenen Blinden oder sehbehinderten Menschen aufgefallen: Auch bei mir kommt es vor, dass ich Tätigkeiten, die ich ganz selbstverständlich zu Hause alleine mache, im Beisein von Sehenden nicht mache. Ich habe mich lange gefragt, warum das so ist. Bis mir aufgefallen ist, dass, nach der inneren Uhr, die ich gelernt habe, die Zeit, die ich zu Hause für eine bestimmte Tätigkeit brauche, im Beisein von Sehenden weit überschritten wird. Oft spüre ich die Nervosität, die meine Umwelt ergreift, wenn ich für etwas länger brauche, als es offenbar opportun ist. Niemand könnte definieren, wie lange die Zeitspanne ist. Und sie wird wohl variieren. Auch in Situationen, in der kein Zug erreicht werden muss, in der kein Termin eingehalten werden muss, erlebe ich das. Wie oft wurde mir etwas ungefragt, auch gegen meinen Willen, abgenommen, mit der Aussage: „Ich kann das schneller und besser als du!“ ich habe meinen Vater einmal gefragt, wem ich, seiner Meinung nach, damit schade. Denn das Ansinnen wurde, wie leider in meiner Erziehung üblich, mit einem gerüttelt Maß an Aggressivität vorgetragen.

Das ist gottseidank in meinem Alltag so nicht mehr üblich. Aber es sind oft Vertreterinnen und Vertreter von bestimmten Berufsgruppen, zum Beispiel Erzieherinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen, hier bewusst die weibliche Form, denn es sind oft Frauen, die nicht zusehen können, wie ein blinder Mensch zum Beispiel seine Jacke anzieht, eine Gitarre in einen Gitarrenkoffer packt, Kaffee mit Milch und Zucker versieht, diesen umrührt. Oft sind das Menschen, die in ihrem eigenen Leben sehr viel Stress haben. Diesen scheinen sie auf uns zu übertragen. Dass wir so langsam sind, ist dann auch für Sie ein Beweis, dass wir es nicht können. Oder, dass wir eben nicht gut genug sind.

Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen unter dem täglichen Stress, der Reizüberflutung und der allgemeinen Überforderung Leiden, sollte Zeit sein einen behinderten Menschen, egal welche Behinderung er oder sie hat, die Dinge, die er oder sie beherrscht, auch tun zu lassen. Und vielleicht würde es helfen, wenn sich viele einmal fragen würden, warum ist mir Schnelligkeit wichtig? Warum ist sie mir bei anderen wichtig? Ich selbst habe das getan. Und die Antwort ist banal wie kompliziert: Sie wurde mir wichtig gemacht. Ich wurde so erzogen. Und es ist Zeit diese Erziehung zu hinterfragen. Es wird Situationen geben, wo Geschwindigkeit wichtig ist. Wo Pünktlichkeit Stress verursacht. Aber müssen wir uns wirklich mehr Stress machen, als nötig? Die gut gemeinte Frage, ob wir Hilfe benötigen, käme besser bei uns an, würde sie mit weniger Anspruch und mit weniger Hektik formuliert.

Ich danke Susanne für diesen Beitrag. Weitere Beiträge von ihr sind „Für Selbstverständlichkeiten bewundert werden“ und „Tag der offenen Moschee„.

Und nun lade ich Euch ein in den Kommentaren über diesen Beitrag zu diskutieren.

Kategorien
Allgemein Alltag unterwegs

Wie kann man blinden Menschen helfen?

Es ist Samstagabend, als ich aus dem voll besetzten Nahverkehrszug aussteige, und über den Frankfurter Hauptbahnhof laufe. Hinter mir liegen acht Stunden Zugfahrt. Und heute wollte es das Schicksal, dass ich jede in Frage kommende Verspätung mitgenommen habe. Wenn alles gut geht, werde ich in einer knappen Stunde zuhause sein.

Da ich den Frankfurter Hauptbahnhof kenne, laufe ich nicht an den Leitlinien für blinde Fußgänger entlang, sondern suche mir den Weg, der für mich am Schnellsten geht. Es gibt mehrere Möglichkeiten nach Hause zu kommen. Ich werde langsamer, und wäge für mich ab wie ich am besten fahren will. Plötzlich packt jemand meinen rechten Am, und versucht mich mit sich zu ziehen. Nach der ersten Schrecksekunde befreie ich mich aus dem festen Griff und erkläre meinem Gegenüber, dass ich das nicht will. Die ältere Dame meint, dass sie mich doch nur auf den richtigen Weg führen möchte. Echt jetzt? Kann die Gedanken lesen? Woher will die wissen wohin ich will, wenn ich selbst noch bis eben überlegt habe, ob ich mit der S-Bahn oder der U-Bahn fahren will? Ich nehme mir die Zeit zu fragen, warum. „Da ist doch der Blindenweg“, sagt sie, „und da bringe ich Sie jetzt hin“. „Und wenn ich da jetzt nicht hin will“, frage ich sie. Die Antwort bleibt sie mir schuldig. „Ein junger Mann, der das Szenario beobachtet hat, fragt mich, ob ich zur S-Bahn möchte. Dann könne er mich mitnehmen. Das nehme ich gern an.

