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Blindenstöcke für Togo 3 Jahre später

Spendenprojekt für das Blindenzentrum in Kpalimé (Togo)

Rund drei Jahre nach ihrer Rückkehr von einem einjährigen Freiwilligendienst in dem westafrikanischen Land Togo ging es für Jasmin erneut dorthin. Diesmal in Begleitung ihres Mannes Erdin (aka. Mr. Blindlife) und einem Koffer voller Blindenlangstöcke und Lupen.
Jasmin ist sehbeeinträchtigt und sieht mit Brille auf dem besseren Auge mit Brille noch 8%. Während ihres Freiwilligendienstes interessierte sie sich daher auch dafür, wie blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in Togo leben und so besuchte sie neben dem „Centre des Aveugles de Kpalimé“ auch eine weiterführende Schule, an denen einige blinde und sehbeeinträchtigte Schüler inklusiv unterrichtet wurden und deren Wohnung, in der die Schüler als Wohngemeinschaft zusammenlebten. Bereits bei der ersten Begegnung mit Ayala, einem der Schüler, fiel Jasmin auf, dass dessen Langstock verbogen war, die einzelnen Elemente nur noch von einem losen Gummiband zusammengehalten wurden und die Spitze komplett fehlte. Auch bei den anderen Schülern war es nicht besser, sodass sie stets von den besser sehenden Mitbewohnern geführt wurden. Auf Nachfrage bei dem Blindenzentrum erfuhr Jasmin, dass es in der Region keine Langstöcke in entsprechender Qualität zu kaufen gäbe.
Daraufhin organisierten Lydia und Jasmin das erste Spendenprojekt, in dessen Rahmen 38 Langstöcke samt Ersatzteilen an die ehemaligen Schüler:innen des Zentrums übergeben werden konnten.
Vor ihrer Reise im Herbst 2022 fragte Jasmin bei dem amerikanischen Ehepaar, welches das Zentrum noch immer leitete an, ob es immer noch Bedarf an Langstöcken, Lupen o.ä. ähnlichen habe. Das Ehepaar erwiderte, dass Langstöcke, Lupen und auch ein neuer Brailledrucker dringend benötigt würden.
Erdin und Jasmin starteten daraufhin erneut ein Spendenprojekt und erhielten von ihrer Community insgesamt 1530,77€ an Spenden. Die, nach dem Abzug der Gebühr von Paypal, verbliebenen 1467,17€ wurden in Lupen, sowie Langstöcke investiert, da ein transportierbarer Brailledrucker das Budget deutlich überstiegen hätte.
Für 15 Lupen von Eschenbach in verschiedenen Stärken wurden 572,46 € ausgegeben, die verbleibenden 894,71€ wurden genutzt um 33 Langstöcke für einen Preis von insgesamt 896 € zu kaufen.
Hinzu kamen sechs Langstöcke und eine Lupe von der Community und und als Sachspenden.
Am 17. September ging unser Flug nach Togo. Für Jasmin eine lang ersehnte Rückkehr, für Erdin die erste Reise auf den afrikanischen Kontinent. Nach einem Tag der Eingewöhnung und Orientierung in Kpalimé, einer Großstadt im Süden Togos, ging es dann vollbeladen auf einem Motorrad-Taxi zum Blindenzentrum. Es waren noch Schulferien, sodass lediglich die Lehrer:innen, welche sich auf den Unterricht vorbereiteten, anwesend waren. Die 16 Lupen und 39 Langstöcke wurden von ihnen entgegengenommen und mit einzeln Lehrer:innen noch einmal der Umgang mit einer Kugelspitze, sowie dessen Auswechseln geübt, damit diese es den Schüler:innen entsprechend beibringen können. Auch einzelne Lupen wurden ausgepackt und getestet, sodass sie abschätzen konnten, welche Lupe von welchen Schüler:innen wahrscheinlich am besten nutzen wird.
Erdin drehte zudem ein Video für seinen YouTube-Kanal, um mit dem Einverständnis aller Anwesenden seiner Community zu zeigen, dass die Spenden tatsächlich angekommen sind.
Bei einer Führung über die gepflegten Anlagen wurde uns auch ein Klassenraum gezeigt, in dem lauter taktile Modelle mit Braille- und Schwarzschriftbeschriftung zu finden waren. Diese hatte ein Lehrer selbst gebaut um seinen Unterricht für die Schüler:innen „begreifbarer“ zu gestalten.

