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Augenklinik, alles visuell

Über das Thema Augenklinik habe ich bereits mehrfach geschrieben. Der Standardpatient ist nicht blind und die Klinik mit der Nummer sind nur zwei Beiträge, die zeigen dass Augenkliniken nur selten auf die Bedürfnisse blinder oder stark sehbehinderter Patienten ausgelegt sind.
Gerade hat die Augenklinik, bei der ich mich vor einem halben Jahr neu vorgestellt hatte, angerufen und den Termin meiner anstehenden OP für heute in 10 Tagen festgelegt. Nachdem wir die benötigten Unterlagen, Termin und so weiter besprochen haben, werde ich darauf hingewiesen, dass ich Corona bedingt alleine in die Klinik kommen soll, also ohne Begleitung. Ich erkläre der Dame, dass ich Aufgrund meiner geringen Sehschärfe und fehlender Ortskenntnis auf eine sehende Begleitung angewiesen bin, und bitte um ihren Vorschlag. Kurz Stille. Dann schlägt sie vor bei mir eine Ausnahme zu machen. Ich bekomme den Inhalt unseres Gesprächs sogar per Mail bestätigt, was mich begeistert. Denn das ist in vielen Kliniken nicht üblich.
Nach zweistündiger Fahrt kommen wir in der Augenklinik an. Direkt nach dem Eintreten merke ich, dass sich die Kontraste nicht von denen der meisten Kliniken unterscheiden. Heller Boden, helles Deckenlicht und helle Fußböden, die auch schon mal spiegeln. Für meine lichtempfindlichen Augen ein einziger Lichtbrei, der mir die Orientierung erschwert. Hier hätte ich mir etwas mehr Kontrast, Taktile Leitlinien oder andere tastbare Orientierungsmerkmale gewünscht. Ebenso wäre es von Vorteil, wenn der Aufzug eine Sprachausgabe hat, damit ich weiß, wann ich diesen verlassen muss.
Ich bekomme einen Corona Abstrich und ständige Begleitung zu den jeweiligen Räumen, die ich anlaufen muss. Positiv möchte ich vermerken, dass weder Ärzte, noch Pflegekräfte ein Problem mit Körperkontakt beim Führen haben.
Auch im Zimmer ist alles hell. Wände, Möbel und Badbeleuchtung. Entweder gehe ich mit Sonnenbrille oder mit geschlossenen Augen. Zum Glück lässt sich die Helligkeit im Zimmer durch Rollos regulieren.
Als ich am Abend alleine auf den Flur trete, überlege ich wie ich mein Zimmer wiederfinde. Keine fühlbare Beschriftung, kein Kontrast. Also bleibt hier nur Türen Abzählen bis zur nächsten Glastür, welche den Flur abtrennt. Ich versuche mir an Hand der Geräuschumgebung einen Plan zu erstellen. Da wo es leicht blubbert, ist die Getränkestation. Ein bisschen Kontrast auf dem Boden wäre hier schön. Ebenso wäre eine erhabene Beschriftung der Zimmernummern echt super.
Einen Tag nach der OP gelten auch für mich die Tropfregeln. Ich muss stündlich auf den Flur kommen, wo die zuständige Krankenschwester uns die entsprechenden Augentropfen gibt. Mein operiertes Auge ist inzwischen noch lichtempfindlicher geworden. Ich löse das durch das permanente Tragen einer dunklen Brille. Es wäre so schön, wenn man das Deckenlicht etwas dimmen oder auf spiegelnde Bodenbelege verzichten würde.
Problematisch wird es bei den Augenuntersuchungen inklusive Sehtest. Ich kann die Handbewegungen, die der Augenarzt ausführt, nur dann sehen, wenn sie vor einem Kontrast ausgeführt werden. Eine dunkle Hand auf einem weißen Hintergrund sehe ich besser als ohne hellen Hintergrund. Die Erfahrung zeigt, dass solche Sehtests vor der Untersuchung mit heller Lampe stattfinden sollten. Denn danach ist das Auge erst mal gereizt und braucht eine Weile, bis ich wieder vernünftig sehen kann. Denn was und wie viel ich sehen kann, hängt ganz stark von der Beleuchtung und dem entsprechenden Kontrast ab.
Bei der Entlassung bekomme ich meinen Medikamentenplan in Papier ausgehändigt. Vier verschiedene Augentropfen zu jeweils unterschiedlichen Zeiten. Da ich diesen nicht in digitaler Form bekommen kann, bitte ich die Schwester ihn mir vorzulesen, während ich auf meinem Smartphone eine Aufnahme starte. Später werde ich diesen abschreiben. Ich hätte mir diesen per E-Mail gewünscht.

