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Ferien auf dem Bauernhof

Wenn ich als blinde Mutter mit sehenden Kindern verreisen wollte, dann gingen dem Ganzen Vorbereitungen voraus. Jedenfalls bei Reisezielen, die etwas weiter weg waren.
Ich erinnere mich daran, dass meine Kinder gern einmal auf einen Bauernhof fahren wollten. Damals waren sie beide noch im Grundschulalter. Und ohne Auto aufs Land fahren? Das wurde immer als unmöglich dargestellt. Denn oft fehlt der für mich so notwendige öffentliche Nahverkehr.
Damals las ich in einer Mailingliste mit, in der sich blinde und sehbehinderte Eltern austauschten. Und so fragte ich nach der Möglichkeit mit den Kindern auf einen Bauernhof zu fahren. Von einer anderen blinden Mutter bekam ich den Kontakt einer Frau, die Ferienwohnungen in der Nähe eines Bauernhofs auf einem Dorf vermietete. Also rief ich die Dame an, und fragte, ob wir über Pfingsten kommen könnten. Ja, es war noch eine kleine Ferienwohnung frei.
Nun ging es um die Details. Ich erfuhr, dass es im Dorf keinen Supermarkt gab. Es gab eine Gaststätte, in der wir abends essen konnten. Aber was war mit der restlichen Verpflegung. Ich konnte und wollte keine Lebensmittel für vier Tage mitnehmen. Also vereinbarte ich mit unserer Vermieterin, dass wir gegen einen Aufpreis Frühstück bekommen, und sie ein paar Lebensmittel wie Obst oder Getränke für uns einkaufte. Außerdem bot sie an uns vom Bahnhof in Hameln mit dem Auto abzuholen und am Abreisetag wieder zum Bahnhof zu fahren. Damit waren also die organisatorischen Rahmenbedingungen geklärt.
Eine weitere Sorge war die Beaufsichtigung der Kinder auf einem Gelände, das ich noch nicht kannte. Hier beruhigte mich meine Vermieterin. Der Bauernhof, dessen Besitzer ebenfalls Ferienwohnungen vermietete, war auf Familien mit freilaufenden Kindern eingerichtet. Ich konnte also beruhigt darauf vertrauen, dass es keine unbekannten Gefahren gab.
Wir hatten gutes Reisewetter, und kamen bei strahlendem Sonnenschein in Hameln an. Dort wurden wir wie vereinbart abgeholt und zur Ferienwohnung gefahren. Ein kleines Apartment mit drei Schlafplätzen, eine Sitzecke, einer Küchenzeile und einer Dusche würde für die nächsten Tage unser Zuhause sein.
Zunächst einmal gab es für uns eine kleine Führung durch den Bauernhof. Dort gab es noch einige andere Kinder, so dass ich es mir ruhig in einem Liegestuhl bequem machen konnte, während meine Kinder sich auf Entdeckungsreise begaben. Es gab nicht nur einen großen Spielplatz und eine Menge Tiere, sondern auch eine Menge Spielgeräte zum Austoben.
Am späten Nachmittag durften die Kinder in den Pferdestall. Hier durften sie unter Anleitung ein Pferd putzen, und anschließend ein bisschen reiten. Dann bekam ich von ihnen die jungen Kaninchen gezeigt, die es den Kindern besonders angetan hatten. Und dann machte die Vermieterin mit den Mietern ihrer Ferienwohnungen einen Spaziergang durch den Ort, um uns alles zu zeigen. Wir gingen dann noch etwas Essen, und dann war der Tag für uns auch schon zu Ende.
Die nächsten zwei Tage brachten mir die Entspannung, die ich damals dringend brauchte. Nach dem Frühstück zogen meine Kinder los, um auf dem Bauernhof zu spielen. Zwischendurch kamen sie wieder, um mir mal etwas zu zeigen. Ansonsten konnte ich einfach in einem Liegestuhl lesen und die Atmosphäre genießen. Nachmittags gingen wir in das Dorfschwimmbad, wo sich alle Kinder der Umgebung trafen. Und dann ging es schon zum Reiten auf dem Bauernhof.

Es war das erste Mal, dass ich alleine über mehrere Tage und ohne Begleitung mit den Kindern weggefahren bin. Und es hat uns allen gut getan. Erst recht, da die Organisation so gut geklappt hat.

