Als ich zum ersten Mal alleine wohnte, tauchte irgendwann die Frage auf, wie ich das denn mit dem Anziehen mache. Ich verstand den Sinn dieser Frage nicht gleich. Denn anziehen gehörte für mich zu den elementaren Dingen wie Körperpflege oder Essen. Ich war 20 und hatte mein Studium begonnen. Vorher hatte ich im Internat gelebt, und während der Ferien bei meiner Familie. Und nichts und niemand hatte mich darauf vorbereitet, dass meine Komolitonen im Studentenwohnheim über Dinge staunten, die für mich vollkommen normal waren.
Als ich klein war, wurde ich von meiner Mutter angezogen. Und so wie jedes normal entwickelte Kind habe auch ich irgendwann nach und nach gelernt mir die Kleidung selbst anzuziehen. Sehende Kinder schauen hin, blinde Kinder erfühlen ihre Kleidung. Meine Mutter machte zwischen mir und meinem ein Jahr jüngeren Bruder kaum einen Unterschied. Daher fiel es mir nicht auf, dass sehende beim Anziehen auf Knöpfe, Reisverschlüsse oder Socken schauen müssen, um sich diese anziehen zu können. Ebenso selbstverständlich war es auch, dass unsere Mutter bestimmte was wir Kinder trugen.
Ich war 9 Jahre alt, als ich in eine Blindenschule kam. Ich reiste Sonntagabend an und war Freitagnachmittag wieder bei meiner Familie. Hier musste ich mich zum ersten Mal mit meinem Kleiderschrank und dessen Ordnung auseinandersetzen. Eine Erzieherin räumte ihn für mich ein und zeigte mir in welchem Fach ich Hosen, Pullover oder Unterwäsche finden konnte. Ich lernte mir abends die Sachen für den nächsten Tag über einen Stuhl zu legen, und bereits getragene Kleidung in einen Wäschekorb zu legen. Dort wurde die Wäsche gesammelt und nach dem Waschen von den Erzieherinnen wieder nach derselben Anordnung in den Schrank eingeräumt. Voraussetzung dafür war, dass sämtliche Kleidungsstücke mit Namen versehen waren. Unsere Erzieherinnen achteten auch darauf, dass unsere Kleider in Ordnung waren und halfen auch mal, wenn etwas farblich nicht zusammen passte. Ich weiß noch wie eine der Erzieherinnen mit mir das Schuhebinden übte. 😊
Eine Veränderung gab es, als ich zweieinhalb Jahre später in eine andere Wohngruppe kam. Hier musste ich meinen Schrank selbst einräumen und meine Schmutzwäsche in einem Wäschesack sammeln und am Wochenende mit nach Hause nehmen. Dementsprechend überschaubar war die Menge der Kleidung.
Ich kam an jedem Wochenende nach Hause. Die Heimfahrt wurde für mich von der Schule aus per Auto organisiert. Nur zu den Weihnachtsferien, Osterferien und Sommerferien musste die Heimfahrt durch die Eltern organisiert werden. Dann wurde auch sämtliche Kleidung mitgenommen. Meine Mutter sah alles durch, sortierte aus und sorgte für Nachschub. Mein Job war lediglich Kleidung anzuprobieren.
Eine weitere Veränderung ergab sich, als ich mit dreizehn Jahren auf das Gymnasium nach Marburg wechselte. Von nun an gab es nur einen freien Samstag im Monat, so dass ich nicht mehr an jedem Wochenende zuhause war. Unsere Wäsche wurde an eine Wäscherei gegeben. Hierzu mussten wir eine Liste der Dinge erstellen, die in der Wäsche waren. Anfangs half eine Erzieherin bei der Auflistung. Später tippte ich die Liste mit einer Schreibmaschine und legte sie der Wäsche bei.
