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Suche nach einer barrierearmen Lampe

Nina Schweppe lernte ich während eines Telefonvortrags bei der Blindenselbsthilfe kennen. Heute ist sie meine Gastautorin.

Nina Schweppe ist zertifizierte Ernährungs- und Schlafberaterin. Mit ihrem eigenen Business unterstützt sie Menschen dabei, im Einklang mit ihren persönlichen biologischen Rhythmen einen gesundheitsfördernden Lebensstil zu pflegen und dadurch einen guten erholsamen Schlaf und eine schier unerschöpfliche Energie zu haben, um mit Leichtigkeit und Freude den Alltag zu bewältigen.
In Einzelcoachings, Kursen und Vorträgen vermittelt Sie das nötige Wissen und zeigt an praktischen Beispielen auf, wie sich das Gelernte leicht in den Alltag einbinden lässt.
Weiter setzt sie sich dafür ein, dass digitale Gesundheitsanwendungen und Medizingeräte barriereärmer und somit zugänglicher für Menschen mit Behinderungen werden.

Nicht einmal Licht bekommt man barrierefrei ☹️😒😞

„Oh, ich kann Sie plötzlich nicht mehr richtig sehen!“ bemerkte ein Geschäftspartner in einer Videokonferenz.

Ok!

Also erst einmal mit dem Computerfachmann die Lage checken. Am Laptop ist alles ok und alle Energiesparpläne sind deaktiviert. Daran kann es nicht liegen.

Also eine Ringleuchte!

Der Besuch im hiesigen Elektromarkt glich einer Schnitzeljagd.

Was brauche ich, wenn ich als blinde Geschäftsfrau Licht für meinen Arbeitsplatz brauche?

Ich brauche zuverlässig ausreichend Licht. – Ohne Dimmer, ohne Farbveränderung, ohne Intelligenz. Einfach nur Licht an oder aus.

Warum?

Weil mir die Sichtkontrolle fehlt. Ich muss mich auf die Lampe verlassen können, dass sie einfach tut, was eine Lampe tut. Nicht kaffeekochen oder telefonieren, sondern einfach nur meinen Arbeitsplatz beleuchten.

Verrückt!

Die Lampen haben alle ein Touchdisplay. So können alle einfach durch das Antippen … nur ich nicht. Denn weil ich die Tasten nicht sehen kann, kann ich auch nicht tippen, um das Licht einzuschalten.

„Was sie suchen gibt es nicht.“, sagte der Verkäufer, und wollte mich in den nächstgelegenen Baumarkt schicken. Dieser aber liegt im Industriegebiet und ist für mich als Blinde, ich kann weder Auto noch Rad fahren, nicht erreichbar.

Muss ich als blinde Geschäftsfrau mich wirklich mit einer schrammeligen Lampe aus dem Baumarkt zufrieden geben in meinem professionell ausgestatteten Büro?

Nein! muss ich nicht. Mein netter Verkäufer wurde kreativ und fand eine einfache Schreibtischleuchte. Diese kann nichts, ist dafür aber teurer als die preisgünstigsten Ringleuchten.

Warum poste ich dieses Erlebnis?

Nicht, weil ich bemitleidet werden möchte. Auch nicht, weil die Welt ja ohnehin schon so schrecklich ist, dass ich noch etwas Nerviges dazu beitragen muss.
Ich poste dies, weil ich Sie, liebe Anbieter da draußen darauf aufmerksam machen möchte, dass es immer wieder Verbraucher geben wird, die aus verschiedensten Gründen einfache Geräte mit mechanisch, haptisch erfahrbaren Schaltern benötigen.
Meine Schreibtischlampe ist nur ein Beispiel.

Viel schlimmer ist für mich, dass ich meinen blinden Kunden, die dringend auf Lichttherapielampen angewiesen sind, auch bald vermutlich nichts mehr empfehlen kann, weil genau diese Entwicklung sich auch dort vollzieht.
Wir brauchen Produkte, die uns ermöglichen, einfach therapeutisches Licht zu haben, oder es einfach auszuschalten.

Bitte haben Sie alle immer im Hinterkopf, dass es immer mal Menschen gibt, die bestimmte Dinge nicht können.