Ganz gleich in welcher Augenklinik ich war, als blinde Patientin bin ich eher die Ausnahme. Möglicherweise ist das die Ursache dafür, dass Augenkliniken nicht auf blinde Patienten ausgelegt sind. Bei einer einzigen Klinik habe ich erlebt, dass es einen taktilen Leitstreifen vom Eingang zum Empfang gab.
Wenn Ihr Kliniken kennt, die auf blinde oder stark sehbehinderte Patienten ausgelegt sind, so freue ich mich, wenn diese in den Kommentaren positiv erwähnt werden.

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Auf dem Weg zur Augenklinik

Heute wird es persönlich. Denn die letzten Wochen waren durch viel Unsicherheit und Bangen geprägt.

Da war meine DIMEK-Operation, die seit dem Sommer geplant war. Dazu sollte die innerste Schicht der Hornhaut transplantiert werden, weil diese nicht mehr arbeitete. Das äußerte sich dadurch, dass die Hornhaut jede Menge Wasser angesammelt hat, und immer trüber wurde. Die Operation sollte diesen Zustand wieder beheben. Und wie immer gab es keinerlei Garantie. Und dann war noch dieses Warten auf ein passendes Transplantat.
Anfang Dezember kam dann der Anruf, dass ich mich in der folgenden Woche in die Augenklinik begeben sollte, da das Transplantat gefunden war. Und auf einmal hieß es Termine verschieben, Absagen und alles rund um diesen Zeitraum umorganisieren.
Nach der OP wollte das Transplantat noch nicht arbeiten. Das dauerte erst mal einige Wochen, bis wir erste Erfolge sehen konnten. Die eine Hälfte liegt an, die Andere muss noch mal mit einer Gabe von Luft angedrückt werden. Dazu muss ich noch mal in die Augenklinik, die 300 km von meiner Heimatstadt entfernt liegt. Hoffen wir, dass das gut klappt.
Und da war noch mein Gastkind aus Palästina. Ich hatte die junge Frau bereits im Herbst eingeladen. In die Zeit fiel auch der ganze Papierkrieg, der mit der Ausländerbehörde und anderen Stellen erledigt werden sollte. Anfang Januar bekam ich den Bescheid, dass Amal uns besuchen darf. Einen Tag vor ihrer Ankunft entschied die Augenklinik, dass noch mal am Auge nachoperiert werden muss. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich anders geplant. Außerdem hatte ich eine Woche später ein viertägiges Seminar. Das hieß erst mal Lösungen für diese Zeit finden.
Zum Glück habe ich gute Freunde, die dafür sorgen, dass es Amal in dieser Zeit gut geht. Ich habe Nachbarn, auf die ich zählen kann. Und ich habe 2 wunderbare Kinder, die mir nach ihren Möglichkeiten helfen.
Da ich nicht weiß wie es mir nach der Augen OP gehen wird, hilft mir dieses Wissen sehr. Denn ich weiß, dass der Laden auch mal ein paar Tage lang ohne mich läuft. Ich habe zwar das Meiste vorab organisiert, aber auch die unvorhergesehenen Ereignisse wollen gemeistert werden.
Dennoch ist es ein seltsames Gefühl. Während ich mich auf dem Weg in die Augenklinik befinde, kreisen meine Gedanken um meine Familie. Vom Kopf her weiß ich, dass alles gut gehen wird, und dass ich mich auf die bevorstehende Augen OP konzentrieren sollte. Aber da sind trotzdem die Gedanken und Gefühle, die sich nicht abstellen lassen. Einmal Mama, immer Mama. Auch wenn ich weiß, dass die Kinder erwachsen und selbständig genug sind, um mit außergewöhnlichen Situationen umgehen zu können, und auch wenn ich weiß, dass ihr Vater auch noch da ist. Und auch wenn ich weiß, dass ich jetzt und hier aus der Ferne nicht viel tun kann.

