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Allgemein Bildung Zu Gast auf lydiaswelt

Meine Blindheit macht mich nicht traurig.

Während eines Elternabends machte der Klassenlehrer den Vorschlag eine Dunkelausstellung zu besuchen. Die Idee kam bei den meisten Eltern gut an. Nur einige Eltern meinten, dass die Kinder nicht ins Dunkle müssten, da das was ganz schreckliches sei nichts zu sehen. Daran musste ich denken, als ich einen Facebook Beitrag über Blindheit und Dunkelheit las. Ich kontaktierte den Verfasser, und konnte ihn als Gastautor gewinnen.
Per Busch erblindete 1993 durch eine Explosion. Seit 2007 engagiert er sich in der freien Blindenselbsthilfe. Lange Zeit setzte er sich vor allem für blind bedienbare Smartphones und GPS-Orientierungs-Apps ein. Heutzutage geht es ihm eher um Barrierefreiheit im Wald und die Erforschung verschiedenster Themen rund um Blindheit.

„Meine Blindheit macht mich nicht traurig, Sehende manchmal schon“:
Während der Entstehung von Dubistblind.de fiel mir neben dieser Doppeldeutigkeit auf, dass viele typische Probleme blinder Menschen sozialer Art sind und mit der evolutionär entstandenen Angst vor Dunkelheit zusammenhängen. Jeder Mensch kennt das Gefühl zwischen Beklemmung und Angst, wenn man im Dunklen plötzlich nichts mehr sieht. In der Dunkelheit fühlen sich Sehende oft unbehaglich, unwohl, angespannt, nervös, mulmig, orientierungslos, unsicher, wehrlos, hilflos, abhängig, ausgeliefert, gefangen, eingesperrt, isoliert, machtlos, passiv, ohnmächtig, eingeschüchtert, nicht gut.

Beeinflussen unbewusste Angsterinnerungen, wie sehende Menschen sich das Leben blinder Menschen vorstellen? Was sind Urängste? Warum gibt es sie? Welche Ängste haben Tier und Mensch gemeinsam? Welche Ängste kennt schon jedes Kind? Welche realen Gefahren gibt es im Dunkeln? Wie gehen sehende Menschen mit ihrer Dunkelangst um? Welche Bewältigungsstrategien haben sie? Was unterscheidet Blindheit von anderen Behinderungen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Berührungsängsten gegenüber blinden Menschen und der allen Menschen bekannten Angst im Dunkeln? Mit diesen und ähnlichen Fragen werde ich mich künftig auf https://dubistblind.de/blog beschäftigen.
In einer repräsentativen Umfrage von 2016 gaben 80% sehender Menschen an, Mitleid mit Blinden zu haben. 74% glaubten nicht, dass sie noch glücklich sein könnten, wenn sie blind wären. 53% fühlen sich in der Nähe blinder Menschen unbehaglich. 46% konnten sich kein schlimmeres Schicksal vorstellen, als blind zu sein.
Ich mag die 54%, die sich Schlimmeres als Blindheit vorstellen können. Ich mag Menschen, die mir ohne übertriebene Unsicherheit, Ängste und Fürsorge begegnen.
Unwissenheit, fehlende Erfahrung und Mitgefühl mit Blinden sind unvermeidbar und ganz normal, offen gezeigtes Mitleid und Bevormundung muss aber wirklich nicht sein.

Fazit: Für mich ist es ein Trost, dass viele andere überall auf der Welt täglich das Gleiche erleben und dass das gefühlsgesteuerte Verhalten meiner sehenden Mitmenschen ganz normal ist. Man kann es leider kaum ändern, aber wenigstens verstehen. Dann tut es weniger weh und es kann einen nicht mehr so leicht verletzen.

Warum kommen Blinde nicht in die Hölle?
Weil der Teufel Angst hat, dass sie ihm auf den Schwanz treten. 🙂
Oder mit anderen Worten: Sogar der Teufel hat Vorurteile und Berührungsängste.

Ich habe die Studie zu der erwähnten Umfrage übersetzt, stark bearbeitet zusammengefasst und mit einigen Links ergänzt. Diese könnt Ihr hier nachlesen.

Danke Dir, lieber Per, dass Du Deine Ansichten mit uns geteilt hast. Mehr über ihn könnt Ihr auf seiner kurzweilig gestalteten Seite du bist blind finden.

Und jetzt freue ich mich auf Eure Meinungen in den Kommentaren.

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Allgemein unterwegs Zu Gast auf lydiaswelt

Bahnhofsbeschreibungen für blinde Fahrgäste

Wenn mobilitätseingeschränkte Personen Hilfe beim Umsteigen brauchen, können sie sich an den Mobilitätsservice der Bahn wenden. Das muss man allerdings rechtzeitig anmelden. Wer spontan fährt, muss andere Wege finden, um an sein Ziel zu kommen. Nun ist für blinde Fahrgäste das Umsteigen an einem unbekannten Bahnhof eine Herausforderung. Daher hat mein Gastautor Sebastian ein Projekt gestartet, welches blinden und sehbehinderten Fahrgästen die Orientierung an fremden Bahnhöfen erleichtern könnte.