Vielen herzlichen Dank an alle, die unser Spendenprojekt unterstützt und uns bei dieser Reise begleitet haben. Und einen riesigen Dank an Lydia für die unglaubliche Unterstützung bei der ersten Spendenaktion. Diese könnt Ihr unter Blindenstöcke für Togo nachlesen.

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Blindenstöcke für Togo

Ende 2018 schrieb Jasmin in blinde Menschen in Togo über einen Besuch in einem Blindenzentrum und die Situation blinder Menschen. Daraufhin haben wir zu einer Spendenaktion für Blindenlangstöcke aufgerufen. Im Beitrag Freiwilligenjahr in Togo beschreibt sie ihren dortigen Alltag als freiwillige Helferin mit Sehbehinderung.
Die Spendenaktion für Blindenstöcke war erfolgreich. Darüber schreibt Jasmin heute.
Zunächst einmal einen herzlichen Dank an alle Spender und Spenderinnen. Ich denke das Ergebnis von 625,50 Euro hat nicht nur Lydia und mich sehr positiv überrascht. Zudem wurden noch acht gebrauchte Langstöcke und Ersatzteile gespendet was echt toll ist! Insgesamt konnten von den Spenden 30 Klapplangstöcke mit Rollspitze gekauft werden. Da diese von den Besuchern von Togo-Freiwilligen mit nach Togo genommen wurden (noch mal ein riesen Dankeschön an euch!) entstanden keine großen Ausgaben für den Versand.
Der Übergabe selbst ging ein Besuch am Vortag vorraus, wo ich dem Ehepaar Moore, welches das Zentrum leitet, sowie einigen Lehrern einen der Langstöcke zeigte und wir den Ablauf der Übergabe besprachen. Alle waren unglaublich erfreut und sehr dankbar, vor allem da sie auch nicht mit so vielen Langstöcken und « sogar mit Rollspitze » gerechnet hatten.
Wir vereinbarten, dass die älteren Schüler des Zentrums welche auf eine handwerkliche Tätigkeit vorbereitet werden und auch wenn, nur sehr abgenutzte Langstöcke hatten, die verbleibenden Langstöcke erhalten. Ihre abgenutzten werden dann im Zentrum für das Mobilitätstraining mit jüngeren Schülern genutzt, die einen «noch nicht ganz so verantwortungsvollen Umgang mit den Langstöcken zeigen» würden. Zudem durfte ich den Unterricht besuchen, was mir bei dem letzten Besuch aufgrund der Ferien nicht möglich gewesen ist. Die Schüler befanden sich gerade in den jährlichen Prüfungen und schrieben in den jüngeren Klassen mit Griffel und Schreibtafel. Diese Klassen umfassen jeweils etwa zehn Schüler. Die Klasse deren Unterricht beziehungsweise Prüfung ich besuchte, wurde von einem ehemaligen Schüler des Zentrums unterrichtet, der ein geringes Restsehvermögen besitzt und durch eine Assistenz unterstützt wird. Auch einige weitere Lehrer des Zentrums sind blind beziehungsweise sehbehindert. Hilfsmittel wie meine Bloglupe erzeugten schon unter den Lehrern große Begeisterung.
Wie viele wohl mit einem passenden Hilfsmittel oder einer fachkundigen ärztlichen Behandlung besser sehen könnten? Einer der Momente wo ich wieder das zu schätzen lernte, was es in Deutschland an Hilfsmitteln aber auch an Möglichkeiten gibt. Selbst wenn auch in Deutschland nicht alles perfekt ist (wieso beispielsweise übernehmen Krankenkassen zwar die Operation von Patienten mit grauem Star aber nicht die Kosten damit dabei eine passende Linse eingesetzt werden kann, die das Sehvermögen einem Sehbehinderten ermöglichen würde, annähernd 100 % zu sehen?), so wäre es doch erstrebenswert wenn jeder Mensch wenigstens auf dieser Ebene Zugang zu medizinischer Behandlung, Hilfsmitteln und Unterstützung hätte.

