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Fahrradfahrer und Blinde, eine fast unendliche Liebesgeschichte

Fahrradfahrer und Blinde – eine fast unendliche Liebesgeschichte

von Domingos

Domingos ist ebenfalls Blogger, und hat mir zu Beginn meines Bloggerdaseins den Text Barrierefrei bloggen auf WordPress zur Verfügung gestellt. Heute habe ich einen Beitrag von ihm bekommen, der im April 2018 auf seinem Blog veröffentlicht wurde, und den ich einfach nur gut finde. Das Original gibt es hier zu lesen.

Angeblich soll es ja einen epischen Kampf zwischen Blinden und Fahrradfahrern geben, so ähnlich wie zwischen Highlander und dem anderen Highlander. In Wirklichkeit sind Blinde und Fahrradfahrer die besten Buddies. Deswegen möchte ich hier mit einigen Mythen bei den Fahrradfahrern aufräumen, bevor wir anfangen, uns gegenseitig die Köpfe abzuschlagen.

Der Bürgersteig gehört den Fahrradfahrern

Fahrradfahrer wundern sich oft, warum so viele Leute auf ihrem Fahrradweg, volksmündlich als Bürgersteig bezeichnet, herumlaufen. Als tolerante Menschen klingeln sie einfach so lange, bis diese Unbefugten vor Schreck umfallen. Weil Blinde bekanntermaßen nicht sehen, klingelt man einfach besonders laut und oft, damit sie das noch besser hören.
Da der Bürgersteig den Fahrradfahrern gehört, ist es nur natürlich, dass sie ihr Fahrrad dort abstellen. Es sollte so stehen, dass niemand, der breiter ist als 10 Zentimeter daran vorbeikommt, ohne auf die Straße zu gehen. Damit wird das Fahrrad besser belüftet. Wen stört es, wenn Rollstuhlfahrer nicht vorbei können, Blinde am Lenker hängenbleiben, über das Vorderrad stolpern oder Kinderwagen auf die Straße ausweichen müssen. Das trainiert doch die Gelenke.

Eine Haaresbreite Abstand reicht

Blinde lieben es, wenn Fahrradfahrer auf lautlosen Rädern einen Zentimeter an ihrer Schulter vorbei rasen. Aber warum gehen diese doofen Blinden nicht straight gerade aus, sondern weichen ab und zu nach links oder rechts ab? Haben die keine Augen im Hinterkopf oder zumindest Blinker am Allerwertesten, damit man sieht, welche Richtung sie als Nächstes einschlagen wollen?
Genauso super finden es Blinde, wenn man eine Handbreit an der Spitze ihres Blindenstocks vorbeifährt. Auch Blinden-Führhunde wissen das zu schätzen. Der Schreck bringt Herrchen und Hündchen den heiß begehrten Adrenalinstoß. Wer braucht da noch Kaffee?
Niemand kann von Fahrradfahrern erwarten, dass sie langsamer fahren, ausweichen, stehen bleiben oder gar kommunizieren.

  1. Sind Fahrradfahrer stumm und wir wissen ja, wie schwierig es ist, Gebärdendolmetscher zu bekommen, vor allem welche, die auf dem Gepäckträger Platz nehmen wollen.
  2. Haben es Fahrradfahrer immer eilig. Nicht auszudenken, was passiert, wenn man die ersten 60 Sekunden von den Simpsons verpasst.

Fazit: Blinde lieben Fahrradfahrer

Ja, ich bekenne es öffentlich: wir lieben Fahrradfahrer. Sie sorgen für den Adrenalinkick am Morgen, halten unsere Reflexe frisch und sorgen dafür, dass unser Gehör nicht verkümmert.
War dieser Beitrag eigentlich ironisch gemeint? Vielleicht.

Domingos de Oliveira arbeitet als Dozent, Berater und Speaker zur digitalen Barrierefreiheit. Einen Überblick über seine Tätigkeit gibt es auf seiner Seite Netz barrierefrei. Als einer der wenigen blinden Experten für Barrierefreiheit schreibt er auf seinem Blog über Blindheit und Technologie. Reinschauen lohnt sich.