Ich hätte nie gedacht, dass ich bzgl. einer simplen Leuchte um Barrierefreiheit und Teilhabe würde bitten müssen.

Was denken Sie, ist es nicht manchmal auch für Menschen ohne eine #Barrierefreiheit #einfach Licht #Zugänglichkeit #leichte Bedienung #mechanische Schalter #Inklusion Behinderung einfacher, ein Produkt ohne Schnick und Schnack zur Verfügung zu haben?

Vielen Dank an Nina für ihren Erfahrungsbericht. Wer sie näher kennenlernen möchte, dem lege ich ihre Homepage ans Herz.

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Allgemein Alltag unterwegs Zu Gast auf lydiaswelt

Challenge Baustelle

Meine Gastautorin Andrea Eberl ist 58 Jahre alt und von Geburt an blind. Ihr Begleiter ist der 3 jährige Blindenführhund Frodo, ein schwarzer Labrador. Andrea ist gemeinsam mit sehenden Menschen Autorin von Audiodeskriptionen (Filmbeschreibungen für Blinde). In ihrer Freizeit schreibt sie Artikel für verschiedene Blogs wie z.B. Kobinet e.V.. Andrea reist gerne. Am Liebsten schläft sie in ihrem Zelt unter freiem Himmel. Seit 2020 betreibt sie einen Podcast mit dem Titel „Blind auf Reisen“, in dem es hauptsächlich um ihre Reisen nach Griechenland geht, aber auch der Besuch anderer Orte findet darin seinen Platz.

Andrea hat viele Jahre Musik gemacht. Hier geht es zu ihrer Seite.