Aber genug « Wunschdenken ». Ich verabredete mich mit den Schülern und Schülerinnen, denn neben Ayalas Wohngruppe gibt es noch eine weitere Wohngruppe auf einem anderen College.
Am Dienstag, den 19.03.2019 wollten wir uns nachmittags um 15 Uhr treffen, da das Zentrum am folgenden Tag für drei Wochen schließt. Mir ging es schon am Morgen sehr schlecht aber so kurzfristig ließ es sich ja nicht mehr verschieben und ich wollte die Langstöcke ja möglichst schnell übergeben. Dem entsprechend half ich zwar den Lehrern und dem Ehepaar, dass das Zentrum leitet, bei «Blinder sucht Langstock» aber konnte mich da schon kaum noch auf den Beinen halten. Lydia hatte eine gute Wahl getroffen und darauf geachtet, verschiedene Längen zu bestellen, sodass sich für jeden ein passender Langstock fand. Meistens war es wichtiger im Freudentaumel der Schüler trotzdem noch dafür zu sorgen, ihnen die Pendeltechnik weitestgehend beizubringen beziehungsweise wieder in Erinnerung zu rufen, was primär ein Lehrer übernahm.
Da ich mich, als das Gruppenbild entstand schon kaum noch auf den Beinen halten konnte und direkt im Anschluss von dem Ehepaar mit hohem Fieber ins Krankenhaus gebracht wurde, konnte ich leider nicht mehr viel mit Rebeca und den anderen Schülerinnen der zweiten WG sprechen.
Ich soll euch den Dank von allen ausrichten, eines der Mädchen hat sich, als sie den Langstock angefasst und abgetastet hatte, sogar auf den Tisch geworfen und gesagt «Gott segne euch». Auch die Lehrer und das Ehepaar Moore lassen Grüße und ihren Dank an alle Beteiligten ausrichten.

Ich wiederum habe dem Ehepaar Moore und den Lehrern für diese vielen Einblicke zu danken. Das Ehepaar Moore hat mich an diesem Abend ins Krankenhaus begleitet und sich sehr liebevoll um mich gekümmert, als es mir echt schlecht ging. Meinen herzlichsten Dank dafür.
Das größte Dankeschön geht aber immer noch an Euch raus, liebe Leser  Ihr dürft euch jetzt ruhig mal selbst auf die Schulter klopfen. Denn ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen.
Und vielen, vielen herzlichen Dank Dir, liebe Lydia und liebe Sight City Gruppe. Ohne euch wäre das nie möglich gewesen!

Anfang Mai werde ich erneut nach Kpalime fahren um fünf Langstöcke samt Ersatzteilen zu übergeben, welche im April ankommen. Dann werde ich auch die Wohngemeinschaften von Rebeca und Azala erneut besuchen und mich mit einer Freiwilligen treffen, die die Schüler im Unterricht unterstützt.

Vielen Dank, liebe Jasmin, für Deinen Bericht. Weitere Beiträge von ihr findet Ihr auf dem Blog Jasmina Balanka.
Denjenigen, die nicht mit dem Blindenlangstock vertraut sind, lege ich die Beiträge welche Blindenstöcke gibt es und Der Blindenstock in der Praxis ans Herz.