Hallo, mein Name ist Sebastian. Die Beschreibungen betreue ich seit 2015 inhaltlich, gemeinsam mit einem Freund, der sich um die Technik dahinter kümmert. Wir machen das rein ehrenamtlich. Wir denken, dass die Beschreibungen uns bzw. anderen blinden und nicht-blinden helfen, sich auf unbekannten Bahnhöfen zu orientieren. Nicht immer kann man Hilfe organisieren. Ursprünglich wollte ich eine Art verbale Karte vom gesamten Land machen, das erschien dann allerdings doch etwas zu ambitioniert.
Ich möchte an einem Beispiel das Prinzip erklären:
Heinz wohnt in Hamburg. Auf seinem Weg zur Arbeit muss er täglich am Hauptbahnhof umsteigen, wo er sich gut auskennt. Daher beschreibt er den Bahnhof so, dass ein Neuling, der noch nie dort war erfährt, wie der Bahnhof aufgebaut ist, welche Orientierungshilfen es gibt und vor allem wie er von einem zum anderen Bahnsteig kommt. Diese Beschreibung schickt er mir über das Kontaktformular der Seite Mobil Kuubus.
Ich lese es und prüfe, ob ich die Anweisungen nachvollziehbar und verständlich finde. Eventuell stelle ich Rückfragen und erweitere den Text mit den erhaltenen Antworten. Wenn die Beschreibung nun vollendet ist, formatiere ich sie und veröffentliche sie auf der Seite. Nun steht sie allen anderen als Hilfe zur Verfügung.
Nun möchte Heinz seinen Bekannten in Berlin Hellersdorf besuchen, wo der Bekannte ihn von der U-Bahn abholt. Heinz schaut in den Online-Fahrplan und erfährt, dass er in Berlin am Ostbahnhof auf Gleis 1 ankommt und mit der S5 bis Berlin-Wuhletal fahren soll, wo er in die U-Bahn umsteigen muss. Da er sich kurzfristig entschlossen hat, kann er keine Umsteigehilfe mehr buchen. Also schaut er auf mobil.kuubus, Sucht sich die Bahnhofsbeschreibungen heraus und erfährt, dass er in Wuhletal nur einmal den Bahnsteig überqueren braucht und dass auch der Ostbahnhof mit seinen parallel liegenden Bahnsteigen keine Hürde für ihn darstellt.
Um einen Bahnhof in der Beschreibung zu finden, hat er drei Möglichkeiten:
1.            Es gibt eine Alphabetische Liste aller Bahnhöfe
2.            Es gibt eine Liste der Bahnhöfe sortiert nach Bundesländern und
3.            Es gibt eine Suchfunktion, die eine Freitextsuche ist, also nicht nur in den Überschriften sucht.

Da das Prinzip wie bei Wikipedia ist, ist es wichtig, dass möglichst viele Nutzer Beschreibungen einreichen. Je mehr Beschreibungen es gibt, desto hilfreicher wird die Seite. Also macht die Seite bitte soweit es geht bekannt. Nicht nur in Blindenkreisen. Die Seite richtet sich gleichfalls an alle Österreicher und Schweizer, von wo ich leider noch keine Beschreibungen habe.
Bevor ihr selbst loslegt und einen Bahnhof beschreibt, solltet ihr in der Liste nachschauen, ob dieser nicht schon vorhanden ist. Änderungen und Ergänzungen sind natürlich auch willkommen.
Dabei kommt es auf jeden Umsteigebahnhof an. Auch, aber nicht nur die großen Hauptbahnhöfe. Gerade bei kleineren Bahnhöfen, wo man keine Umsteigehilfe bekommen kann und nicht immer jemanden zum Fragen findet, kann eine Beschreibung sehr hilfreich sein. Wenn ihr nicht alle Bereiche eines Bahnhofes kennt, weil ihr z. B. nur die Regionalzüge, nicht jedoch die Straßenbahn nutzt, dann beschreibt einfach nur das, was ihr kennt. Jemand anderes kann es ergänzen.
Geht bei eurer Beschreibung immer davon aus, dass der Leser noch nie auf dem Bahnhof war und womöglich vollblind ist. Schreibt zunächst grob, wie der Bahnhof aufgebaut ist. Anschließend schreibt ihr, wie man von einem Gleis zum anderen kommt, von den Fern/Regionalzügen zur S-Bahn, zur Straßenbahn, zum Bus, zum Taxi etc. Wenn ihr einen Weg für ungeeignet haltet, müsst ihr ihn nicht zwingend mitbeschreiben. Wenn ihr unsicher seid, wie ihr etwas am besten beschreibt, könnt ihr gern zwei Varianten anbieten und dies so kennzeichnen. Jeder braucht andere Worte, um etwas gut zu verstehen. Wenn euch das Schreiben zu mühsam ist, könnt ihr mir die Beschreibung auch als Audiodatei schicken. Dann tippe ich sie ab. Wenn ihr einverstanden seid, stelle ich die Audio-Datei mit auf Kuubus.mobil ein.

Danke Dir Sebastian, für diesen Beitrag. Ich wünsche Dir, dass sich möglichst viele Personen an den Bahnhofsbeschreibungen beteiligen, damit mehr Personen davon profitieren können.