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Ich möchte selbst einkaufen gehen

Das Thema Einkaufen mit einer Sehbehinderung beschäftigt mich seit den ersten Beschränkungen und Abstandsregelungen. In meinem Beitrag blind einkaufen und Corona hatte ich bereits über die Herausforderungen und Probleme geschrieben, die unseren Personenkreis betreffen. Heute möchte ich über ein Erlebnis schreiben, welches ich als Highlight der letzten Monate sehe.
Nach den vielen Einkaufslisten, die ich in den letzten Monaten erstellt hatte, und bei denen ich stets die Hälfte vergessen hatte, erklärte sich ein Freund dazu bereit mich in den Supermarkt zu begleiten. Ein Mensch, der keine Angst davor hatte sich einer Ansteckung durch Corona auszusetzen, indem er mich in seinem Auto mitfahren ließ und der kein Problem damit hatte, dass ich mich an seinem Arm festhielt. Endlich einmal unbeschwert durch den Supermarkt laufen können, sich von Angeboten inspirieren lassen und sich im Kühlregal austoben können. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Natürlich gab es immer wieder Angebote von sehenden Mitmenschen für mich einzukaufen. Aber das war und ist für mich immer nur die zweite Wahl. Selbst einkaufen gehen bedeutet für mich eine Mischung aus Selbstbestimmung und Lebensqualität. Und ich war noch nie gut im Schreiben von Einkaufszetteln. Ich bin eher jemand, der sich bestenfalls eine Gedächtnisstütze macht, aber dem im Supermarkt einfällt was er braucht.
Der Tag kam, und ich freute mich riesig darauf. Und um nichts zu vergessen, habe ich doch ein paar Dinge aufgeschrieben, die ich nicht vergessen durfte. Darunter war keines der heiß begehrten Produkte wie Toilettenpapier, Hefe oder Haferflocken. Diese Liste schickte ich meinem Begleiter, damit er eine Vorstellung davon hatte was ich haben wollte.
Wir waren in zwei unterschiedlichen Supermärkten, und ca. 2 Stunden gemeinsam unterwegs. Es tat richtig gut. Erst recht, da mein Begleiter mir stets das Gefühl vermittelt hat, dass wir alle Zeit der Welt hatten. Neben seinem eigenen Einkauf stapelten sich 5 volle Einkaufstüten im Auto. Dabei waren auch viele Dinge, die etwas länger haltbar waren. Denn wer weiß wann ich wieder Gelegenheit haben würde mit einer sehenden Begleitung durch einen Supermarkt zu laufen.
Was hält mich vom eigenständigen Gang in den Supermarkt ab? Da sind verschiedene Dinge. Fangen wir mal mit der vorgeschriebenen Mitnahme eines Einkaufswagens an, der den Abstand sicherstellen soll. Das funktioniert bei mir nicht, da ich den Einkaufswagen hinter mir herziehen muss. Wenn ich ihn schiebe, kann ich nicht mit dem Blindenstock kontrollieren, ob sich etwas vor uns befindet. Weiter geht es mit der Auswahl der Produkte. Ich muss alles anfassen, um es zu erkennen. Für mich kein Problem. Ich könnte mir Hygienetücher oder Desinfektionsspray mitnehmen. Dennoch möchte ich das anderen Kunden nicht zumuten. Erst recht nicht in der gegenwärtig angespannten Stimmung in vielen Märkten. Ein weiteres Problem sind die Schlangen an den Kassen. Die Markierungen, die die Abstände zwischen den Kunden anzeigen, sind nur optisch gekennzeichnet, und daher mit dem Blindenstock nicht fühlbar. Damit wird auch das Schlange stehen für mich zur Odyssee und Stressfaktor. Ich habe nur dann eine Chance, wenn mir jemand die entsprechenden Hinweise gibt.