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Freiwilliges Jahr in Togo, eine Sehbehinderte erzählt

In meinem Beitrag blinde Menschen in Togo hat meine Gastautorin Jasmin über ihren Besuch in einem Blindenzentrum berichtet. Gemeinsam haben wir eine Spendenaktion gestartet. Darüber werde ich an anderer Stelle noch einmal berichtet, wenn wir die ersten Stöcke an blinde Menschen in Togo ausgegeben haben. Ich finde, dass ich das den Spendern schuldig bin, die auf mein Wort vertrauen, dass ich das mir anvertraute Geld tatsächlich für Blindenstöcke ausgebe. Dafür danke ich von Herzen. Für jetzt stellt sich Jasmin vor, und berichtet über ihr Freiwilligenjahr in Togo.

Ich heiße Jasmin, bin 18 Jahre alt und habe letzten Sommer mein Abitur mit der Note 1,5 an einer Regelschule abgeschlossen. Mit Brille sehe ich auf dem einen Auge 5% und auf dem anderen 10% von dem eines Normalsehenden. Zudem bereitet mir das Sehen bei Nacht Probleme. Während der Vorbereitungen für das Abitur ist mir eine erneute deutliche Sehverschlechterung aufgefallen. Und so habe ich nach langer Überlegung einen Antrag auf einen Blindenlangstock und einem Mobilitätstraining gestellt. Zudem habe ich angefangen mich mit dem Thema Sehbehinderung und Blindheit erstmals ernsthaft auseinanderzusetzen. Bisher kannte ich keine anderen Menschen mit einer Sehbehinderung. Und ich hatte stets das Bestreben, in der Schule und im Alltag dieselben Leistungen wie meine normalsehenden Mitschüler zu erbringen. Mit Blocklupe, Monokular und Tablet war ich gut ausgestattet, weshalb eine Sonderpädagogin einer Blinden- und Sehbehindertenschule auch nur etwa einmal pro Jahr kam um den Nachteilsausgleich zu klären. Anstatt im Januar endlich mit dem Lernen fürs Abitur anzufangen, suchte ich im Internet nach Angeboten für einen Freiwilligendienst auf dem afrikanischen Kontinent. Wieso Afrika? Weil mich dieser Kontinent schon seit der Grundschule fasziniert hat. Ein Freiwilligendienst erschien mir als die beste Möglichkeit eine andere Kultur kennen zu lernen. Insbesondere da man in einer Gastfamilie lebt und nicht wie im Urlaub oder als Auslandsaufenthalt über die Arbeit, vom Lebensalltag und den Problemen der Menschen abgeschirmt ist. Aber ehrlich gesagt auch aus Angst, dass die Augen noch schlechter werden und es zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr so unproblematisch möglich sein könnte.
Meine Bewerbung schrieb ich für verschiedene Stellen in Ghana, erwähnte meine Sehbehinderung jedoch nur sehr vage in der Aussage, dass ich zu schlecht sehen würde, um einen Führerschein zu haben. Genauer nachgefragt wurde nicht mehr. Auch nicht, als für das Gesundheitszeugnis angegeben werden musste, dass bei mir der Verdacht auf Zapfen-Stäbchen-Dystrophie vorliegt.

Letztendlich kam die Zusage, verbunden mit der Frage, ob ich mir nicht auch vorstellen könne, in einem Bildungszentrum in Togo zu arbeiten. Da ich währenddessen in der Oberstufenbibliothek, die eine Freundin und ich zusammen aufgebaut und weitestgehend selbstständig geleitet haben, arbeitete, passte es sehr gut. Zumal ich mehrere Praktika in Büchereien gemacht hatte und die Bestätigungen, neben einem Nachweis über meine Kenntnisse in Französisch der Bewerbung beigefügt hatte.
Ich als einzige ausländische Freiwillige in Balanka. Das Dorf hat etwa 8000 Einwohner, verfügt über eine Krankenstation, sowie Schulen bis zur 10. Klasse und liegt im Norden Togos, an der Grenze zum Nachbarland Benin. Die Menschen leben neben ihren Berufen wie Lehrerin, Motoradtaxifahrer, Händlerin und Schneiderin vor allem von der Landwirtschaft. Balanka hat seit dem Jahr 2014 Strom und ist sehr aktiv um seine Weiterentwicklung bemüht. Dies wird durch einen Verein aus Deutschland unterstützt.
Ich arbeite zusammen mit einem hauptamtlichen Bibliothekar und einem togolesischen Freiwilligen in der Bibliothek, die durch den Verein «Bildung für Balanka» errichtet wurde. Die Bibliothek bietet den Verleih von Schulbüchern an. Die Schüler kommen zum Hausaufgaben machen und Lesen üben zu uns. Zudem werden beispielsweise Computerkurse, ein Theater- und Englischclub angeboten. Da die Bibliothek über Solarstrom verfügt, ist sie besonders bei Stromausfällen gut besucht.