In solchen Momenten wünsche ich mir so etwas wie einen Zeitumkehrer. Dann könnte ich wie Hermine bei Harry Potter zwischen den einzelnen Ereignissen hin und her springen oder so ähnlich. Aber so was gibt es noch nicht. Und wer weiß wofür das gut ist.

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Behörde glaubt an Spontanheilung

Blindengeld bekommen Personen, die dem Gesetz nach blind sind. Das sind Menschen, die höchstens zwei Prozent auf dem besseren Auge sehen können. Dieses Geld ist als Nachteilsausgleich für blindheitsbedingte Mehraufwändungen vorgesehen. Da die Regelung Ländersache ist, unterscheidet sich die Höhe der Summe von Bundesland zu Bundesland.

Was sind blindheitsbedingte Mehraufwändungen?

Das sind Kosten, die aufgrund einer Sehbehinderung anfallen. Das kann die Anschaffung eines Hilfsmittels sein, eine Begleitung auf einen Ausflug oder eine Hilfe im Haushalt. Blinde Menschen sind so vielseitig wie ihre Bedürfnisse. Daher bestimmt jeder selbst wie er dieses Geld für sich und für mehr Lebensqualität einsetzt.
Hier in Hessen wird dieses Geld durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen, LWV ausgezahlt. Diese Behörde verlangt alle zwei Jahre eine Lebensbescheinigung, die man beispielsweise beim Hausarzt, der Bank oder dem Einwohnermeldeamt bekommt. Unter Anderem wird einem auch die Frage gestellt, ob man sich während der letzten 18 Monate einer Augenoperation unterzogen hat. Wenn ja, dann wird es so richtig schön bürokratisch.
Im Frühjahr 2018 wurde bei mir eine Hornhauttransplantation am Auge durchgeführt. Einen Monat später wurde ich, wie alle zwei Jahre, aufgefordert nachzuweisen, dass ich noch am Leben bin. Die Frage, ob während der letzten 18 Monate eine Augenoperation durchgeführt wurde, beantwortete ich wahrheitsgemäß mit einem ja. Das beiliegende Formular übergab ich meinem Augenarzt, damit er es ausfüllte. Dieser bestätigte, dass meine Sehschärfe noch immer klein genug ist, um die Voraussetzungen für das Blindsein zu erfüllen. Dieses schickte ich unterschrieben zurück. Daraufhin bekam ich ein dickes Formular, welches der Augenarzt noch mal ausfüllen sollte. Das muss bis Juli eingegangen sein. Sonst wird mir das Landesblindengeld nicht weiter bewilligt.
In den vergangenen Jahren habe ich mich mehreren Operationen unterzogen. Bei jeder einzelnen waren die Ärzte und ich uns einig, dass sich mein Sehen nicht wesentlich verbessern wird. Bei einigen Operationen war es erforderlich, dass nach sechs, zwölf oder achtzehn Monaten Fäden entfernt werden müssen. Ich habe Nystagmus. Das heißt, dass meine Augen unkontrolliert zittern. Daher werden solche Eingriffe unter Vollnarkose durchgeführt. Das ruft wieder die Behörde auf den Plan, da die das als Operation zählen. Ich muss also nach jedem solchen Eingriff den Beweis erbringen, dass ich noch immer blind genug für die Leistung Blindengeld bin.
Eins steht fest. Nämlich dass manche Behörden an Spontanheilung glauben. Fäden aus einer transplantierten Hornhaut entfernen, und Schwups ist die Blindheit weg. Mir und meinem Augenarzt ist kein einziger Fall bekannt, bei dem allein durch das Entfernen von Fäden ein blinder Patient wieder so viel gesehen hat, dass der den Status blind verliert.
Ich habe Verständnis dafür, dass von Zeit zu Zeit geprüft wird, ob die Person, die Blindengeld bezieht, noch am Leben ist. Schließlich wurde auch hier bereits schon Missbrauch getrieben. Ich habe auch Verständnis dafür, dass man nach einer OP den Visus vom Augenarzt feststellen und angeben muss. Wofür dann aber noch so ein dickes Formular durch den Augenarzt ausgefüllt werden muss, ist mir schleierhaft. Und erst recht, dass nach einem Entfernen von Fäden der erneute Beweis für die noch Blindheit angetreten werden muss. Das empfinde ich als unnötigen Stress für alle Beteiligten.

