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Die blinde Mutter und der Überblick beim Schulstart

Vor ein paar Wochen tauchte der Aufruf zur Blogparade #Schulstart! Was Schule ist und was sie werden kann in meinem Postfach auf. Ich finde die Idee gut, und nehme gern daran teil.
Als die Einschulung meiner Tochter näher rückte, war ich schon etwas aufgeregt. Es war nicht nur der Beginn eines neuen Abschnitts, sondern auch das große Unbekannte, das da auf uns Eltern zukam.
Allein die Liste der benötigten Materialien, die wir Eltern zugeschickt bekamen, verursachte mir Bauchschmerzen. Wie sollte ich als blinde Mutter die unterschiedlichen Hefte, Hefter und Stifte voneinander unterscheiden, feststellen welche Stifte und Farben ausgetauscht werden sollten oder wie die Nachrichten im Elternheft lesen? Das waren Fragen, die mich zusätzlich zu den allgemeinen Fragen beschäftigten, und für die es galt Lösungen zu finden.

Ich selbst war in den ersten zwei Jahren auf einer Schule für sehbehinderte Kinder. Dort habe ich ausreichend Restsehen gehabt, um meine Hefte voneinander zu unterscheiden. Und in meinem Schulranzen gab es eine feste Ordnung, sodass ich die gesuchten Gegenstände sehr schnell zur Hand hatte. Ich erinnere mich daran, dass es nicht so viele Sachen waren, wie jetzt auf der Materialliste meiner Tochter standen.
Ab dem dritten Schuljahr besuchte ich eine Schule für blinde Kinder. Dort schrieben wir nicht in ein Heft, sondern auf einzelne Blätter. Denn nur so konnte man auf einer Schreibmaschine für Brailleschrift schreiben. Die Blätter wurden mit Namen, Fach und Datum beschriftet und in Ordner abgeheftet, die wir ebenfalls mit Braille beschrifteten. Dasselbe galt auch für Zeichnungen, die auf Folie oder Papier angefertigt wurden. So etwas wie unterschiedliche Stifte oder Farben habe ich nicht benutzt. Und weil ich es nie gebraucht habe, habe ich mich nie mit der Materie auseinandergesetzt. Kurz, ich hatte hier eine klaffende Bildungslücke.
Ich ließ mir von einer Freundin beim Beschaffen der Schulausstattung helfen. Hefte, Mappen und Mäppchen wurden mit Namen beschriftet, und ich versuchte mir die einzelnen Gegenstände aus dem Schulranzen einzuprägen. Das musste fürs Erste reichen.
Der Schulstart kam, und so nahm das Chaos seinen Lauf. Von den Schülern wurde erwartet, dass sie den Eltern sagten, wenn die Lehrerin etwas ins Heft geschrieben hatte. Und ebenso wurde erwartet, dass sie nach dem Mittagessen noch wussten welche Schularbeiten erledigt werden mussten. Letzteres konnte die Nachmittagsbetreuung auffangen, da mehrere Kinder dieselbe Klasse besuchten. Blieb noch der Informationsaustausch zwischen Lehrerin und mir. Die Schule tat sich schwer damit mir eine E-Mail zu schreiben oder anzurufen, und meine Tochter hatte die Ordnung nicht gerade zu ihrem besten Freund erklärt. Mit Glück waren Elternbriefe und Mitteilungen tatsächlich in den Weiten des Schulranzens verborgen, und fanden so den Weg nach Hause. Dieselbe Herausforderung hatte ich ebenfalls in der Nachmittagsbetreuung. Allerdings bestand da die Möglichkeit sich telefonisch auszutauschen oder beim Abholen kurz miteinander zu reden.
Ich löste mein Informationsproblem dadurch, dass ich in regelmäßigen Abständen jemanden dafür bezahlte, der nach nicht abgegebenen Benachrichtigungen aus der Schule fahndete. Das war für mich die beste Lösung, da manche Mitteilungen handschriftlich gemacht wurden. Parallel dazu bekam ich Infos von anderen Eltern, sodass ich weniger Energie für die Informationsbeschaffung aufwenden musste.
Problematischer war das Auffinden von Kleidung, die meine Tochter in der Schule vergessen hatte. Diese wiederzufinden war eine Lebensaufgabe. Denn es gab in einem Raum eine riesige Kiste, in die alle Textilien kamen, die jemand vergessen hatte. Diese Wühlkiste war nur zu bestimmten Zeitabschnitten zugänglich. Gerade in den ersten Jahren der Grundschule waren sowohl meine Tochter als auch ich komplett überfordert mit der Kleiderflut. Ich hatte also die Wahl mir eine Hilfsperson zu bezahlen, oder für das Geld neue Sachen zu beschaffen.
Schule ist also nicht nur für die jungen Abc-Schützen ein neues Abenteuer, sondern auch für Eltern. Und wenn diese noch eine Behinderung ihr Eigen nennen, dann wird es sehr abenteuerlich und fördert alle Kreativität, deren man fähig ist.