Mit 15 zog ich in eine Wohngruppe, die über eine Waschmaschine und einen Wäschetrockner verfügte. Wir durften weiterhin auf den Wäscheservice zurückgreifen. Ich begriff jedoch schnell, dass ich meine Lieblingsjeans schneller wiederbekam, wenn ich sie selbst wusch. Also ließ ich mich von einer Erzieherin in den Umgang mit der Waschmaschine einweisen. Ich stellte fest, dass waschen kein Hexenwerk war. Ich brauchte nur ein paar Grundregeln zu beherzigen. Beispielsweise lernte ich, dass man nicht sämtliche Wäsche in einer Maschine wusch. Ich lernte welche Farben man zusammen waschen durfte, und welche nicht. Ich speicherte in meinem Gedächtnis welches Kleidungsstück bei welcher Temperatur gewaschen wurde. Und wenn ich etwas nicht wusste, dann konnte ich eine Erzieherin fragen. Ich begriff irgendwann, dass nicht alles in den Trockner durfte. Außerdem roch die Wäsche schöner, wenn man sie auf einem Wäscheständer aufhängte. Tja, und wenn man das ordentlich machte, dann fühlte sie sich auch nicht so zerknittert an.
Ich befand mich in einem Alter, in dem junge Erwachsene ihren eigenen Kleidungsstil entwickeln. Eine Phase, die manchmal heftige Auseinandersetzungen mit den eigenen Eltern mit sich bringt. Das war bei mir nicht anders. Ferienzeit hieß mindestens einmal shoppen mit meiner Mutter. Und das in Form einer Ganztagsveranstaltung in verschiedenen Geschäften. Wenn sie der Meinung war, dass ich ein bestimmtes Kleidungsstück anziehen sollte, und ich mich darin nicht wohl fühlte, kam garantiert einmal das Totschlagargument: „Du siehst das doch nicht“. Und auch wenn sie Recht hatte, machte mich das unsagbar wütend. Erst recht, da mir der Vergleich mit anderen Jugendlichen fehlte. Meine Schwestern waren damals noch zu jung, um gemeinsam shoppen zu gehen. Und eine Freundin außerhalb meiner Schule, mit der ich solche Dinge hätte machen können, die hatte ich nicht.
Das erklärt vielleicht, dass ich über die Frage meiner Kommilitonin im Studentenwohnheim so erstaunt war. Ich denke, wir haben während dieser Zeit viel voneinander gelernt. Es war mir vorher schwer gefallen einen Rat bezüglich meiner Kleiderwahl von meiner Mutter anzunehmen. Von Kommilitonen ließ ich mir das gern gefallen. Ich lernte welche Kleidung zusammenpasste und entwickelte mein System Dinge so im Schrank anzuordnen, dass sie passten. Waschen konnte ich bereits, was einige meiner sehenden Mitstudenten noch nicht konnten.
Ich hatte nun mein eigenes Geld, und war somit unabhängig. Allerdings brauchte ich einige Zeit, bis ich mich traute auch Kleidung alleine einkaufen zu gehen. Zuerst nahm ich jemanden mit, da ich den Mitarbeitern in den Geschäften nicht vertraute. Es dauerte Jahre, bis ich einen gesunden Umgang mit der Kleiderfrage entwickelte. In der Regel ging ich in dieselben Geschäfte. Ich lernte auf die Rückmeldungen von Freunden zu achten. Wurde ich auf ein Kleidungsstück positiv angesprochen, so konnte ich getrost wieder in diesem Geschäft einkaufen gehen.
Ich muss etwa 25 Jahre alt gewesen sein, als ich für eine Zeitlang wieder bei meiner Familie lebte. Wir hatten als einziges Kaufhaus einen C&A. Was ich gesucht hatte, weiß ich heute nicht mehr. Ich ging also an die Kasse und fragte nach Hilfe. Die Mitarbeiterin, die dann kam, kannte mich wohl schon länger. Jedenfalls fragte sie gleich: „Warum kommst Du nicht mit Mutti“? Ich konnte der Dame nicht klarmachen, dass auch ich ohne Mutter einkaufen gehe. Diese zweifellos gut gemeinte frage sorgte dafür, dass ich den Laden umgehend verließ und erst nach langer Zeit wieder einen Fuß hineinsetzte. Ich war eine erwachsene Frau und wollte auch als solche behandelt werden.