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Allgemein unterwegs

Hürden einer Augenklinik

Vor einem dreiviertel Jahr habe ich gemeinsam mit dem behandelnden Arzt entschieden, dass ich mich einer weiteren Hornhauttransplantation am rechten Auge unterziehen würde. Wir wussten beide, dass diese Operation riskant war. Die letzte OP dieser Art am rechten Auge hatte zu einer Abstoßungsreaktion geführt, die dafür verantwortlich war, dass sich die Hornhaut immer mehr eintrübte. Jetzt konnte ich gerade Mal hell und dunkel voneinander unterscheiden, während ich auf dem linken Auge noch grobe Umrisse sehe.

In der ersten Aprilwoche kam der Anruf, dass ein passendes Transplantat verfügbar sei. Ich könnte bereits am kommenden Montag aufgenommen werden. Allerdings würde man mich am Freitagnachmittag anrufen, um mir Bescheid zu sagen. Denn vorher würde erst mal eine Qualitätskontrolle erfolgen. Wir hatten jetzt Dienstagnachmittag. Also ausreichend Zeit, um alles Notwendige zu erledigen, Termine zu verlegen und was sonst noch so anfällt.
Am Freitag war ich die meiste Zeit zuhause, und wartete auf den Anruf der Augenklinik. Der kam nicht. Irgendwann begann ich selbst dort anzurufen. Allerdings erklärte mir der Anrufbeantworter, dass ich außerhalb der Sprechzeiten anrufe. Tja, die hatten mich vergessen. Und ich hatte jetzt genau zwei Optionen, nämlich den Montag abzuwarten und erst mal nachzufragen wie die Qualitätskontrolle verlaufen sei, oder gleich hinzufahren, und dabei das Risiko einzugehen wieder nach Hause geschickt zu werden.
Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit, und packte einen Rucksack mit allem, was ich für eine Woche Krankenhausaufenthalt brauchte.
In der Augenklinik angekommen, stand ich erst mal vor dem Automaten. Eine Dame half mir eine Nummer zu ziehen und las mir diese auch noch vor, mit den Worten „Ich pass für Sie auf“. Die Unsitte mit den Nummern mag ich gar nicht, weil sie mich von fremden Menschen abhängig macht. Und nichts und niemand garantiert mir, dass dieser Mensch mich nicht doch vergisst. Wenn es denn schon sein muss, dann bitte mit einer Sprachausgabe, oder einem Menschen, der einen aufruft. Mir hilft es nicht, wenn eine Nummer mit dem dazugehörigen Schalter aufleuchtet. Ich finde, dass eine solche Unsitte nichts in einer Augenklinik verloren hat.
Irgendwann fand ich den Weg zum richtigen Schalter, gab meine Unterlagen ab, und bekam eine Begleitung zur Station. Super fand ich, dass ich nur ein paar Minuten warten musste, bis jemand mir mein Zimmer zeigte. Während ich bei meinem letzten Aufenthalt eine schwerhörige, etwas verwirrte Bettnachbarin hatte, die ständig versuchte mit mir zu reden, hatte man mir diesmal eine Dame in meinem Alter zugeteilt, mit der ich mich verstand. Da war jemand sehr umsichtig bei der Aufteilung der Patienten.
Und jetzt kam das Aufnahmegespräch auf Station. Die Mitarbeiterin, die das mit mir führte, füllte das mit mir aus. Dieselben Fragen wie immer, dieselben Infoblätter wie immer. Wäre es nicht super, wenn man diese einmal in Braille- oder Großschrift umsetzen würde? Damit würde man den Mitarbeitern etwas Arbeit sparen, und ich könnte mir die Infos in aller Ruhe durchlesen.
Krankenpflege, Anästhesisten und andere Stellen im Krankenhaus kommen immer wieder ins rotieren, wenn es mal wieder gilt ihre umfangreichen Formulare auszufüllen. Diese wünsche ich mir elektronisch und Barriere arm. Dann könnte ich diese zuhause ausfüllen und mitbringen.

