Bisher musste ich mich nicht wirklich um eine Tagesstruktur sorgen. Diese gaben mir früher mein Job und später meine Kinder vor. Die Ausnahme waren manchmal die Schulferien, die eine Art Ausnahmezustand für alle Beteiligten waren. Aber es war ein überschaubarer Zeitraum, den ich gut handhaben konnte. Die Kinder wurden älter, und damit wuchs auch ihre Selbständigkeit. Und so kam es, dass ich in den letzten Monaten einige Veränderungen erfahren durfte.
Meine Kinder machten jetzt ihr eigenes Ding. Ich musste keine Schulaktivitäten mehr begleiten, Elternabende besuchen oder sie beaufsichtigen. Das war ein schleichender Prozess, der mir immer mehr eigene Aktivitäten ermöglichte.
Anfang des Jahres zog mein Gastkind Amal für ein halbes Jahr bei uns ein. Neben meinen Aktivitäten habe ich mich um sie gekümmert und ihr versucht so viel wie möglich zu vermitteln. Ich denke, über Langeweile konnte ich mich während dieser Zeit nicht beschweren.
Ende Juni ging mein Gastkind Amal zurück in ihre Heimat. Zeitgleich fuhr meine Tochter nach dem Abitur ins Ausland, um mehrere Monate dort zu verbringen. Die Sommerferien standen an. Sechs Wochen lang, und nur noch ein erwachsenes Kind im Haus, welches seine eigene Tagesstruktur hatte. Auch die Lokation, wo ich zweimal in der Woche zum Töpfern gehen konnte machte für einige Wochen Ferien und auch mein wöchentliches Showdown Training fand erst mal nicht statt. Kurz: die meisten Aktivitäten, die mir einen Großteil meiner Tagesstruktur vorgaben, waren auf einmal weg.
Ich brauche ein gewisses Maß an Action in meinem Leben, um mich wohlzufühlen. Es war bisher normal für mich ein neues Projekt zu beginnen, sobald ein anderes am Auslaufen war. Doch jetzt gab es diese Action nicht mehr. Und obwohl ich das hätte kommen sehen müssen, traf es mich erst mal völlig unvorbereitet.
Die ersten 10 Tage hing ich erst mal kräftig in den Seilen. Keine Kraft mehr für nix, und zeitgleich das Gefühl, dass nichts mehr klappte, und jede Bewegung anstrengte. Zu Action gehört für mich auch ein bisschen Zeitdruck. Und dieser fehlte gänzlich. Es interessierte niemanden mehr, ob Staub gesaugt war, ich am Schreibtisch saß oder im Bett liegen blieb. Ich verstand irgendwie die Welt nicht mehr. Schließlich hatte ich mir Ruhe gewünscht. Aber so? Das tat mir nicht gut. Während dieser Zeit fehlte mir sogar die Kraft für mich selbst zu sorgen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich einfach akzeptieren konnte, dass die Dinge so waren wie sie eben waren. Wenn es sich gut anfühlte mit der Katze auf dem Schoß auf dem Sofa zu sitzen, dann war es so.
Ich brauchte eine Tagesstruktur. Das finde ich ist das Schwerste, wenn man so gar keine zeitlichen Vorgaben mehr hat. Ein paarmal schaffte ich es früh morgens ein bisschen zu laufen und mich dann irgendwo auf einen Kaffee hinzusetzen. Ansonsten lief hier zuhause alles auf Sparflamme. Manchmal griff ich zum Töpferwerkzeug, um mich damit zu beschäftigen, oder strickte ein bisschen.
Es dauerte etwa zwei Wochen bis ich so langsam aus diesem Loch gefunden hatte. Ich begann den einen oder anderen Termin zu machen, oder morgens einfach eine Runde zu laufen und mich mit einem Cappuccino zu belohnen. Und ich buchte mit meinem Sohn einen Urlaub, auf den wir uns riesig freuen. Danach mache ich mir Gedanken über künftige Aktivitäten.
Wenn die Leere um sich greift