Zum Schluss noch eine Bitte an sehende Leser. Seht Ihr einen blinden Menschen vor einem Geschäft, einer Kasse oder sonst wo im Schlangengeschehen, dann fragt ihn, ob er Hilfe braucht, und gebt ihm einen Hinweis wo er am besten steht, und wann er in welche Richtung weitergehen sollte. Das nimmt vielen die Verunsicherung. Erst recht, da viele Menschen ganz still werden, wenn sich ein blinder Mensch nähert. In redet weiter, wenn ich komme habe ich dieses Phänomen und dessen Auswirkungen beschrieben.

Und jetzt wünsche ich mir einen guten Meinungsaustausch in den Kommentaren.

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Blind einkaufen und Corona

Über das Thema Einkaufen mit Sehbehinderung habe ich bereits mehrfach geschrieben. Dabei standen Themen wie Orientierung im Supermarkt oder das Erkennen der gesuchten Produkte im Vordergrund. Ich habe versucht Lösungen aufzuzeigen, die es unserem Personenkreis ermöglichen möglichst stressfrei und selbstbestimmt einkaufen zu gehen.
Bisher war meine persönliche Lösung so, dass ich einmal in der Woche eine Assistenz hatte, die gemeinsam mit mir durch den Supermarkt ging. Dabei ging es nicht darum eine Einkaufsliste abzuarbeiten, sondern auch mal neue Produkte zu entdecken, sich die Zutatenliste eines Produkts vorlesen zu lassen, oder auch mal Preise zu vergleichen. Denn diese lassen sich auch mit meinen technischen Hilfsmitteln schwer bis gar nicht lesen. Oder es erfordert viel Geduld, die ich oft nicht habe.
Für die restliche Zeit der Woche habe ich entweder selbst die paar Dinge eingekauft, die wir brauchten, oder eines meiner Kinder mit einer kleinen Liste einkaufen geschickt. Die Alternative wäre ein Lieferdienst gewesen. Außer die üblichen Märkte wie Amazon gibt es auch den Rewe Lieferservice, dessen Angebot für blinde User gut bedienbar ist. In der Regel wartet man nicht länger als zwei bis drei Tage auf seinen Einkauf, und kann stressfrei seine Produkte zusammenstellen.
Seit der Corona-Pandemie sieht es nun ganz anders aus. Alleine einkaufen ist nur bedingt möglich. Denn als Mensch mit Sehbehinderung orientieren wir uns an tastbaren Dingen im Supermarkt. Die Markierungen, die die Abstände im Supermarkt kennzeichnen, sind mit dem Blindenstock nicht fühlbar. Und da nicht mehr so viel Geräuschkulisse an der Kasse ist, fällt diese für mich als Orientierungsmerkmal im Supermarkt weg. Alleine Einkaufen geht also für mich nur in kleinen Läden, wo ich auch mal eine Richtungsanweisung bekommen kann. Die Alternative wäre eine sehende Begleitung. Und auch hier musste ich mich komplett anders organisieren. Denn meine vertraute Assistenz steht mir während der Corona-Pandemie nicht zur Verfügung. Wenn ich eine sehende Begleitung bekomme, dann eher ab der Mittagszeit. Das heißt im Klartext, dass ich begehrte Produkte nicht einfach so bekomme. Ich habe eine ganze Woche gebraucht, bis ich für unseren Haushalt das begehrte Toilettenpapier bekommen habe. Für meinen bevorzugten Küchenreiniger oder die Handseife habe ich nur drei Tage gebraucht.
In dieser Zeit haben mich viele super tolle Ratschläge erreicht, wie „Da müssen Deine Kinder mal die Nachbarstädte abklappern“, oder „Du hättest eben vorsorgen sollen“, oder es gibt doch Lieferdienste“.
Gerade die Lieferdienste sind ziemlich überlastet. Wenn man bei Rewe versucht zu bestellen, hat man Glück, wenn man einen Liefertermin innerhalb der nächsten vierzehn Tage bekommt. Das ist vor Allem für diejenigen ein Problem, die sich ihre Einkäufe ausschließlich darüber liefern lassen. Darunter sind viele Menschen mit einer Seh- oder Gehbehinderung. Diese müssen sich jetzt komplett umorganisieren.
Hilfe winkt durch ehrenamtliche Nachbarschaftshelfer, die sich in vielen Städten gründen. Es sind meist junge Menschen, die für die Personen aus Risikogruppen einkaufen gehen oder andere Besorgungen machen, damit diese nicht das Haus zu verlassen brauchen. Diese Gruppen findet man entweder über die regionalen Gruppen in sozialen Netzwerken oder auf den Internetseiten der Städte. Alternativ lohnt sich ein Anruf bei der Stadtverwaltung.