Taktile Leitlinien.
In Krankenhäusern wünsche ich mir taktile Leitlinien, die mich zum Ausgang, zum Wartebereich, Anmeldung oder zur Toilette leiten. Auch auf Station wäre es gut, wenn die wichtigen Räume durch taktile und kontrastreiche Leitlinien gekennzeichnet würden. Nicht nur blinden Patienten, sondern auch ältere Patienten mit Sehschwäche, die das größte Klientel ausmachen, könnten sich dann selbständiger orientieren.
Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit blinden und sehbehinderten Patienten.
Die meisten Pflegekräfte treten in alle erdenklichen Fettnäpfchen. Da wird gern mal mit der Begleitperson kommuniziert, das Brot vorsorglich geschmiert, oder über den Kopf des blinden Patienten hinweg entschieden was er alles alleine kann, und was nicht. Diese These wird nach dem eigenen Weltbild ausgerichtet. Die wenigen Mitarbeiter, die wirklich hervorragende Arbeit machen, fallen daher sofort ins Auge. Die Blindenverbände bieten Workshops an, um mit den größten Missverständnissen aufzuräumen. Aber die wenigsten Krankenhäuser nehmen dieses Angebot wahr.

WLAN, das erhalten bleibt.
Als ich vor drei Jahren eine Woche auf Station war, habe ich mir einen WLAN-Schlüssel geben lassen. Da es diesen ausschließlich in Papierform gibt, habe ich mir die Zugangsdaten auf ein Diktiergerät sprechen lassen. Ich musste feststellen, dass ich diese Daten mehrmals am Tag neu eingeben musste. Das ist nicht nur ziemlich nervig, sondern für Menschen, die Schwierigkeiten bei der Eingabe haben, eine Barriere. Ich war irgendwann so genervt davon, und entschied mich für meine eigenen mobilen Daten. Dieses Problem besteht noch immer. Und nicht jeder bringt einen guten Datentarif mit.

Das Angebot der Bewegung schaffen.
Nach der Vollnarkose sagt der Arzt gern, dass man sich ein bisschen bewegen soll, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bekommen. Wenn man Besuch bekommt, dann kann man dies auch gemeinsam umsetzen. Sonst kaum, wenn man sich in der Umgebung der Klinik nicht auskennt. Pflegekräfte sind oft so eingespannt, dass sie als Begleiter an der frischen Luft ausfallen. Hier sollte eine Möglichkeit geschaffen werden begleitet an die frische Luft zu kommen. Entweder durch ehrenamtliche Helfer, oder meinetwegen als optionale Leistung gegen eine kleine Aufwandsentschädigung. Denn nicht jeder ist so sicher, dass er sich seinen Weg durch ein Klinikum suchen möchte. Ich selbst habe das versucht, weil ich einfach nicht mehr herumsitzen oder liegen wollte und konnte. Und auf die Dauer wird der Krankenhausflur als Wegstrecke langweilig. Erst recht, wenn man nach jeder Runde von jemandem gefragt wird, wohin man denn möchte. Außerdem habe ich das Glück einen Bekannten in Kliniknähe zu haben, der mit mir spazieren gelaufen ist. Aber nicht jeder hat diese Möglichkeit.