Challenge Baustelle

Mein Blindenführhund Frodo und ich erwachen nebeneinander in meinem großen Bett. Wir kuscheln ein bisschen, und dann klettern wir die Treppe vom Hochbett hinunter. Es ist 10.15 Uhr. Ich ziehe mich an, nehme den Blindenführhund ins Geschirr, und wir gehen los. Um 12.30 Uhr muss ich im Fitnesscenter sein. Das schaffen wir locker, denke ich.
Wir gehen die Rheydter Straße entlang und überqueren den Siegesplatz. Links von uns ist ein Bauzaun, der signalisiert, dass wir nur einen schmalen Bordstein rechts davon zur Verfügung haben. Der Platz der Deutschen Einheit wird seit einigen Monaten umgebaut. Daran haben wir uns gewöhnt.
Heute finden wir eine andere Situation vor. Der schmale Bordstein, über den wir bis gestern Abend noch gehen konnten, wird aufgerissen. Es ist laut, und mir ist klar, ich komme nicht wie gewohnt weiter. Vor uns taucht ein Bauarbeiter auf. „Hier können sie nicht weiter gehen“, gibt er mir zu verstehen. „Wie komme ich denn weiter? Ich möchte an die Erft.“, antworte ich. „Sie müssen hier rüber und dann da…“ Ich möchte irgendwie an der Baustelle vorbei und die Straße überqueren, um zum Kreisverkehr zu kommen, davon ausgehend, dass im Moment an der Stelle kein Auto fahren darf. Der Hund und ich möchten nach rechts ausweichen und auch dem Lärm entfliehen. „Hier können sie nicht rüber. Da laufen sie in den Verkehr hinein“, sagt der Mann. Sie müssen da und dann rechts“ „So können sie mir das nicht erklären“, antworte ich. „Bitte gehen sie vor, und der Hund geht nach.“ Der Mann folgt meinen Anweisungen und geleitet uns über die Straße. Dafür bin ich ihm dankbar. Wir kommen aber woanders an als üblich. „Wo sind wir jetzt?“ frage ich, als wir den Bordstein erreichen. Der Mann nimmt meinen Taststock in der Mitte und bewegt ihn auf ein paar Noppen. „Spüren sie die Noppen?“ fragt er. „Ja“, antworte ich. „Deshalb weiß ich aber trotzdem nicht, wo ich bin.“ „Ich will ihnen nur helfen“, sagt der Mann, von meinem Tonfall irritiert. Er versteht nicht, dass ich gestresst bin. Er nimmt den Tonfall persönlich und geht. Er hat mir ja geholfen und sein Bestes gegeben. Er versteht das Problem nicht. Er hat den Hund und mich doch in Sicherheit gebracht.
Der hilfsbereite Mann hat uns irgendwo abgestellt, und nun muss ich herausfinden, wo wir sind. Ich nehme mein iPhone zur Hand, drücke den Home-Button und sage: „Lazarillo öffnen!“ Lazarillo heißt eine, der für Blinde geeigneten, Apps, über die ich mich orientieren möchte. Unter meinen Favoriten befindet sich der Eingang zum Park in der Erkensstraße 5. Ich starte die Verfolgung. „Richtung Nordosten“, sagt die Stimme der Navigationsapp. Das hilft mir nicht weiter. Ich stehe irgendwo und weiß nicht, wo Nordosten ist. Ich kann kein Licht sehen, also kann ich mich auch nicht an der Sonne orientieren. Ein Mann kommt auf uns zu und fragt, ob er mir helfen kann. „Ja bitte“, antworte ich. „Wo sind wir?“ „Hier ist die Arztpraxis Doktor…“ Den Namen hab ich inzwischen vergessen. „Wo möchten sie in?“ „Ich möchte an die Erft bei der Erkensstraße…“ Der Mann hat keine Orientierung über die Straßennamen. Er braucht sie nicht. Er orientiert sich über Geschäfte, Arztpraxen, öffentliche Gebäude und ähnliche optische Merkmale. Das ist verständlich, aber ich kann nicht sehen, welche Arztpraxis und welches Geschäft sein Orientierungspunkt ist, und wenn ich mit dem Navi unterwegs bin, lasse ich mir nicht jedes Gebäude ansagen, weil es mich überfordern würde, ständig die Sprachausgabe im Ohr zu haben und mich gleichzeitig auf den Hund und den Weg konzentrieren zu müssen. Deshalb hilft mir die Orientierungsweise sehender Menschen nicht weiter. „Kann ich ihnen helfen?“ fragt er nochmal. „Nein“, antworte ich. „Ich muss selbst herausfinden, wo ich bin.“ Der Mann geht.