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Blind einkaufen, das ist für mich wichtig

Für mich gibt es drei Arten von Läden. Da ist der kleine Laden, der darauf ausgelegt ist, dass man bedient wird. Das ist für mich als blinde Kundin super. Denn dann kann ich meine Wünsche äußern, und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, wie die Ware an die Kasse kommt. Denn die Mitarbeiter kümmern sich darum.
Dann gibt es noch die Geschäfte, die ich nicht so oft aufsuche. Hier kenne ich mich nicht aus. Ich habe exakt zwei Optionen, wenn ich hier ohne Begleitung einkaufen möchte. Ich kann versuchen mir meine Waren selbst zu suchen, wenn ich ganz viel Zeit und Abenteuerlust mitbringe. Oder ich gehe an die Kasse, und frage nach Hilfe beim Einkaufen. Mit Glück bekomme ich dann jemanden zur Seite gestellt, der sich im Laden auskennt. Leider musste ich auch schon die Erfahrung machen, dass ich den Praktikanten, der gerade mal zwei Tage da war, oder die nur schlecht deutsch sprechende Mitarbeiterin abbekam. Da hat wohl jemand den Sinn einer Einkaufsbegleitung nicht richtig verstanden. Damit ich meine Wunschprodukte in den Einkaufswagen bekomme, brauche ich jemanden, der in Deutsch mit mir kommuniziert, und der sich in dem Laden auskennt. Und nicht zuletzt, der mir auch mal eine Frage zum Produkt beantworten kann. Solche Geschäfte meide ich dann gern, da mich das einfach nur stresst.
Und dann gibt es noch den Supermarkt meines Vertrauens. Hier habe ich eine grobe Karte im Kopf abgespeichert. So weiß ich ungefähr wo ich welche Produkte finde. Jedenfalls solange dort nicht umgestellt wurde.

Für Produkte, die man erfühlen kann, brauche ich keine Hilfe. Dazu zählen Obst oder Gemüse. Oft kommt es vor, das mir jemand die Information gibt: „Das ist eine Gurke“, oder „das sind Bananen“. Das ist zwar gut gemeint, aber völlig überflüssig. Wenn ich Obst oder Gemüse genauer befühle, dann um den Zustand festzustellen, was sehende Kunden meist sehen können. Auch andere Produkte, die nicht zu sehr verpackt sind, kann ich erfühlen. Dazu gehören Waffeln, Mozzarella oder gefrorene Hähnchen. Produkte wie Reis oder Nudeln kann man entweder durch die Plastikpackung fühlen oder durch Schütteln hören. Problematisch wird es bei Verpackungen, die sich gleich anfühlen. Dazu gehört Müsli, Jogurt, oder haltbare Milch. Frage ich am liebsten einen der Mitarbeiter, oder auch schon mal eine App auf meinem iPhone. In meinem Beitrag „Apps, die blind bedienbar sind“ habe ich unterschiedliche Apps für blinde Nutzer vorgestellt.
Damit der selbständige Einkauf entspannt abläuft, gehe ich am liebsten ganz früh in den Supermarkt. Dann ist noch wenig Betrieb, so dass ich leichter einen Mitarbeiter nach den Produkten fragen kann, die ich nicht alleine gefunden habe. Außerdem stehe ich nicht ewig an der Kasse an, und habe Zeit meine Ware auf dem Förderband nach Gewicht zu ordnen. Das ist für mich wichtig, damit ich sie nach dem Bezahlvorgang möglichst schnell wieder in meinen Einkaufstrolley verstauen kann. Am Liebsten ist es mir dabei, wenn sich das Band während dieser Zeit möglichst wenig bewegt. Denn dann muss ich mich wieder neu orientieren. Um diese Tageszeit haben die Mitarbeiter sogar Zeit mir beim Einpacken meines Einkaufs zu helfen.
Für mich ist es wesentlich entspannter mit einer sehenden Begleitung einzukaufen. Ich liebe es mit meiner sehenden Freundin einkaufen zu gehen, die mir auch mal Aktionsangebote oder eine Zutatenliste vorlesen kann. Und ich genieße es, da es für mich schneller geht. Doch ist es für mich ebenso wichtig, dass ich auch alleine einkaufen gehen kann, wenn ich es möchte.