Wieder zuhause angekommen, weiß ich meine eigene Couch, mein eigenes Zuhause und meine Unabhängigkeit von Dritten zu schätzen. Vielleicht sind diese Erlebnisse notwendig, um einem bewusst zu machen, was man hat, und nicht ausreichend wertschätzt.

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Allgemein unterwegs Zu Gast auf lydiaswelt

Im Tempel des Hippokrates

Man sollte meinen, dass Augenkliniken auf blinde oder stark sehbehinderte Patienten ausgelegt sind. Und ebenso hält sich das Gerücht, dass das Personal und die Pflegekräfte im Umgang mit unserem Personenkreis geschult werden. Die Wirklichkeit sieht meist anders aus.

Im Frühjahr 2017 veröffentlichte ich die Beiträge „Die Klinik mit der Nummer“ und „Der Standardpatient ist nicht blind“, die sich um Barrieren und Behandlung in der Augenklinik drehen. Dadurch bekam ich von Thorsten, der zusammen mit Susanne den Blog Aus der Zeit gerutscht schreibt, eine erfundene Geschichte von einem fiktiven Termin in einer Klinik zugeschickt, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.

Im Tempel des Hippokrates
Es ist kalt und windig an diesem Morgen. Mit Rucksack und Stock habe ich mich auf den Weg zur U-Bahn gemacht. Die Nacht war kurz. Vor so einem Eingriff ins Knie bin ich doch etwas nervös gewesen. Aber es wird schon gehen. Und wie klappt wohl die Aufnahme im Krankenhaus, wo ich doch nichts sehe? „Ach, es gibt doch Inklusion, Integration, Rehabilitation usw. Da werden sie sich schon um so einen blinden Patienten wie mich kümmern“, versuche ich mich zu beruhigen.

Gut, bis zur Drehtür kenne ich mich von Besuchen her aus. Ja ein großer, riesiger Raum. Hier muss ich richtig sein. Wie ein Luchs schleiche ich weiter, um zu hören, wo wohl der Empfang ist. „Zur Aufnahme gehen Sie bitte dort hinüber“, höre ich und spreche den mutmaßlichen Empfänger dieser Botschaft an. Der ist nett und nimmt mich mit. „Hier müssen wir eine Nummer ziehen. Ich mache das für Sie. Sie haben 57.“ Na prima, klappt doch wie am Schnürchen. Mein Helfer zeigt mir noch einen Stuhl und entschwindet. Ich döse ein bisschen. Immer wieder ertönt ein Gong. „Oh, welche Nummer war das wohl?“ Ich denke es und frage es zaghaft in die Runde. „38“, antwortet mir jemand. Ich habe also noch Zeit und döse weiter. Irgendwann frage ich wieder und erfahre: „62.“ Die Nummer 65 ist freundlich und lässt mich vor. Die Empfangs-Dame ist auch freundlich und nimmt meine Arztbriefe entgegen. „So, bitte füllen Sie diese Dokumente sorgfältig aus und kommen dann wieder rein“, sagt sie und drückt mir einen Packen Papier in die Hand. Wir klären in fruchtbarem Dialog, dass dies ja nun schwierig ist. Sie sieht das ein und sagt: „Ich lasse sie erstmal auf Station bringen.“ Nach längeren Telefonaten fährt sie fort: „Die Orthopädie hat keinen frei, ich lasse sie erstmal von der Gynäkologie abholen.“ Na gut, so komme ich wenigstens weiter. Der Magen knurrt. Ich sollte ja nüchtern erscheinen. Es ist zehn Uhr.