Es brauchte viele Jahre in freier Wildbahn, um meinen Kleidungsstil zu finden. Und fast ebenso viel Zeit war nötig, um herauszufinden wer als Berater zu mir passte. Ich erkenne in Geschäften sehr schnell wer als beratender Mitarbeiter mit mir harmoniert und wer nicht. Mir ist ein gepflegtes Äußeres wichtig. Gleichzeitig muss ich mich in der Kleidung wohlfühlen. Das ist auch die einzige eigene Rückmeldung. Das Auge des Verkäufers oder der Freundin müssen quasi den Rest übernehmen. Und das empfinde ich als Herausforderung für alle Beteiligten.
Shoppen ist bis heute etwas, dass ich nur mache, wenn es unbedingt sein muss. Stundenlang durch Bekleidungsgeschäfte und Schuhläden zu laufen empfinde ich als Stress und Zeitverschwendung. Daher bin ich froh, dass meine Kinder das inzwischen ohne mich machen können. So habe ich die Wahl mitzugehen oder nicht. Und dann bekommt das Shopping eine ganz andere Bedeutung.
Wenn ich gezielt nach Kleidern schaue, dann mache ich das gern mit einer sehenden Person meines Vertrauens. Die Kriterien sind denkbar einfach. Ein gutes Auge, das Respektieren meiner Meinung ohne mir die Eigene aufzudrängen und Ehrlichkeit, wenn ein Kleidungsstück nicht so gut zu mir passt. An sich kein Hexenwerk, wenn die sehende Begleitung verinnerlicht hat, dass ich eine erwachsene Frau mit einer eigenen Meinung bin, die man ruhig ernstnehmen kann. Ich möchte mit meiner Begleitung auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Liebe Angehörige, die Ihr das vielleicht lest. Bitte unterlasst so Sätze wie „Du siehst es ja nicht“, oder „Ich sehe es im Gegensatz zu Dir“. Dass der Blinde etwas nicht sehen kann, weiß er selbst am besten. Und dass Ihr diejenigen seid, die sehen können, das ist ihm ebenfalls bewusst. Aber jemandem eine eigene Meinung oder einen eigenen Geschmack abzusprechen, nur weil er blind ist, wirkt von oben herab und damit ziemlich arrogant. Sätze wie „Ich finde, das diese Farbe nicht zu dir passt“, oder „Der Schnitt steht Dir nicht“, finde ich aussagekräftiger und längst nicht so verletzend. Ich weiß, Ihr meint es nur gut, wenn Ihr sagt: „Im Gegensatz zu Dir sehe ich, was die anderen tragen, und was gerade Mode ist“. Aber gerade solche Sätze vermitteln einem ein Gefühl der Hilflosigkeit und damit, dass er oder sie dem Sehenden ausgeliefert ist. Und niemand möchte das sein. Nicht umsonst heißt es „Ratschläge sind Schläge, die oft mehr weh tun als körperliche Gewalt“.
Monat: September 2016
Pass schön auf die Mama auf
Meine Tochter war vielleicht zwei Jahre alt. Sie lief kurze Strecken an meiner linken Hand, während ich mir mit dem Blindenstock in der rechten Hand unseren Weg ertastete. Auf einmal sprach eine Frau meine Tochter an, mit den Worten: „Das ist aber schön, dass Du der Mama hilfst“. Ups, meint die das jetzt ernst? Vermutlich schon. Gern hätte ich sie gefragt, ob sie sich einem zweijährigen Kind blind im Straßenverkehr anvertrauen würde. Aber wie das ebenso ist. Als ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, da war sie bereits weg.
Damals wusste ich nicht, dass mir dieses Verhalten recht oft begegnen würde. Und auch nicht, dass ich mit der Zeit eine gewisse Schlagfertigkeit entwickeln würde, um auf solche Sätze zu reagieren.
Die Dame hat eine blinde Frau gesehen, die ein kleines Kind an der Hand hat. Mit blind wird gleich hilflos assoziiert. Es kann also nur so sein, dass das Kind die Mutter führt. Für mich ist das inzwischen nachvollziehbar. Hätte sie ein bisschen weiter gedacht, dann hätte auch ihr klar sein müssen, dass ein kleines Mädchen in dem Alter nicht in der Lage ist mich sicher durch die Stadt zu führen. Mal abgesehen davon, dass ich für mein Kind verantwortlich bin, und nicht mein Kind für mich. Auch wenn ich blind bin, habe ich eine Aufsichtspflicht meinen Kindern gegenüber.