Ich bewege mich weiter in eine der beiden möglichen Richtungen. Schließlich bitte ich den nächsten Mann, der gerade in ein Gespräch verwickelt war, mir zu helfen. Ich habe Glück. Er arbeitet seit Jahren bei der Stadt und kann mit meiner Ansage: „Ich möchte beim alten Finanzamt vorbei in der Erkensstraße an die Erft!“ etwas anfangen. Der Mann geleitet uns auf die richtige Straßenseite, erklärt mir, wo wir sind und wie ich zu dem von mir gesuchten Eingang zum Stadtpark finde. Ich bin erleichtert.
Endlich im Park angekommen, kann mein Hund sich lösen. Der Arme hat es schon sehr eilig gehabt. Während des kurzen Spaziergangs überlege ich, wie wir stressfrei zurück nachhause kommen: Wenn wir am griechischen Restaurant vorbei die Straße überqueren und dann durch die Bahnstraße am Fitnesscenter vorbei gehen… Aber geht das überhaupt, oder ist dort auch noch alles aufgerissen? Wir landen erfolgreich im Fitnesscenter, und ich frage dort nach, ob die Strecke von der Bahnstraße über die Dechant-Schütz-Straße, eine andere Querstraße, die direkt zu unserem Haus führt, frei begehbar ist. Glücklicherweise ist sie das seit kurzem. Zu meinem Termin im Fitnesscenter komme ich zu spät, weil es zuvor einiges an Kommunikation gebraucht hat, bis ich meinen Weg weiter gehen konnte.
Seit März oder April 2021 wird in meiner unmittelbaren Nähe gebaut. Als ich noch mit meiner alten Blindenführhündin Enny unterwegs war, wurde die Rheydter Straße, das ist die Hauptstraße, in der ich wohne, neu gemacht. Dieser Umbau hat etwa drei Monate gedauert. Ganz abgesehen vom Lärm vor der eigenen Haustür war es für die Hündin und mich schwierig, uns zurecht zu finden, weil es täglich herausfordernde Veränderungen gab. Die Rheydter Straße ist jetzt, dank der Umbauten, barrierefrei.
Seit April dieses Jahres, seit mein neuer Blindenführhund Frodo bei mir ist, wird und wurde in der Bahnstraße, das ist die Parallelstraße zur Rheydter Straße, und über die Dechant-Schütz-Straße der Weg zum Bahnhof neu gemacht. Später kam dann auch noch die Baustelle auf dem Platz der deutschen Einheit dazu, die uns heute Morgen vor das beschriebene plötzliche Problem gestellt hat. Das bedeutet, dass wir z.B. unseren Weg zum Park in mehreren Varianten kennengelernt und eingeübt haben. Der Blindenführhund hat ein gutes fotografisches Gedächtnis und eine schnelle Auffassungsgabe, wodurch er sich neue Wege schnell einprägen kann. Für blinde Menschen, die ohne Hund, mit dem Langstock, unterwegs sind, stellen drei Baustellen gleichzeitig ein noch größeres Problem dar als für mich, die ich mit meinem tollen Helfer auf vier Pfoten unterwegs bin.
Ich finde es notwendig, dass künftig Menschen, die auf dem Bau arbeiten, darin geschult werden, wie man uns blinden Menschen helfen kann, ohne uns, nachdem man uns in Sicherheit gebracht hat, an einer für uns unbekannten Stelle abzustellen. Dafür muss man sich ein bisschen Zeit nehmen. Z.B. wäre es eine Möglichkeit, dass der blinde Straßenpassant den Standort, zu dem er möchte, mit dem Mann am Bau über sein Smartphone teilt. Wenn er gut beschreiben kann, könnte er den blinden Straßenpassanten verbal in die richtige Richtung navigieren oder ihn an eine Stelle führen, wo er sich wieder auskennt. Vielleicht gäbe es auch die Möglichkeit, eine barrierefreie App zu entwickeln, auf die Bauarbeiter und Straßenpassanten gleichzeitig zugreifen können, um Situationen zu vermeiden, in denen der, der helfen will, nicht adäquat helfen kann und sich deshalb unzufrieden zurück gelassen fühlt, und der blinde Mensch seine Orientierung verliert. So könnten die Menschen auch lernen, wie man einen blinden Menschen führt und wie man Hilfe anbieten soll.