Und wie macht Ihr das mit dem Einkauf?

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Wenn die Einkaufshilfe ausfällt

Heute ist Donnerstag, 8:45 Uhr, als mein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung meldet sich die Dame, mit der ich mich in einer Viertelstunde treffen wollte. Geplant war, dass wir mit dem Auto zum Supermarkt fahren, und einen Familieneinkauf bewerkstelligen. Leider muss sie mir für heute absagen, da eines ihrer Kinder mit Magendarminfekt im Bett liegt. Da steckt man nicht drin.

Ok, jetzt habe ich ein Problem. In drei Tagen ist Weihnachten. In diesem Jahr bedeutet das, dass die Geschäfte drei Tage in Folge geschlossen sind. Dementsprechend wollte ich meinen Einkauf so gestalten, dass ich in den nächsten zwei Tagen nur noch Lebensmittel wie Obst und Gemüse einkaufen würde. Denn ich bin kein Freund hektischer Lastminuteeinkäufe. Dabei sind es nicht unbedingt die langen Schlangen an der Supermarktkasse, die mir zu schaffen machen, sondern die Hektik in den Gängen, gepaart mit der Atmosphäre und dem Suchen der benötigten Lebensmittel. Außerdem sind die Mitarbeiter an solchen Tagen so stark beschäftigt, dass es schwer wird Hilfe zu bekommen. Nein, das möchte ich mir in diesem Jahr nicht geben.

Also gut, jetzt muss ganz schnell Plan B her. Meine Kinder fallen als potentielle Einkaufsbegleiter aus, da sie heute und morgen vormittags in der Schule sind. Der Lieferservice ist auch keine wirkliche Option zur sehenden Begleitung. Eine Option wäre Aldi. Die haben ihre Wahren meist so angeordnet, dass sie an derselben Stelle sind. Früher hatten wir eine Buslinie, die von mir direkt hinfuhr. Diese gibt es inzwischen nicht mehr. Für mich heißt es jetzt, dass Aldi ca. 30 Minuten Fußweg bedeutet. Nein, dazu bin ich heute echt nicht zu motivieren. Außerdem konnte ich damals noch die Aufschriften auf den Verpackungen in der Tiefkühltruhe lesen, und damit meinen Einkauf selbst zusammensuchen. Inzwischen brauche ich hierfür sehende Hilfe. Und die steht mir heute Vormittag definitiv nicht zur Verfügung.

Ok, was gibt es noch für Möglichkeiten? In vielen Städten gibt es Nachbarschaftshilfen. Teilweise auch über Facebook. Hier habe ich auch schon die eine oder andere Hilfe bekommen können. Aber für einen Familieneinkauf mit einer völlig fremden Person finde ich das jetzt nicht geeignet.

Eine Tasse Kaffee später steht mein Plan B fest, der sich für mich besser anfühlt. Ich nehme mir meinen Shopper, und gehe zum nächst gelegenen Supermarkt. Das dauert zwar etwas länger, ist aber eine gute Zwischenlösung. Sachen, die ich nicht gefunden habe, oder die aus der Tiefkühltruhe, kann ich mit meiner Freundin morgen Vormittag einkaufen gehen, oder ihr eine Einkaufsliste schreiben. Das bespreche ich nachher mit ihr. Und was dann noch fehlt, dass können evtl. meine Kinder noch schnell einkaufen gehen. Das geht auch mal am Samstagvormittag. Fertig.