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Typische Fragen an blinde Eltern

Die Gruppe behinderter Eltern ist relativ klein. Und die von uns Eltern mit einer Sehbehinderung noch kleiner. Daher bleibt es nicht aus, dass Fragen aufkommen, die nur wir beantworten können. Und eben das möchte ich tun. Und um ein Ergebnis zu erhalten, das nicht nur meine Ansichten repräsentiert, habe ich auf meiner Facebookseite eine entsprechende Anfrage an mitlesende Eltern mit Sehbehinderung gestartet. Die Teilnehmer konnten öffentlich antworten, oder mich privat anschreiben. Aus diesem Fragenkatalog habe ich mir die meist gestellten Fragen ausgesucht. An oberster Stelle steht die Frage „Aber Ihr Partner sieht doch?“ Das kann sein, muss es aber nicht. Blinde Eltern gibt es sowohl mit als auch ohne sehenden Partner. Und es gibt sie ebenso auch allein erziehend. Wer also einen sehenden Partner als die Voraussetzung für ein funktionierendes Familienleben sieht, der wird hier enttäuscht werden.
„Haben die Kinder Deine Blindheit geerbt?“ Es gibt viele unterschiedliche Augenerkrankungen. Die wenigsten davon sind erblich. Blinde Eltern mit Kinderwunsch haben heute eine Reihe an Möglichkeiten das feststellen zu lassen.
„Bist Du so richtig blind?“ Diese Frage wird gern durch ein mitleidheischendes „Dann hast Du Deine Kinder also noch nie gesehen?“ begleitet. Wer gesetzlich blind ist, muss nicht vollblind sein. Blinde Menschen, die wirklich gar nichts mehr sehen, machen nur vier Prozent aller Blinden aus. Ich habe es nicht vermisst, dass ich meine Kinder nicht vollständig sehen kann. Ich finde, dass sehen hier einfach überbewertet wird. Denn wir Menschen haben nicht nur optische Eigenschaften.
„Hast Du eine Betreuerin bzw. eine Haushaltshilfe?“ Nein, habe ich nicht. Eine Sehbehinderung ist kein Grund für eine gesetzliche Betreuung. Es gibt blinde Eltern, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, andere wiederum nicht. Hier sind die Bedürfnisse unterschiedlich wie bei normal sehenden Personen.
„Die Kinder helfen bestimmt ganz viel.“ Kopfkino: Das Grundschulkind, welches vor dem Schulbesuch den Eltern das Frühstück bereitet, nach der Schule das Mittagessen kocht, den Einkauf erledigt und mit den Eltern spazieren geht. Am Wochenende erledigt es die Wäsche und putzt die Wohnung durch. Leute, Kinder blinder Eltern sind in erster Linie Kinder, und nicht dazu da die Sehbehinderung der Eltern zu kompensieren. Wenn Eltern also regelmäßige Hilfe brauchen, dann organisieren sie sich diese durch Assistenz, Haushaltshilfe oder aus dem sozialen Umfeld.
„Wie machst Du das mit den Hausaufgaben?“ Es gibt Kinder, die alleine klarkommen, Eltern, die noch ausreichend sehen, um den Kindern zu helfen und Schulen mit angeschlossener Hausaufgabenbetreuung. Ich habe eine Assistenz beschäftigt, deren Aufgabe es war mit den Kindern lesen zu üben und auf das Schriftbild zu achten. Das war die für uns richtige Lösung.
„Ihr könnt ja dann kein Auto fahren. Könnt Ihr dann überhaupt Ausflüge machen?“ Meine Kinder und ich waren viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Es gab einige Ziele, bei der ich mir eine sehende Begleitung mitgenommen habe. Dazu gehörten Kirmes oder Schwimmbad, denn bei der Geräuschkulisse habe ich mir die Beaufsichtigung erst alleine zugetraut, als die Kinder älter waren. Eine gute Alternative waren Verabredungen mit anderen Familien.
„Dürfen andere Kinder Euch besuchen?“ Von uns aus sprach nie etwas dagegen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder vorbehaltlos zu uns lassen, und Andere, die uns erst mal kennenlernen möchten. Und da es mir ähnlich ging, erledigte sich das dann von selbst.
„Wie können Eure Kinder Freunde besuchen?“ Verabredungen nach Kita oder Schule sind einfach. Mein Kind geht mit dem anderen Kind mit, und ich hole es zur vereinbarten Uhrzeit ab. Entweder kenne ich den Weg, und finde ihn alleine, oder ich nehme mir ein Taxi. Eine weitere Alternative ist eine gute Wegbeschreibung. Es gibt aber auch nette Eltern, die mir anbieten mein Kind zu bringen. Das ist immer situationsabhängig.
„Kriegt Ihr Essen auf Rädern, oder habt ihr euch schon mal den Magen verdorben?“ Fragen wie diese machen mich einfach nur fassungslos. Der Fragesteller geht davon aus, dass blinde Menschen weder kochen noch verdorbene Lebensmittel erkennen können. In So prüfe ich wie gut meine Lebensmittel sind beschreibe ich wie man das auch ohne sehen feststellt.
Blinde Eltern haben eine Schwangerschaft lang Zeit sich auf die Ankunft ihres Kindes vorzubereiten. Dazu gehört auch, dass man sich Rat im Umgang mit dem Baby holt, sich ggf. Hilfe organisiert und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen trifft. Fragen wie „War das jetzt ein Unfall“ kann dabei kein werdendes Elternteil gebrauchen. Genauso wenig wie Menschen, die einem zum Schwangerschaftsabbruch oder Pflegefamilie raten. Wertschätzung oder Unterstützung sehen anders aus.