Es ist ungeheuer wichtig, dass der helfende Mensch weiß, was der Mensch mit Behinderung braucht. Da ist noch sehr viel Aufklärung notwendig.

Danke Dir, Andrea, für Deinen Gastbeitrag.

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Allgemein blinde Eltern

Die blinde Mutter und der Überblick beim Schulstart

Vor ein paar Wochen tauchte der Aufruf zur Blogparade #Schulstart! Was Schule ist und was sie werden kann in meinem Postfach auf. Ich finde die Idee gut, und nehme gern daran teil.
Als die Einschulung meiner Tochter näher rückte, war ich schon etwas aufgeregt. Es war nicht nur der Beginn eines neuen Abschnitts, sondern auch das große Unbekannte, das da auf uns Eltern zukam.
Allein die Liste der benötigten Materialien, die wir Eltern zugeschickt bekamen, verursachte mir Bauchschmerzen. Wie sollte ich als blinde Mutter die unterschiedlichen Hefte, Hefter und Stifte voneinander unterscheiden, feststellen welche Stifte und Farben ausgetauscht werden sollten oder wie die Nachrichten im Elternheft lesen? Das waren Fragen, die mich zusätzlich zu den allgemeinen Fragen beschäftigten, und für die es galt Lösungen zu finden.

Ich selbst war in den ersten zwei Jahren auf einer Schule für sehbehinderte Kinder. Dort habe ich ausreichend Restsehen gehabt, um meine Hefte voneinander zu unterscheiden. Und in meinem Schulranzen gab es eine feste Ordnung, sodass ich die gesuchten Gegenstände sehr schnell zur Hand hatte. Ich erinnere mich daran, dass es nicht so viele Sachen waren, wie jetzt auf der Materialliste meiner Tochter standen.
Ab dem dritten Schuljahr besuchte ich eine Schule für blinde Kinder. Dort schrieben wir nicht in ein Heft, sondern auf einzelne Blätter. Denn nur so konnte man auf einer Schreibmaschine für Brailleschrift schreiben. Die Blätter wurden mit Namen, Fach und Datum beschriftet und in Ordner abgeheftet, die wir ebenfalls mit Braille beschrifteten. Dasselbe galt auch für Zeichnungen, die auf Folie oder Papier angefertigt wurden. So etwas wie unterschiedliche Stifte oder Farben habe ich nicht benutzt. Und weil ich es nie gebraucht habe, habe ich mich nie mit der Materie auseinandergesetzt. Kurz, ich hatte hier eine klaffende Bildungslücke.
Ich ließ mir von einer Freundin beim Beschaffen der Schulausstattung helfen. Hefte, Mappen und Mäppchen wurden mit Namen beschriftet, und ich versuchte mir die einzelnen Gegenstände aus dem Schulranzen einzuprägen. Das musste fürs Erste reichen.
Der Schulstart kam, und so nahm das Chaos seinen Lauf. Von den Schülern wurde erwartet, dass sie den Eltern sagten, wenn die Lehrerin etwas ins Heft geschrieben hatte. Und ebenso wurde erwartet, dass sie nach dem Mittagessen noch wussten welche Schularbeiten erledigt werden mussten. Letzteres konnte die Nachmittagsbetreuung auffangen, da mehrere Kinder dieselbe Klasse besuchten. Blieb noch der Informationsaustausch zwischen Lehrerin und mir. Die Schule tat sich schwer damit mir eine E-Mail zu schreiben oder anzurufen, und meine Tochter hatte die Ordnung nicht gerade zu ihrem besten Freund erklärt. Mit Glück waren Elternbriefe und Mitteilungen tatsächlich in den Weiten des Schulranzens verborgen, und fanden so den Weg nach Hause. Dieselbe Herausforderung hatte ich ebenfalls in der Nachmittagsbetreuung. Allerdings bestand da die Möglichkeit sich telefonisch auszutauschen oder beim Abholen kurz miteinander zu reden.
Ich löste mein Informationsproblem dadurch, dass ich in regelmäßigen Abständen jemanden dafür bezahlte, der nach nicht abgegebenen Benachrichtigungen aus der Schule fahndete. Das war für mich die beste Lösung, da manche Mitteilungen handschriftlich gemacht wurden. Parallel dazu bekam ich Infos von anderen Eltern, sodass ich weniger Energie für die Informationsbeschaffung aufwenden musste.
Problematischer war das Auffinden von Kleidung, die meine Tochter in der Schule vergessen hatte. Diese wiederzufinden war eine Lebensaufgabe. Denn es gab in einem Raum eine riesige Kiste, in die alle Textilien kamen, die jemand vergessen hatte. Diese Wühlkiste war nur zu bestimmten Zeitabschnitten zugänglich. Gerade in den ersten Jahren der Grundschule waren sowohl meine Tochter als auch ich komplett überfordert mit der Kleiderflut. Ich hatte also die Wahl mir eine Hilfsperson zu bezahlen, oder für das Geld neue Sachen zu beschaffen.
Schule ist also nicht nur für die jungen Abc-Schützen ein neues Abenteuer, sondern auch für Eltern. Und wenn diese noch eine Behinderung ihr Eigen nennen, dann wird es sehr abenteuerlich und fördert alle Kreativität, deren man fähig ist.