Mein Sohn war noch nicht ganz vier Jahre alt, und meine Tochter fünfeinhalb. Ich wollte mit meinen Kindern auf einen kleinen Weihnachtsmarkt gehen. Eine Bekannte, die vorher da war, verabschiedete sich von meinen Kindern mit den Worten: „Passt schön auf Eure Mama auf“. Auch hier habe ich mir die Frage gestellt, ob sie sich zwei verspielten Kindergartenkindern buchstäblich blind anvertrauen würde. Jede Wette, dass sie es nicht tun würde. Eher würde sie mir erzählen, dass Kinder von Blinden eben viel sensibler seien, und natürlich viel früher selbständig. Denn schließlich müssten sie die Sehbehinderung ihrer Eltern kompensieren. Und ja, es gibt Tage, da würde ich es richtig klasse finden von meinen Kindern rundum umsorgt zu werden. Nur hat das nichts mit meiner Blindheit zu tun. Vielmehr befinde ich mich mit vielen anderen Miteltern in guter Gesellschaft. 😊
Und auch das kann man noch toppen. Meine Tochter war sechs Jahre alt, mein Sohn viereinhalb, als ich mit einer Freundin und ihrer Tochter in den Urlaub gefahren bin. Wir waren mit dem Zug unterwegs und mussten mehrmals umsteigen. Da ich nicht zum ersten Mal mit meinen Kindern Zug gefahren bin, hatten wir inzwischen unsere Logistik entwickelt. Irgendwann wies meine Freundin die Kinder an, sie sollten doch ihre Mama mitnehmen. Ich schrieb das der Hektik zu, und ignorierte das. Nachdem das aber weitere zweimal vorkam, bat ich sie das zu unterlassen. Wenn jemand meine Kinder anweist mich mitzunehmen, dann nur ich selbst. Und ich bestimme alleine ob und wann ich von jemandem mitgenommen werden möchte. In diesem Urlaub haben wir beide einiges voneinander gelernt.
Dass Kinder blinder Eltern generell früher selbständig sind, würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Das ist wie bei Familien mit nicht behinderten Eltern auch. Die typische Mutter gibt es genauso wenig wie den typischen Blinden. Es hängt also von vielen Faktoren ab wie dem familiären Umfeld, der Familiensituation und natürlich dem Kind selbst. Somit kann ich nur über meine eigene Familie eine verlässliche Aussage machen. Denn die kenne ich nun mal am besten.
Dass das Kochen nicht zu meinen liebsten Hobbys gehört, traue ich mich manchmal nicht zu erzählen.
Jedenfalls nicht in Gegenwart von normal Sehenden, die mich nicht gut kennen. Denn erfahrungsgemäß kommt dann ein Satz wie „Du bist ja auch blind“, oder „stimmt, du siehst es ja nicht“. Normalerweise würde ich dann lang und breit erklären, dass man als blinder selbstverständlich kochen kann. Früher habe ich mich diesen Diskussionen regelmäßig gestellt. Inzwischen mache ich das von meiner Tageslaune abhängig, ob ich jetzt die große Aufklärungsszene starten möchte oder nicht. Und wenn ich dann noch das Gefühl habe, dass mein Gesprächspartner vor Mitleid zerfließt und dadurch absolut lernresistent bleiben wird, dann empfinde ich das als Zeitverschwendung.
Ob jemand kochen kann oder nicht, hängt nicht vom Sehvermögen ab, sondern von vielen anderen Faktoren ab. Ich habe mehr Freude am Backen. Es macht mir einfach mehr Spaß. Kochen ist für mich eine Notwendigkeit, die meinen Geldbeutel schont und mir und meiner Familie den Kauf fertigen Essens erspart. Wobei ich auch Phasen habe, wo mir Kochen wieder richtig Freude bereitet. Und auch das ist kein blindenspezifisches Merkmal.
In meiner Küche gilt das Sprichwort „Wer Ordnung hält ist nur zu blind zum Suchen“. Für mich ist in der Küche Grundvoraussetzung, dass alles möglichst an seinem Platz ist. Wenn ich also meinen Suppentopf brauche, suche ich an dem Ort, an den ich ihn zuletzt hingestellt habe. In der Regel in einem bestimmten Schrankfach. Wenn er da nicht ist, muss ich suchen. Und da ich nicht eben mal einen Rundblick durch die Küche werfen kann, fange ich an zu suchen. D.h. ich muss tasten. Und das kostet mich das Mehrfache an Zeit. Auch wenn mich die Erfahrung im Zusammenleben mit meinen sehenden Kindern gelehrt hat wohin manche Dinge gestellt werden.