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Tipps zum sparsamen Packen

Wenn man mit dem Auto reist, kann man so viel mitnehmen, wie in das Fahrzeug hineinpasst. Im Extremfall nehmen Urlauber ihren halben Hausrat mit auf die Reise. Doch wenn man wie ich meist mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, fällt jeder Gegenstand buchstäblich ins Gewicht.
Koffer gibt es in allen Größen, Formen und Ausstattungen. Aber alle zusammen haben den Nachteil, dass sie eine Hand blockieren, die damit beschäftigt ist den Koffer zu ziehen, zu schieben oder einfach nur festzuhalten. Und im Zug, Bus oder am Urlaubsort ist nicht immer ausreichend Platz vorhanden, um den Koffer zu verstauen.
Daher reise ich nur dann mit einem Koffer, wenn ich wirklich länger unterwegs bin. Auch Reisetaschen kommen für mich nicht in Frage. Diese werden einseitig getragen, was auf längeren Wegstrecken ziemlich schmerzhaft werden kann. Erst recht, wenn man mit der anderen Hand den Blindenlangstock benutzt.
Für den typischen Wochenendausflug oder das Wochenendseminar reicht mir ein guter Rucksack aus. Dieser bietet mir einige Vorteile. Zum einen ist der Platz beschränkt, so dass ich nicht zu viele unnötige Dinge mitnehmen kann, zum zweiten ist ein Rucksack besser zu handhaben, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist. Er passt auch mal unter meinen Sitz, so dass ich ihn direkt in meiner Nähe habe. Und für mich als Nutzerin eines Blindenlangstocks hat es noch den Vorteil, dass ich trotz Stock in der rechten Hand, eine Hand frei habe. Das macht Sinn, wenn man die Tür eines Bahnabteils öffnet oder einen Kaffeebecher in der Hand hält.
Ein großes Thema sind die Kleidungsstücke, die man mitnehmen möchte. Erst recht, wenn nicht klar ist, auf welche Wetterlage man sich einstellen soll. Für solche Fälle liebe ich das Zwiebelprinzip. Kurzärmliche Oberteile, und langärmelige Oberteile oder Jacken zum Drüberziehen. Wenn ich dann Röcke oder Hosen auswähle, mit denen ich mehrere Oberteile kombinieren kann, spart das Platz.
Ein weiteres großes Thema sind Kosmetika und Artikel zur Körperpflege. Die großen Flaschen nehmen nur unnötig Platz weg. Den Bedarf für ein paar Tage kann man in kleine Reisegrößen umfüllen, die man in einer kleinen Tasche oder  Gefrierbeutel verstaut. Wer sich die Arbeit nicht machen möchte, für den halten Drogerien entsprechende Produkte bereit. Auf diese Weise verfahre ich auch mit Medikamenten. Wenn ich nur vier Tage lang unterwegs bin, brauche ich nicht die ganze Packung mitzunehmen. Es gibt kleine Behälter für Tabletten zu kaufen, in denen man seinen Bedarf an Medikamenten für ein paar Tage verstauen kann. Auch die Mitnahme von Handtüchern und Bettwäsche ist unnötig. Entweder wird das von der Unterkunft gestellt, oder ist gegen eine Leihgebühr vor Ort zu bekommen, auf diese Weise lässt sich Platz und Gewicht einsparen.
Es ist lästig, wenn man erst den Rucksack vom Rücken nehmen muss, um an seinen Geldbeutel oder andere wichtige Dinge zu kommen. Diese Dinge verstaue ich gern direkt am Körper, in einer Hosentasche oder in der Jacke, alternativ geht auch eine Bauchtasche. Diese gibt es in allen möglichen Varianten. Das bietet mir den Vorteil, dass ich alles Wichtige sofort greifbar habe. Denn etwas suchen, wenn man gerade Zeitdruck hat, ist eine Art von Stress, den ich nicht haben möchte.
Als meine Kinder jünger waren, bin ich mit einem großen Koffer gereist. Denn da passte alles rein, was wir für den Urlaub brauchten. Dabei war es für mich wichtig, dass der Koffer so gepackt war, dass er von alleine stehen blieb, wenn ich ihn mal los ließ. Außerdem klärte ich ab, ob es am Urlaubsziel eine Waschmaschine gab. Auch das hilft dabei die Kleidermenge zu reduzieren. Alternativ hatte ich ein Reisewaschmittel dabei. Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft auch mal etwas von Hand zu waschen, und natürlich eine Möglichkeit Wäsche zu trocknen.
Wichtig ist, dass man sein Gepäck gut handhaben kann. Denn sonst könnte es stressig auf der Reise werden.

Das war jetzt mal ein bisschen was aus meinem Erfahrungsschatz. Habt Ihr noch weitere Tipps für platzsparendes Packen? Dann schreibt sie in die Kommentare.