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Barrierefrei bloggen auf WordPress

Seit ich einen eigenen Blog betreibe, beschäftigt mich das Thema Barrierefreiheit immer wieder. Durch meine Arbeit lerne ich stets interessante Blogger kennen, deren Beiträge ich gerne verfolge, liken oder kommentieren würde. Ein Blog, der mehr Bilder als Text beinhaltet, ist für mich quasi nicht wahrnehmbar. Ein Beitrag, der durch ein grafisches Captcha geschützt ist, kann von mir nicht kommentiert werden. Und ein Beitrag, der so richtig schön kontrastarm gestaltet ist, mag für normal sehende Leser wunderschön aussehen. Für Leser mit einer Sehbehinderung ist es nur anstrengend. Als blendempfindliche Leserin kann ich ein Lied davon singen.
Ich weiß, dass hier kein böser Wille dahinter steckt, sondern einfach Unwissenheit über unseren Personenkreis. Daher möchte ich versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Auf meine Nachfrage hin hat Domingos de Oliveira mir den folgenden Text zur Verfügung gestellt. Er arbeitet als Dozent, Berater und Speaker zur digitalen Barrierefreiheit. Als einer der wenigen blinden Experten für Barrierefreiheit schreibt er
auf seinem Blog über Blindheit und Technologie.

WordPress ist sicherlich das beliebteste Blogging-System überhaupt. Ganz nebenbei hat es sich auch für viele Website-Anbieter zum bevorzugten Redaktionssystem entwickelt. In diesem Artikel erkläre ich, wie man mit WordPress barrierefreier werden kann.

Die Wahl des Themes
WordPress lässt sich als Framework betrachten, das sich an unterschiedliche Ansprüche anpassen lässt. Das gilt insbesondere für das Layout. Die Wenigsten werden sich mit den Standard-Themes von WordPress begnügen. Sie sind allerdings relativ barrierefrei. Bei Pressengers findet ihr eine Auswahl barrierefreier Themes.
Bei Themes von Dritt-Anbietern müsst ihr selbst prüfen, ob sie barrierefrei sind. Ist euch eine Website bekannt, die das Theme bereits einsetzt, könnt ihr diese automatisch mit einem Tool wie WAVE oder manuell mit einem Prüfverfahren
wie dem BITV-Test prüfen. Fragt ruhig auch bei dem Entwickler nach, ob das Theme barrierefrei ist. Vor allem, wenn das Theme kostenpflichtig ist, sollte der Entwickler solche Anforderungen berücksichtigen. Außerdem schafft ihr so ein Bewusstsein dafür, dass eine Nachfrage nach barrierefreien Themes besteht.
Entwickelt ihr selber ein Theme, bietet WordPress selbst Infos zur Barrierefreiheit. Den Link findet ihr am Ende des Artikels.

Texte
Der WordPress-Texteditor TinyMCE bringt leider nicht alle nötigen Funktionen zur barrierefreien Texterstellung mit. Es fehlen zum Beispiel Befehle für Zwischenüberschriften oder Abkürzungen. Die Auszeichnung von Zwischenüberschriften, Listen und weiteren Elementen erleichtert es Blinden zu erkennen, welche Aufgabe das Element hat. Ihr seht einen fett gedruckten und abgesetzten Text und wisst, dass das eine Zwischenüberschrift ist. Blinde nehmen das nicht wahr. Für ihre Hilfssoftware wird die Information, welche Aufgabe ein Stück Text hat, über HTML-Auszeichnungen vermittelt. Außer Zwischenüberschriften können auch Listen, Zitate sowie Abkürzungen ausgezeichnet werden.
Um diese Auszeichnungen mit einem grafischen Editor zu erstellen, benötigt ihr das
Plugin TinyMCE Advanced.
Wenn ihr ein wenig HTML beherrscht, benötigt ihr keinen weiteren Editor. Schaltet den Texteditor auf HTML um und gebt die entsprechenden Auszeichnungen händisch ein. Die wenigen Auszeichnungsbefehle sind schnell erlernt.