Kochen ist für mich entspannend, wenn ich nur einen Griff tun muss, um Öl, Käse, Pfeffermühle oder Tomaten sofort in der Hand zu halten. Und hier unterscheide ich mich vermutlich kaum von normal sehenden, die sich in der Küche betätigen. Jeder hat sich eine Ordnung geschaffen, mit der er oder sie am besten zurechtkommt. Nur ist diese Ordnung für mich als Blinde noch wichtiger, da mich das Suchen mehr Zeit kostet als einen normal sehenden. Und das stresst mich.
In meinem Kühlschrank oder anderen Schränken mit Lebensmitteln brauche ich die Ordnung auch, um möglichst schnell zu erfassen, ob etwas aufgebraucht wurde und nachgekauft werden muss. Dabei ist für mich nicht wichtig, dass die Gegenstände platzgenau stehen, sondern einfach in dem Schrankfach, welches für sie vorgesehen ist.
Spannend ist es bei Gewürzen. Diese bewahre ich in einem offenen Gewürzregal auf. Ich kann die Beschriftung noch lesen, wenn ich sie direkt vor das Gesicht halte und diese kontrastreich gemacht ist. Die meisten Gewürze habe ich dennoch mit Braille versehen. Das habe ich gemeinsam mit einem sehenden Freund gemacht. Damit bin ich einfach schneller, und es ist weniger anstrengend. Für die Beschriftung mit Punktschrift verwende ich durchsichtiges Dymoband. Das klebt gut und ist unempfindlicher als Papier. Außerdem können meine sehenden Kinder die normale Beschriftung auch sehen. Gewürze, welche in besonderen Gefäßen untergebracht sind, beschrifte ich nicht. Das habe ich mir gemerkt und aus lauter Faulheit nie geändert.
Aber nicht nur bei Lebensmittel ist mir die Ordnung wichtig, sondern auch bei Reinigungsgegenständen und Flaschen, die ich in der Küche aufbewahre. Wenn ein Glas kaputt geht, etwas umfällt oder spritzt, dann muss ich sofort in der Lage sein das wieder sauber zu machen. Und zwar ohne vorher zu suchen oder jemanden um Hilfe zu bitten.
Meine Kinder kennen das von mir. Wenn sie etwas an einen anderen Platz räumen, machen sie die Erfahrung, dass sie vermisste Gegenstände für mich suchen müssen. 🙂
Es gibt nur wenige Menschen, die ich freiwillig in meiner Küche werkeln lasse. Es sind vor allem Leute, die sich an meine Ordnung halten, sondern lieber einmal mehr fragen wo was hin soll. Und diese dürfen nicht mit mir zu diskutieren anfangen warum ich diesen oder jenen Gegenstand nicht doch an einer anderen Stelle unterbringen sollte. Jeder hat seine Ordnung, und ich habe eben meine. Und in meiner Küche mache ich die Regeln. Wer sich daran hält, der ist bei mir herzlich willkommen.
Kleidung und Wäschepflege
Als mich zum ersten Mal jemand fragte wie ich das mit dem Anziehen meiner Kinder mache, war ich zunächst etwas hilflos. Ich wusste nicht wie die Frage gemeint war. Ich glaube heute, dass die Fragestellerin wissen wollte wie ich die Kleider meiner Kinder zusammenstelle. Und damit ergibt diese Frage wieder einen Sinn für mich.