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Allgemein Alltag unterwegs

Barrierefrei heißt nicht nur stufenlos

Blinde Menschen orientieren sich an markanten Punkten oder Merkmalen im Straßenverkehr. Das können Hauseingänge sein, Einfahrten oder auch mal ein Verteilerkaste. Ein Hauseingang, der bestimmte Stufen oder eine bestimmte Geräuschumgebung hat, ist für mich ebenfalls eine Unterstützung. Wichtig ist dabei, dass dieses Merkmal immer da ist.
Ebenso wichtig ist für mich die Beschaffenheit des Untergrunds. Wenn sich neben dem Fußweg ein Radweg befindet, reicht es nicht aus, dass er optisch sichtbar ist. Für mich ist es wichtig, dass der Untergrund sich von dem des Gehwegs unterscheidet. Dann kann ich den Unterschied mit dem Blindenstock ertasten. Auch eine kleine, fühlbare Absenkung wäre denkbar.
Bei Straßenübergängen sieht es ähnlich aus. Während für Nutzer eines Rollstuhls oder eines Rollators möglichst eine Nullabsenkung, also gar keine Stufe optimal ist, brauchen blinde Menschen eben diese Absenkung, um zu merken, dass sie den sicheren Gehweg verlassen. Dabei muss die Stufe für uns blinde Menschen gar nicht so hoch sein. Sie muss nur mit der Stockspitze eines Blindenlangstocks tastbar sein. Dafür genügen schon ca. 3 cm. Gut gemachte taktile Leitstreifen für Menschen mit Sehbehinderung haben längs und quer verlaufende Rillen. Diese zeigen einmal an, dass wir hier gefahrlos bis zum Straßenrand kommen, und an welcher Stelle wir besser nicht laufen. Dafür verlaufen Rillenplatten dann quer zur Laufrichtung. Das wird gern gemacht, wenn sich dahinter eine Nullabsenkung für Rollstuhlfahrer befindet.
Die quer verlaufenden Streifen findet man auch immer öfter vor Treppen. Das ist ein Tastbarer Hinweis darauf, dass ein Treppenauf- oder Treppenabgang vor einem liegt. Wenn die Platten gut gemacht sind, heben sie sich gut sichtbar vom Untergrund ab. So können auch sehbehinderte Fußgänger, die nicht auf einen Blindenstock angewiesen sind, erkennen, dass sie vorsichtig sein sollen.
Ein Irrglaube ist, dass blinde Menschen lieber mit dem Aufzug fahren als Treppen zu laufen. Doch blind alleine in einen unbekannten Aufzug zu steigen ist ein Lottospiel, wenn dieser keine Sprachausgabe hat, die das Stockwerk ansagt. Selbst wenn ich es schaffe den Knopf für ein bestimmtes Stockwerk zu drücken, gibt es nichts und niemanden, der mir garantiert, dass der Aufzug nicht vorher woanders hält. Es reicht also nicht aus Aufzüge mit fühlbaren Zahlen und Beschriftung in Braille auszustatten. Barrierefrei sind sie erst, wenn sie das angefahrene Stockwerk ansagen. Eine Ausnahme sind Aufzüge, die nur zwei Ebenen anfahren. Vor einigen Wochen ist mir ein Aufzug begegnet, dessen Bedienelemente ausschließlich auf Berührung reagieren. Auch das schließt blinde Menschen aus.
Ein großes Thema sind öffentliche Verkehrsmittel. Am besten sind eindeutige Haltepositionen für Bus und Bahn, wie ich in meinem Beitrag Wenn der Bus woanders hält beschrieben habe. Während für Menschen mit Gehbehinderung es einfacher ist hinten einzusteigen, brauchen blinde Menschen die Vordertür, um den Busfahrer nach der einfahrenden Buslinie zu fragen. Ausführlicher habe ich das in Öffentlicher Nahverkehr, diese Infos brauche ich behandelt. In vielen Städten hält der Bus nur dann, wenn jemand den Halteknopf gedrückt hat. Dafür braucht man richtig gehende und verständliche Haltestellenansagen. Davon profitieren nicht nur Menschen mit Sehbehinderung, sondern auch Fahrgäste, die nicht ortskundig sind, oder die optische Anzeige aus anderen Gründen nicht lesen können.
Barrierefreiheit ist ein Oberbegriff für Hindernisse, die uns im Alltag begegnen. Und sie fühlen sich für jeden anders an. Also, wenn Ihr die Möglichkeit zu einem Perspektivwechsel habt, nehmt diese Möglichkeit wahr, und erweitert damit Euren Horizont.

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Allgemein unterwegs

KFC schafft Barrieren für blinde Gäste

Heute möchte ich von einem Erlebnis berichten, das mich ganz schön geärgert hat.