Bilder
WordPress bietet gute Möglichkeiten, Bilder mit alternativen Beschreibungen zu versehen. Das ist wichtig für Blinde oder Sehbehinderte, die das Bild nicht sehen oder nicht erkennen können.
Die Optionen zur Bildbeschreibung werden in der Mediathek in der rechten Spalte angezeigt. Ist das Bild ausgewählt, könnt ihr Alternativtext oder Titel festlegen.
Der Alternativtext wird Blinden vorgelesen. Der Titel wird angezeigt, wenn ihr mit dem Mauscursor über das Bild fahrt. Er richtet sich also eher an Sehbehinderte. Alternativtext und Titel dürfen identisch sein, da die Hilfssoftware von Blinden jeweils nur eines von beidem vorliest. Allerdings schlagen Plugins wie Access Monitor an, wenn die beiden Texte gleich sind. Das Tool geht in solchen Fällen davon aus, dass die Felder automatisch befüllt wurden.
Als Faustregel gilt: Blinde können das Bild nicht sehen und benötigen grundlegende Infos: Was ist überhaupt auf dem Bild zu sehen. Zum Beispiel „Das Diagramm zeigt die Geschäftsentwicklung 2015“. Die Werte dazu sollten natürlich in einer Tabelle oder im Fließtext stehen. Sehbehinderte haben eventuell Probleme, den Bild-Inhalt zu erkennen, ihnen hilft daher eine allgemeinere Beschreibung des Bildaufbaus. Zum Beispiel: „Das Säulendiagramm zeigt die Geschäftsentwicklung des Jahres 2015, die einzelnen Säulen bilden die Monate ab“. .

Plugins
Zuletzt möchte ich noch auf ein paar Plugins hinweisen, die eventuell hilfreich sind. Wer diese Plugins installiert, ist sicher nicht barrierefrei, umgekehrt muss man diese Plugins nicht installieren, um barrierefrei zu werden. Ich zeige lediglich, welche Möglichkeiten es gibt.Von allen genannten Plugins gibt es kostenlose Varianten. ReadSpeaker integriert eine Vorlesefunktion für eure Webseite. Die Sprachmelodie ist eher gewöhnungsbedürftig, es mag aber für manchen Lese- oder Sehbehinderten hilfreich sein. Es gibt eine kostenlose und eine kostenpflichtige Variante. Die kostenlose Variante ist beschränkt, was die Zahl der vorgelesenen Artikel angeht. Außerdem stehen weniger Optionen zur Verfügung. Der IT-Nachrichtendienst Heise Online bietet eine ähnliche Vorlesefunktion, ihr könnt sie dort ausprobieren.
Hurraki ist ein Wörterbuch, das Alltagsbegriffe in einfacher Sprache erläutert. Das
Plugin hurrakify ermöglicht es, sich zu einzelnen Begriffen aus einem Text Erläuterungen aus Hurraki anzeigen zu lassen. ,
Der
Access Monitor prüft eure WordPress-Inhalte auf Barrierefreiheit. Wie alle automatischen Testtools benötigt man Erfahrung mit digitaler Barrierefreiheit oder viel Zeit, um die einzelnen Fehlermeldungen nachvollziehen zu können. Das Tool kann euch auch nicht sagen, ob Bilder einen sinnvollen Alternativtext haben, das müsst ihr selbst entscheiden. Auch hier handelt es sich um ein Freemium-Modell. Es gibt eine kostenlose sowie eine kostenpflichtige Variante.
WP Accessibility rüstet eine Textvergrößerungsfunktion sowie eine Kontrastansicht für WordPress nach. Solche Funktionen waren früher der letzte Schrei in Barrierefreiheits-Kreisen, gelten aber seit einigen Jahren als unerwünscht. Es wird argumentiert, dass die Betriebssysteme, die Browser und die Hilfstechnik diese Aufgaben besser lösen als die fehleranfälligen Webseiten-Funktionen. Das ist sicherlich korrekt, aber es gibt tatsächlich noch Menschen, die nicht wissen, wie sie Text vergrößern oder eine kontrastreiche Ansicht aktivieren und sie sind dankbar für diese kleinen Hilfen. Und die Anderen nehmen auch keinen Schaden, solange die Regeln der Barrierefreiheit bei der Themegestaltung berücksichtigt wurden.

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