Während des Babyalters stellte sich mir diese Frage oft nicht. Ich habe entweder praktische Einteiler als Strampler benutzt, oder auch schon mal zusammenpassende Outfits gekauft. Damit war garantiert, dass die Sachen farblich aufeinander abgestimmt waren. Hier waren Freunde, Verwandte und Verkäufer meine besten Berater, da mein Mann und ich beide keine Farben erkennen können. Für mich war wichtiger, dass die Kleidung praktisch war. Und wer schon mal ein ausgelaufenes Kind, oder ein quengelndes Baby gewickelt hat, der weiß wovon ich rede. Bodys oder Strampler, die man schnell aufknöpfen kann, sind in der Handhabung nun mal Zeitsparender als solche, die man binden oder erst mühsam über den Kopf ziehen muss. An dieses Prinzip habe ich mich sehr lange gehalten. Auch später noch, als meine Kinder schon liefen, hieß das Zauberwort Zeitersparnis. Jeder, der sein Kind schon mal auf einem Spielplatz oder in einem Restaurant umziehen musste kennt das sicherlich.
Als meine Kinder mehr auf Spielplätzen unterwegs waren, galt das Prinzip, dass die Kleidung so beschaffen sein musste, dass sie Schlammschlachten jeglicher Art standhalten musste. Viele Sachen stammten aus Secondhandläden oder vom Discounter. Das schonte meine Nerven und meinen Geldbeutel, wenn die Sachen mal kaputt gingen.
Sätze wie „Mach Dich nicht schmutzig“ haben meine Kinder auf dem Spielplatz oder so nie zu hören bekommen. Dafür habe ich ihnen nie zweimal hintereinander dieselbe Kleidung angezogen. Denn auch wenn sie sich noch sauber anfühlte, musste sie nicht auch wirklich sauber sein. Ich habe die Kleidung lieber einmal mehr prophylaktisch gewechselt. Denn ich wollte sicher sein, dass meine Kinder das Haus mit sauberen Kleidern und gepflegtem Äußerem verließen. Und da ich zu dieser Zeit berufstätig war, waren Waschmaschine und Timer meine besten Freunde.
In diesem Alter haben meine Kinder auch schon mal selbst Wünsche geäußert welches Oberteil sie zu welcher Hose anziehen wollten. Auf diese Weise haben sie so allmählich ihren eigenen Geschmack entwickelt. Die Sachen, die sie nicht anziehen durften, wurden so platziert, dass die Beiden sie nicht gleich gesehen haben. Das waren die sogenannten Guten Sachen.
Irgendwann begannen wir die Kleidung gemeinsam einzukaufen. Das war zwar anfangs etwas anstrengend, jedoch sehr effektiv. Vor allem wenn wir eine gute Verkaufsberatung hatten, die etwas Geduld mitbrachte. Dafür suchte ich mir gern Zeiten aus, wo nicht so viel in den entsprechenden Läden los war. Ich nahm lange Zeit nur ein Kind mit, da das einfacher zu handhaben war. Das änderte sich jedoch mit dem Eintritt in die Grundschule. Da konnten wir gemeinsam einkaufen gehen.
Wenn etwas Besonderes gebraucht wurde, dann suchte ich in meinem sozialen Umfeld nach einer sehenden Begleitung, oder ich bezahlte jemanden dafür, dass er mir assistierte. Auch das fällt für mich unter den Begriff Elternassistenz.
Mit dem Eintritt in die Grundschule begann ich auch mehr auf die Kleidung meiner Kinder zu achten. D.h., dass ich eine sehende Assistenz damit beauftragte die Kleidung auf nicht fühlbare Mängel durchzusehen. Ich wollte auf diese Weise verhindern, dass meine Kinder aufgrund ihrer Kleidung ausgegrenzt wurden. Denn es heißt nicht umsonst, dass Kleider Leute machen.
Irgendwann begann ich damit meine Kinder ihre ‚Sachen‘ alleine aussuchen zu lassen. Sie durften über Schnitt und Farbe entscheiden, ich über den Preis und die Qualität. Das war für uns alle ein weiterer Schritt in die Unabhängigkeit. Der nächste Schritt war dann, dass meine Kinder alleine in ein bestimmtes Geschäft gehen durften. Dort haben sie sich Sachen ausgesucht, die wir besprochen hatten. Ich bin nur noch hingegangen, um das ganze abzusegnen und zu bezahlen.
Ich bin kein großer Freund von stundenlangem Schoppen. Dazu bin ich einfach zu ungeduldig. Daher habe ich mich stets gefreut, wenn meine Kinder ihren Einkauf eigenständiger gemacht haben. Inzwischen machen sie das in Eigenregie. Ich kann also mitgehen, muss es aber nicht.