Blinde Eltern sind nicht die einzige Gruppe, die mit Vorurteilen kämpft. Mich hat Victoria durch ihren Beitrag Verheiratet mit einem Moslem und die schlimmsten Vorurteile zu diesem Beitrag inspiriert. Sollte ich jemanden von Euch zu einem ähnlichen Beitrag inspirieren, dann freue ich mich über den entsprechenden Link in den Kommentaren.

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Allgemein blinde Eltern

Wenn die Leere um sich greift

Bisher musste ich mich nicht wirklich um eine Tagesstruktur sorgen. Diese gaben mir früher mein Job und später meine Kinder vor. Die Ausnahme waren manchmal die Schulferien, die eine Art Ausnahmezustand für alle Beteiligten waren. Aber es war ein überschaubarer Zeitraum, den ich gut handhaben konnte. Die Kinder wurden älter, und damit wuchs auch ihre Selbständigkeit. Und so kam es, dass ich in den letzten Monaten einige Veränderungen erfahren durfte.
Meine Kinder machten jetzt ihr eigenes Ding. Ich musste keine Schulaktivitäten mehr begleiten, Elternabende besuchen oder sie beaufsichtigen. Das war ein schleichender Prozess, der mir immer mehr eigene Aktivitäten ermöglichte.
Anfang des Jahres zog mein Gastkind Amal für ein halbes Jahr bei uns ein. Neben meinen Aktivitäten habe ich mich um sie gekümmert und ihr versucht so viel wie möglich zu vermitteln. Ich denke, über Langeweile konnte ich mich während dieser Zeit nicht beschweren.
Ende Juni ging mein Gastkind Amal zurück in ihre Heimat. Zeitgleich fuhr meine Tochter nach dem Abitur ins Ausland, um mehrere Monate dort zu verbringen. Die Sommerferien standen an. Sechs Wochen lang, und nur noch ein erwachsenes Kind im Haus, welches seine eigene Tagesstruktur hatte. Auch die Lokation, wo ich zweimal in der Woche zum Töpfern gehen konnte machte für einige Wochen Ferien und auch mein wöchentliches Showdown Training fand erst mal nicht statt. Kurz: die meisten Aktivitäten, die mir einen Großteil meiner Tagesstruktur vorgaben, waren auf einmal weg.
Ich brauche ein gewisses Maß an Action in meinem Leben, um mich wohlzufühlen. Es war bisher normal für mich ein neues Projekt zu beginnen, sobald ein anderes am Auslaufen war. Doch jetzt gab es diese Action nicht mehr. Und obwohl ich das hätte kommen sehen müssen, traf es mich erst mal völlig unvorbereitet.
Die ersten 10 Tage hing ich erst mal kräftig in den Seilen. Keine Kraft mehr für nix, und zeitgleich das Gefühl, dass nichts mehr klappte, und jede Bewegung anstrengte. Zu Action gehört für mich auch ein bisschen Zeitdruck. Und dieser fehlte gänzlich. Es interessierte niemanden mehr, ob Staub gesaugt war, ich am Schreibtisch saß oder im Bett liegen blieb. Ich verstand irgendwie die Welt nicht mehr. Schließlich hatte ich mir Ruhe gewünscht. Aber so? Das tat mir nicht gut. Während dieser Zeit fehlte mir sogar die Kraft für mich selbst zu sorgen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich einfach akzeptieren konnte, dass die Dinge so waren wie sie eben waren. Wenn es sich gut anfühlte mit der Katze auf dem Schoß auf dem Sofa zu sitzen, dann war es so.
Ich brauchte eine Tagesstruktur. Das finde ich ist das Schwerste, wenn man so gar keine zeitlichen Vorgaben mehr hat. Ein paarmal schaffte ich es früh morgens ein bisschen zu laufen und mich dann irgendwo auf einen Kaffee hinzusetzen. Ansonsten lief hier zuhause alles auf Sparflamme. Manchmal griff ich zum Töpferwerkzeug, um mich damit zu beschäftigen, oder strickte ein bisschen.
Es dauerte etwa zwei Wochen bis ich so langsam aus diesem Loch gefunden hatte. Ich begann den einen oder anderen Termin zu machen, oder morgens einfach eine Runde zu laufen und mich mit einem Cappuccino zu belohnen. Und ich buchte mit meinem Sohn einen Urlaub, auf den wir uns riesig freuen. Danach mache ich mir Gedanken über künftige Aktivitäten.