Am liebsten gehe ich ganz früh morgens einkaufen. Da ist es noch ruhig im Supermarkt. Und wenn ich mal was nicht alleine finde, höre ich wo die Mitarbeiter sind, und kann sie direkt danach fragen. Später geht das nicht mehr. Die Gänge sind voll von Menschen, die ihren Einkauf möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Und es ist oft zu laut, um zu erkennen wer ein Mitarbeiter oder Marktbesucher ist.

In meinen Beiträgen „Blind einkaufen – Teil 1“ und „Blind einkaufen – Teil 2“ habe ich bereits darüber geschrieben, wie ich mich im Supermarkt zurecht finde, und mich orientiere. Jetzt bin ich auf Eure Kommentare zu diesem Thema gespannt.

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Blind einkaufen, Teil 2

Wer nicht sehen kann, muss tasten.
Es ist Freitagvormittag. Meine Freundin und ich gehen gemeinsam in den Supermarkt meines Vertrauens. Während sie kurz abgelenkt ist, stehe ich vor den Nektarinen. Das weiß ich aber erst nachdem ich vorsichtig die Hand auf das Abgepackte Päckchen gelegt habe. Okay, ich habe meine Information und möchte weiter tasten. Schließlich brauche ich noch einiges an Obst und Gemüse. In diesem Moment spüre ich einen Schlag auf meine rechte Hand. Während ich noch überlege woher das kommt, motzt mich eine Frau an. Sie wirft mir vor das Obst zu zerquetschen. Ich versuche ihr in ruhig sachlichem Ton zu erklären, dass ich blind bin und tasten muss. Sie ist so in Fahrt, dass meine Erklärung sie nicht erreicht. Als sie dann „Sauerei“ durch den Supermarkt ruft, rate ich ihr sich doch zu beschweren. Das hat sie offensichtlich nicht getan. Denn als ich das Problem an der Kasse anspreche, weiß der Mitarbeiter nichts davon.
Am selben Tag, 30.08.2016 um 12:26, poste ich in Facebook folgenden Status: Ich möchte mich auf diesem Wege bei der Dame bedanken, die mir heute in der Zeit zwischen 10:15 Uhr und 10:30 Uhr im netto Markendiscount auf die Finger gehauen hat. Sie meinte mich auf diese Art und Weise davon abzuhalten die Nektarinen, die ich kurz ertastet hatte, zu zerdrücken. Es war ihr nicht klar zu machen, dass ich als blinder Mensch nur durch Tasten fühlen kann was da ist.
Ich wünsche dieser Frau, dass sie niemals in eine Situation gerät, in der sie wie ich mehr Tasten als sehen kann. Und wenn doch, dann wünsche ich ihr, dass sie verständnisvolleren Zeitgenossen begegnet. Da ich nicht weiß wie diese Frau aussieht, habe ich keine Chance ihr das jemals selbst sagen zu können. Schade eigentlich. Aber vielleicht war jemand während dieser Zeit im Netto und hat das ganze irgendwie mitbekommen.
In einer regionalen Facebookgruppe entfacht das eine rege Diskussion. Der Großteil der Leser verurteilt das Verhalten der Schlägerin. Es gibt jedoch auch Stimmen, welche diesen Übergriff rechtfertigen. Schließlich sei ihr möglicherweise meine Sehbehinderung entgangen. Ich wusste bisher nicht, dass man in unserem Rechtsstaat einem anderen auf die Finger hauen darf, um dessen vermeintliche Verfehlung zu ahnden. Ein User stellt mich als notorische Motzbacke dar, da ich mir mal nicht beim Aussteigen aus einem Bus helfen ließ. Dies nutzt eine weitere Userin, die zu wissen glaubt, dass Menschen mit Behinderung generell unhöflich auf Hilfsangebote reagieren. Für beinahe 48 Stunden wurden die meisten Klischees bedient. Ich bin mal wieder entsetzt. Und so beschließe ich diesen Beitrag zu schreiben.