In der Gynäkologie
Da sitze ich nun auf dem Flur von Station B5 III. Viele Menschen hasten an mir vorüber. Irgendwann fragt mich jemand, was ich hier wolle. „Ich soll aufgenommen werden“, sage ich und reiche meine Dokumente. Sie blättert lange. „Blatt sechs Rückseite,“ murmele ich. „Da steht, wo ich hin muss.“ „Aja, die Orthopädie hat heute ein paar Notfälle. Aber Sie sind ja blind. Da lasse ich sie mal auf die Augenstation bringen. Die Sozialfrau kommt gleich.“ Es kommt die Frau vorbei, die auf Station Bücher und Zeitschriften verteilt. „Möchten Sie vielleicht die Zeitung von heute?“, fragt sie mich. „Nein, aber haben Sie vielleicht einen Leitfaden auf CD, wie ich hier zurechtkomme?“ Sie bedauert sehr und verspricht, die Sozialfrau zu benachrichtigen. Statt dieser kommt ein BufDi mit Rollstuhl. „So, ich bringe Sie jetzt auf Ihr Zimmer.“ Na prima, ich bin schon völlig groggy. Deshalb bin ich sogar dankbar für den Rolli, mit dem ich als blinder Patient ja leichter zu verfrachten bin. „Dies ist Herr Meier, Ihr Zimmernachbar. Der zeigt Ihnen alles“, sagt mir der BufDi fröhlich. Es stellt sich heraus, dass Herr Meier gestern operiert wurde und beide Augen verbunden hat. Da ist dann nichts mit Zimmer-Zeigen. Ich bin eh viel zu müde und hungrig. Oh Wunder, da kommt bald das Mittagessen. „Sie habe ich gar nicht im Plan“, sagt die nette Frau zu mir. „Zeigen Sie mal bitte Ihre Dokumente!“ Wieder langes Blättern. „Seite sechs, Rückseite“, murmele ich. „Oh Sie müssen auf die Orthopädie. Ich sage der Sozialfrau Bescheid.“ Herr Meier und ich hungern. Ich kriege nichts und er kann mit verbundenen Augen nicht essen.

Es kommt wieder irgendwer, die sich als Schwester So-und-so vorstellt. „Ich bringe sie nun zur Orthopädie“, flötet sie. Diesmal darf ich laufen, stoße mir aber dreimal das kaputte Knie, weil überall was rumsteht. Wieder lande ich auf einem Stuhl.

Irgendwann frage ich einen der vorüber hastenden Menschen, wo denn die Kapelle sei. „Hier gleich um die Ecke. Ich bringe Sie hin“, sagt eine nette Dame. Auf dem Weg erzählt sie mir, dass sie heute als Vertretung der Sozialfrau hier sei. „Die ist nämlich als Notfall in der Orthopädie.“

Plötzlich Ruhe und Frieden. Ich sitze auf einer Bank in der Kapelle. Meine Aufnahme-Unterlagen, fast so dick wie das Gesangbuch, liegen friedlich neben diesem. „Wie herrlich es doch im Herzen des Tempels der Gesundheit sein kann“, denke ich bei mir. Mein Knie tut auch schon gar nicht mehr weh. Eine Wunderheilung? Egal, ich muss jetzt hier raus und endlich was essen.

Eine Woche später kriege ich abends einen erbosten Anruf: „Hallo, hier spricht die Sozialfrau von den städtischen Kliniken. Sie sollten doch heute eingeliefert werden. Ich habe Sie den ganzen Tag gesucht und dann Ihre Papiere in der Kapelle gefunden. Da befürchteten wir schon das Schlimmste!“

Das schreibt Thorsten über seinen Blog:
Gemeinsam mit Susanne Glandien habe ich den Blog „Aus der Zeit gerutscht“ im August 2015 gestartet, weil wir beide gern schreiben. Häufig über Politik, aber auch persönliche Erlebnisse. Mit der Zeit kamen ein paar Rubriken hinzu. Es entstand die Geschichte eines blinden Mannes, der selbständig wird. Oder die Abenteuer eines kleinen Roboters, der die Erde beobachten soll und sich immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Barrierefreiheit ist für uns Aufgabe und Thema in einer eigenen Rubrik. Wir freuen uns über Euren Besuch und Eure Meinung zu dieser fiktiven Begebenheit.