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Was Kinder wirklich brauchen

Es gibt ganz viele Ratgeber darüber was Kinder brauchen, und wie man sie fördern, erziehen und begleiten soll. Die Meinungen sind genauso vielfältig wie die Verfasser selbst.
Was Ratgeber angeht, so habe ich keinen Einzigen zu Ende gelesen. Denn für mich als blinde Mutter gab es nie einen, welcher irgendwie auf meine Situation übertragbar war.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder uns ihre Bedürfnisse mitteilen. Und es ist an uns Eltern, Betreuern oder erwachsene Freunde diese zu erkennen und darauf zu reagieren.

An oberster Stelle stand bei mir Vertrauen. Ich musste lernen meinen Kindern zu vertrauen und ihnen nach ihren Möglichkeiten eigenständiges Handeln zuzutrauen. Das war für mich anfangs schwer auszuhalten. Ich erinnere mich an den ersten Ausflug alleine auf den Spielplatz, ins Schwimmbad oder auf die Kirmes. Ich musste lernen darauf zu vertrauen, dass meine Kinder sich wie vereinbart bei mir melden, wenn wir uns zwischenzeitlich getrennt hatten. Erst recht, als sich ihr Radius mit zunehmendem Alter erweiterte.
Ebenso ist es auch an mir ihnen vorzuleben, dass auch ich Bedürfnisse und Grenzen habe. Und dass ich mich an Vereinbarungen und Versprechen halte. Wenn die Spülmaschine ausgeräumt ist, gehen wir raus. Ich möchte nicht, dass Du nach mir schlägst. Ich mache mir Sorgen, wenn Du mir nicht Bescheid sagst, dass Du länger bei Deiner Freundin bleibst.
Vor ein paar Jahren bekam ich von meinen Kindern ein wunderschönes Kompliment gemacht. „Mama, bei Dir weiß man immer woran man ist.“ Darüber habe ich mich damals riesig gefreut.
Heute sind meine Kinder beide volljährig. Wir haben ein liebevolles Vertrauensverhältnis zueinander. Und dafür bin ich dankbar. Denn das bedeutet für mich, dass wir für uns das richtige Maß von Nähe und Distanz gefunden haben.

Im Zusammenhang mit blinden Eltern taucht oft die Frage auf, wie ich damit umgehe, dass sie meine Sehbehinderung ausnutzen, oder mich hintergehen. Besonders die vielen selbst ernannten Miterzieher sind der festen Überzeugung, dass meine Kinder sich ihre Freiheiten sowieso nehmen. Schließlich bin ich blind genug, um das meiste nicht mitzukriegen. Tja, Freunde des Misstrauens und der großzügigen Verbote, sehen ist nicht alles. Die meisten Eltern werden mir Recht geben, dass man ein Gespür dafür entwickelt, was das Kind gerade macht oder wie es ihm geht. Und daraus lässt sich vieles ableiten.
Eine weitere Regel war, dass ich nie einfach so Verbote erlassen habe, sondern ganz viel Überzeugungsarbeit gemacht habe. Es dauert ein wenig länger, hat aber eine nachhaltige Wirkung.
Tja, und dann kommt das Kind in ein Alter, in welchem es beginnt eigenständig zu handeln, seine eigenen Ideen umzusetzen und damit auch mal Fehler zu machen. Das war eine Zeit, die ich schwer aushalten konnte. Aber mit Vorhaltungen und Verboten kommt man hier nicht weit. Erst recht nicht, wenn man möchte, dass das Kind mit einem darüber spricht, und sich meine Vorschläge anhört.
Heute blicke ich auf zwei selbständig denkende, volljährige Kinder, die sich in vielem selbst zu helfen wissen, die aber bei Bedarf auch mal meinen Rat einholen.