Am 04.08.2022 beschloss ich in Frankfurt an der Hauptwache zu KFC zu gehen. Draußen war es zu heiß zum Sitzen, während es dort klimatisiert war. Und eine Schlange gab es zu diesem Zeitpunkt auch nicht.
Früher habe ich mich in die Warteschlange gestellt, den Mitarbeitern meinen Wunsch genannt, bezahlt und darum gebeten mir die Bestellung an den Tisch zu bringen. In der Regel ging das problemlos.
Seit einiger Zeit gibt es dort Bestellterminals. Dort wählt man seine Bestellung aus, bezahlt und bekommt einen Beleg über die Bestellung. Diese kann man dann an der Theke abholen. Die Terminals sind für blinde Gäste nicht ohne Hilfe bedienbar. Anfangs konnte man seine Bestellung noch parallel zum Terminal bei den Mitarbeitern aufgeben und auch dort bezahlen. Irgendwann ging das nicht mehr. Es stand manchmal ein Mitarbeiter dort, der behilflich war. Damit konnte ich erst mal leben. Eine E-Mail an KFC mit dem Hinweis, dass der Bestellvorgang blinde Menschen ausschließe, blieb unbeantwortet.
Am besagten 04.08.2022 war kein Mitarbeiter am Terminal. Also stellte ich mich in die Schlange vor dem Tresen und sagte der Mitarbeiterin was ich haben wollte. Sie bestand auf die Bestellung über das Terminal. Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache waren so unzureichend, dass es eine Weile brauchte, bis sie verstand, dass ich das Terminal nicht bedienen konnte. Irgendwann begleitete sie mich, und wir bekamen die Bestellung hin.
Jetzt ging es darum die Bestellung an einen Platz zu bekommen. Es brauchte etwas Kreativität, um der Dame zu erklären, dass ich die Nummer auf der Bestellung nicht selbst lesen kann, und dass ich Hilfe brauchte, um eben diese Bestellung an einen Tisch zu bekommen. In fremder Umgebung mache ich das nicht selbst. Sie wollte mir einen Platz zeigen, und deutete die ganze Zeit irgendwohin. Auch als ein anderer Gast ihr versuchten zu vermitteln, dass sie mir den Platz zeigen oder mit mir reden sollte, änderte sich nichts. Gut, am Ende fand ich einen Platz.
Ich war danach so genervt, dass ich am Abend den folgenden Post auf Facebook verfasste, wobei ich KFC markierte. „KFC, habt Ihr Euch mal Gedanken darüber gemacht, dass Euer Bestellterminal für blinde Gäste nicht zugänglich ist? Gepaart mit Mitarbeitern, die kaum Deutsch verstehen, fühle ich mich hier nicht mehr wohl. #barrierefrei, und #Kundenfreundlich sieht anders aus. #Ausgrenzung, #blind, #sehbehindert, #KFC, #Behindernisse.“
Da ich noch einen ähnlichen Post auf der Seite abgesetzt hatte, wurde ich gebeten eine Nachricht an KFC zu schreiben. Also tat ich das. Am 06.08.2022 schrieb mir KFC folgendes zurück: „06.08.
KFC, Hi Lydia,
vielen Dank. Wir haben dein Anliegen intern weitergeleitet und unsere Kollegen*innen werden sich zeitnah bei dir melden.
Dein KFC Social-Media-Team“
Heute schreiben wir den 22.08.2022 und ich habe noch nichts von denen gehört. Wertschätzung dem Kunden gegenüber sieht für mich anders aus als mit einem Textbaustein zu antworten und das war’s.
Immer mehr Anbieter setzen Bestellterminals ein. Diese sind für Menschen mit Sehbehinderung eine Barriere. Erst recht, wenn es keine Alternative gibt. Würden diese mit einer Sprachausgabe ausgerüstet, dann wären sie auch für unseren Personenkreis eigenständig bedienbar.

Welche Geschäfte machen Euch bei der Bedienung Schwierigkeiten? Schreibt es bitte in die Kommentare. Lasst uns mal ein bisschen sammeln.