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Die Begleitperson muss nicht erwachsen sein

Gemeinsam mit unseren sehenden Kindern im Alter von siebzehneinhalb und fast neunzehn Jahren wollen wir eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer unternehmen. Der Reiseanbieter gewährt Menschen mit Behinderung, welche das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis haben, die kostenlose Mitnahme einer Begleitperson. Entsprechend wurden wir an der Hotline beraten. Wir buchten also für uns blinde Eltern und zwei Begleitpersonen, nämlich unsere Kinder. Für letztere würden nur noch die Kosten für den Transfer und der übliche Kleinkram anfallen. Ebenso schickten wir eine Kopie der Schwerbehindertenausweise an den Reiseanbieter, und warteten auf die Bestätigung.
Vier Tage später kam die Ernüchterung. Die Zentrale in Italien habe unsere Buchung bestätigt. Allerdings wollte man uns die Ermäßigung für eine Begleitperson nicht gewähren. Als Grund wurde angegeben, dass der Sohn das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und mich somit also nicht begleiten dürfe. Für ihn würden also noch mal fast 700 € zusätzliche Kosten anfallen. Das wollte ich so nicht stehen lassen, und schrieb eine entsprechende E-Mail an den Anbieter. Ich erklärte ihm meinen Standpunkt und dass ich diese Reise unter diesen Bedingungen nicht antreten möchte. Eine Antwort habe ich noch nicht bekommen, werde jedoch gern in einem späteren Beitrag über den Ausgang berichten. Auch fand ich keine Altersangabe der Begleitperson in den AGBs des Reiseanbieters.
Das Merkzeichen B auf dem Schwerbehindertenausweis berechtigt den Inhaber zur Mitnahme einer Begleitperson. Daran sind hier in Deutschland keine Bedingungen geknüpft. Und das aus gutem Grund. Denn die Anforderung an eine Begleitperson ist bei jeder Behinderung unterschiedlich. Ich kann also die Begleitperson mitnehmen, die ich als Mensch mit Behinderung für geeignet halte. Im Idealfall überlege ich mir also welche Hilfestellung ich brauche, und wähle aus welche Begleitung ich mitnehmen möchte.
In der Praxis heißt das, dass ich als blinde Frau auf einem Kreuzfahrtschiff jemanden brauche, der mir die Wege, die ich brauche zeigt, mir bei einem Büfett hilft mein Essen zusammenzustellen, oder bei der Suche eines Liegestuhls hilft oder mal einen Aushang vorliest. Das sind Tätigkeiten, die auf meine Anweisung hin passieren. Gleiches gilt für Ausflüge, an denen ich teilnehmen möchte.
Die Begleitperson begleitet und assistiert. Sie hilft mir meine Sinnesbehinderung, also die Blindheit ein stückweit zu kompensieren. Sie trägt keinerlei Verantwortung für mein Handeln. Der Einzige, der Verantwortung trägt, bin ich. Und zwar sowohl für mich, als auch für mein noch minderjähriges Kind. Und ich kann das, was ich meinen Kindern zumute, sehr gut verantworten.
Auch wenn es mir nicht schmeckt, habe ich gelernt damit zu leben, dass das Weltbild nicht blinder Personen in Bezug auf unseren Personenkreis oft sehr viele Missverständnisse beinhaltet. Hieraus resultieren Entscheidungen von nicht betroffenen Verantwortlichen, die absolut ungerechtfertigt sind. Hier eine kleine Auswahl von Diskriminierungen im Alltag, welche darauf basieren, dass blinden Menschen kein eigenverantwortliches Handeln zugetraut wird:
– Blinde dürfen keine Fahrgeschäfte vieler Freizeitparks nutzen,
wie Freizeitparknutzung durch blinde Menschen
und Freizeitparks, Blinde müssen draußen bleigen.
– Fitnessstudios, die blinden die Mitgliedschaft verwehren,
wie in Blinde Neu-Isenburgerin fühlt sich von Fitnessstudio ausgeschlossen,
und Als ich versuchte in einem Fittnessstudio zu trainieren.
– Zutrittsverweigerung einer blinden Mutter ins Schwimmbad.

Ich kann mir gut vorstellen, dass so mancher Zeitgenosse den früheren Wortlaut, „Eine ständige Begleitung des Schwerbehinderten ist nachgewiesen“ oder so ähnlich verinnerlicht hat. Das wurde irgendwann geändert, nachdem unbegleiteten blinden Personen die Mitfahrt in manchen Bussen oder der Zutritt zu Einrichtungen verwehrt wurde. Manchmal scheint es, als habe die Ausgabestelle für gesunden Menschenverstand, Empathie und sozialer Kompetenz schon länger geschlossen.

So, Ihr kennt nun meine Sicht der Dinge. Jetzt bin ich gespannt auf Eure.