Mit diesem Text nehme ich an einer Blogparade mit dem Titel „Was brauchen Familien wirklich“ teil. Diese läuft noch bis zum 15.06.2019.

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Blind unterschreiben, so geht’s

Irgendwann hatte meine Tochter die Idee sich Löcher in die Ohren stechen zu lassen. Und sie hatte auch schon eine Idee in welches Geschäft sie gehen und das machen lassen möchte. Der einzige Haken war, dass sie das Einverständnis eines Erziehungsberechtigten dazu brauchte. Soweit, so gut. Also gingen wir hin, und meine Tochter trug ihren Wunsch vor. Die Mitarbeiterin erklärte ihr, dass ein Formular auszufüllen und dieses von mir zu unterschreiben sei. Und das sei das Problem. Denn sie wisse nicht wie wir das mit dem Unterschreiben machen sollten. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich sehr wohl in der Lage bin zu unterschreiben. Nur wurde ich einfach nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen fing die Dame an mit einer Kollegin darüber zu diskutieren wie das mit der Unterschrift zu lösen sei. Ich machte noch zwei Versuche zu Erklärung. Nachdem man mich aber weiterhin ignorierte, verließ ich mit meiner Tochter den Laden. Denn eine solche Ignoranz steht im Widerspruch zu kundenorientiertem arbeiten. Und das wollte ich nicht dadurch unterstützen, indem ich Geld dort ausgab. Wir suchten und fanden eine kundenfreundlichere Alternative.
In der Regel passiert sowas nicht in einem solchen Extrem. Ich erlebe oft, dass ich gefragt werde: „Können Sie unterschreiben“, oder „Wie unterschreiben Sie“. Dann erkläre ich was ich brauche, und gut.

Aber wie geht das mit dem Unterschreiben?
Menschen, die erst später blind geworden sind, wissen wie ihre Unterschrift aussieht, und können diese recht einfach schreiben, wenn man ihnen zeigt wohin sie gesetzt wird. Blinde Menschen, die kaum bis gar nicht mit der Hand schreiben können, müssen ihre Unterschrift regelrecht lernen und üben. Eine Möglichkeit ist diese für den Blinden erhaben darzustellen, damit diese eine Vorstellung davon bekommt wie diese auszusehen hat. Ist noch ein Restsehen vorhanden, kann man die Unterschrift alternativ mit einem dicken Stift aufmalen. In beiden Fällen muss diese solange geübt werden, bis man sie beherrscht.

Wohin mit der Unterschrift?
Ich mache das so, dass ich mir zeigen lasse, wohin die Unterschrift muss. In manchen Fällen kann ich die entsprechende Linie noch erkennen. Alternativ lasse ich mein Gegenüber eine Karte oder ein Stück Pappe auf die Linie setzen, während ich diese mit einer Hand fixiere, kann ich mit der anderen Hand entspannt unterschreiben. Außerdem kann man eine Plastikkarte oder einen anderen flachen Gegenstand nehmen, der diese Form hat.
Eine weitere Alternative ist eine Unterschriftenschablone. Diese gibt es aus Pappe, Kunststoff oder Metall. Und es gibt sie in unterschiedlichen Größen. Der Trick ist, dass man hier ein fühlbares Fenster hat, in dem die Unterschrift zu leisten ist. Mit Hilfe eines Lineals und einer guten Bastelschere kann man diese auch gut selbst herstellen. Ansonsten werden diese in Fachgeschäften für Blindenhilfsmittel angeboten.

Mythen für die Unterschrift
„Soll ich Ihnen die Hand führen“, ist eine Frage, die ich oft zu hören bekomme. Aus meiner Sicht ist es Blödsinn, da diese Unterschrift jedes Mal anders aussieht, abhängig vom Helfer. Und es fühlt sich einfach unangenehm an. Diesen Leuten sei gesagt: Auch blinde Menschen können unterschreiben. Sie müssen nur wissen wo. Und wir unterschreiben auch nicht mit einem Fingerabdruck, wie es in manchen Ländern bei blinden Personen vorgeschrieben ist.