Die Schlägerin hat Glück gehabt, dass ich sie nicht beschreiben kann. Sonst hätte ich den Vorfall angezeigt. Schade eigentlich. Denn so etwas habe ich schon einmal erleben müssen. Und ich schließe nicht aus, dass es sich um dieselbe Person handelt, da die Stimmen sich ähnlich waren.
In einem Supermarkt oder Kaufhaus orientiere ich mich zunächst einmal mit meinem Sehrest von ca. 2 Prozent. Wie gut das geht hängt von den jeweiligen Lichtverhältnissen ab. Ich kann Wege, Gänge, Regale oder Tische mit Auslagen erkennen. Ich kann auch noch sehen ob große Gegenstände darin stehen oder liegen. Die Details sehe ich nicht mehr. Dazu muss ich tasten. Meist reicht ein vorsichtiges Anfassen, um zu erkennen welchen Inhalt das Regal oder der Tisch hat.
Das beste Beispiel hierfür ist Obst und Gemüse. Hier brauche ich kaum fremde Hilfe. Einmal kurz hin fassen, und ich weiß sofort ob ich hier Äpfel, Nektarinen oder Birnen vor mir habe. Ich muss auch nicht auf das Obst oder Gemüse draufdrücken, um zu erkennen wie reif es ist, oder ob es möglicherweise nicht mehr gut ist. Auch das kann ich erfühlen und oder auch riechen. Reifes Obst oder Gemüse riecht nun einmal anders als Unreifes.
Wenn ich sage, dass ich mir die Inhalte durch Ertasten erschließe, dann meine ich damit die Inhalte von frei zugänglichen Regalen und Verkaufstischen. Ich würde nie auf die Idee kommen hinter eine Fleischtheke zu greifen. Das ist auch nicht nötig. Schließlich gibt es da Bedienung. Was ich auch nicht mache ist mir Berliner, Donuts oder so aus der Bäckertheke Selbst rauszunehmen. Das Hantieren mit dem dafür vorgesehenen Löffel empfinde ich als anstrengend. Hier nehme ich gern Hilfe an.
Kommen wir zu dem zweiten ähnlichen Erlebnis, dass ich vor Jahren hatte. Auch hier hatte ich keine Chance.
Es ist mitten im ‚Sommer. Ich komme gerade von der Arbeit und springe eben noch mal in den Supermarkt, um noch einige Besorgungen zu machen. Anschließend stehe ich an der Kasse an. Ich habe alles ausgeräumt. Da ich nicht hören oder sehen kann wie weit das Förderband inzwischen gefahren ist, greife ich vorsichtig von oben drauf, um zu ertasten ob das noch mein Einkauf ist, oder bereits der vom nächsten, der hier ansteht. Bevor ich mit der Hand auf dem Band landen kann, schlägt mir jemand von oben richtig fest auf die Hand. Ich bin bitter erschrocken. Als ich mich mit einem lauten Autsch beschwere, meint die Verursacherin, dass ich ihre Pflaumen zerquetschen würde. Ich versuche ihr in ruhig sachlichem Ton zu erklären warum ich die Hand eben da hatte. Gehör finde ich jedoch nicht. Sie zahlt ihre Pflaumen und geht. Die Verkäuferin an der Kasse reagiert nicht. Ich schreibe es der Tatsache zu, dass sie mit Kassieren abgelenkt war. Und was soll sie auch tun? Die Schlägerin hat den Laden bereits verlassen. Und ich weiß nicht einmal wie sie aussieht.
Und jetzt noch mal für diejenigen, die mit so einer Person sympathisieren. Es ist nicht Sache eines Kunden einen anderen von etwas abzuhalten. Wenn, dann ist das Sache der Kassierer oder anderer Angestellten. Dort darf man sich beschweren. Diese, und nur diese, entscheiden darüber was zu tun ist. Also, selbst wenn ich die Lebensmittel bis zur Unkenntlichkeit zerquetschen würde, hat keiner das Recht mich körperlich anzugreifen. Auch nicht die Damen und Herren der alten Schule, die meine Körperliche Züchtigung sei noch immer das Mittel der Wahl.