Die Frage „Wie kann man einem blinden Menschen helfen“ ist eine jener Fragen, die mir sehr oft begegnet ist. Die Fragestellerin, oder der Fragesteller geht ganz selbstverständlich davon aus, dass blinde Menschen grundsätzlich Hilfebedürftig sind. Wer fragt, sucht nach Antworten, die ihm dabei helfen möglichst keinen Fehler zu machen. Und an diese Menschen richtet sich meine Antwort.

Schauen wir uns die Darstellungen von blinden Menschen in den Medien an, so wird viel über den Superhelden geschrieben, der einen Berg bestiegen, oder irgendwo eine Einrichtung für betroffene gegründet hat. Oder es wird über blinde Menschen berichtet, die absolut hilflos ohne ihre sehende Begleitperson, Betreuer oder was auch immer ist. Über den blinden Vater, die blinde Berufstätige Frau, oder die blinde Studentin, die ihren Alltag ganz normal in freier Wildbahn lebt, wird selten berichtet. Kurz, zwischen dem blinden Superhelden und dem hilflosen, blinden, älteren Herrn, der ohne seine sehende Begleitung völlig aufgeschmissen ist, gibt es noch ganz viel Anderes.

Blind ist nur eine von vielen Eigenschaften. Und blinde Menschen haben dieselben Eigenschaften wie nicht blinde Menschen. Das gilt nicht nur für Aussehen und innere Werte, sondern auch für die Selbständigkeit. Es gibt sie in absolut unbeholfen bis zum Superheld. Würde ich alle blinden Menschen miteinander gleichsetzen, wo käme das ungefähr der Aussage gleich, dass alle Mütter perfekte Hausfrauen seien. Auch das entspricht nicht der Realität. Es gibt gut organisierte Mütter, und andere, die mehr oder weniger Hilfe brauchen.

Kommen wir auf die ursprüngliche Frage zurück, ob und wie man einem blinden Menschen helfen kann. Ich wünschte manchmal, ich könnte eine pauschale Gebrauchsanweisung liefern. Aber eben diese gibt es nicht. Was es aber gibt sind zwei Ratschläge, die ich gern jedem auf den Weg mitgeben möchte:
Fasst man einen blinden Menschen unangekündigt an, dann erschreckt man die Person. Wenn ich jemanden nicht sehen kann, dann kann ich auch nicht einordnen, ob das jetzt Freund oder Feind ist. Bei guten Reflexen der blinden Person könnte das für den Helfer oder der Helferin schmerzhafte Folgen haben.
Und wie hilft man am besten?

Wer es geschafft hat den blinden Menschen zu fragen, ob er Hilfe braucht, der kann auch ruhig die Frage nach dem Wie stellen. Davon haben alle etwas. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich daraus auch ein nettes Gespräch.
Ein Paradebeispiel für sinnvolle Hilfe.
Ich laufe an einer stark befahrenen Straße entlang, als ich mit dem Stock wahrnehme, dass etwas anders ist. Das fühlt sich an wie Baustelle. Gut, jetzt stellt sich mir die Frage, wie ich am Besten an eben dieser Baustelle vorbeikomme. Eine Frau spricht mich an, und fragt ob sie mir helfen kann. Ich bitte sie mir an dieser Baustelle vorbei zu helfen. Sie erklärt mir, dass ein Fußweg unter dem Baugerüst vorbei führt, und zeigt mir den Eingang, den ich nicht sehen konnte. Sie fragt, ob mir das ausreicht. Nachdem ich das bejaht habe, verabschieden wir uns voneinander. Und genauso wünsche ich mir das. Die Frau hat mir Hilfe angeboten, und es mir überlassen diese anzunehmen oder eben auch nicht. Und sie hat sich nach dem wie erkundigt. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen so reagieren, und uns Menschen mit Behinderung als das ansehen, was wir sind, nämlich als Experten in eigener Sache.

Ich beispielsweise brauche jemanden, der mir sagt, welche Buslinie gerade vor meiner Nase hält. Einsteigen möchte ich lieber alleine. Ich brauche also keine Hilfe beim Einsteigen. Und erst recht niemanden, der mich an meinem Blindenstock greift und in eine bestimmte Richtung lenkt. Das wäre genauso, wenn euch jemand die Augen verbinden und irgendwohin schieben würde. Denn der Stock ist mein Auge auf der Straße.

Und nun freue ich mich auf Eure Meinung zu diesem Thema in den Kommentaren.