Ich lebe in einer Gastfamilie in Balanka, wohne allerdings im Gästehaus der Leiterin des Vereins. Dies hat vor allem Platzgründe, da die Gastfamilie sehr groß ist. Den Großteil meiner Freizeit verbringe ich auf dem Hof der Familie, sodass ich meist nur zum Wäsche waschen oder putzen ins Gästehaus gehe. Ich habe zwei sehr liebevolle Gastmütter und insgesamt 14 Gastgeschwister, bei zweien handelt es sich allerdings auch schon um Enkelkinder. Mein Gastvater Batchene hat früher als Busfahrer gearbeitet und bewirtschaftet jetzt seine Felder. Seine Frau Mommy betreibt abends eine Cafeteria und verkauft morgens Wetau, fermentierten Maisbrei.
Mit meiner gleichalten Gastschwester Samsia gehe ich jeden Samstag joggen, mit den jüngeren Geschwistern spiele ich oft auf dem Hof.
Das Leben in Balanka ist für mich recht unkompliziert, die Wege sind kurz und weitestgehend eben. Es ist auch nicht allzu schlimm, jemand auf der Straße nicht zu erkennen. Ich grüße, wie hier üblich, jeden und der Smalltalk auf der Straße in Balanka ist, egal ob zwischen Bekannten oder Freunden, ziemlich identisch.
Einige Barrieren bestehen für mich hier in Togo nicht mehr. So gehe ich immer mit meinen Gastgeschwistern zum Markt. Wenn man etwas sucht, kann man fragen und ein Kind kann einen sicher zu dem gesuchten Ort oder Produkt führen. Auch die Wege sind hier deutlich kürzer und weniger verkehrsbelastet als von Deutschland gewohnt. Dies liegt aber primär daran, dass es sich um ein Dorf handelt. In einer Großstadt wie Lome oder Sokode kann ich kaum alleine eine Straße überqueren, ohne dass es lebensgefährlich ist, da der Verkehr, besonders aufgrund der vielen Motorräder für mich absolut nicht einschätzbar ist.

Für mich ist das Jahr in Togo schon nach den ersten vier Monaten eine wunderbare und unglaublich interessante Erfahrung. Ich habe Einblicke in das Leben vieler Menschen bekommen, neue Freunde gefunden und auch eine neue Sichtweise auf das Thema Entwicklungspolitik. Und wie mein Freund vor dem Abflug schon ankündigte, so habe ich auch meine Sehbehinderung noch mal auf eine neue Art kennen gelernt.

Danke Dir, liebe Jasmin, für den Einblick in Dein Leben in Togo und Deine Arbeit. Wenn Euch, liebe Leser, dieser Bericht gefallen hat, dann drückt doch einmal auf gefällt mir, oder hinterlasst ein paar Worte für Jasmin, die hier mitliest.

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Blinde Menschen in Togo

Jasmin ist sehbehindert. Sie absolviert ein freiwilliges Jahr in Togo. Als sie mir kürzlich erzählte, dass sie einen Besuch in einer Einrichtung für blinde Schüler besuchen wird, bat ich sie um einen Gastbeitrag, der die Situation und die Bildungsmöglichkeiten in diesem Land beschreibt. Hier also der Erfahrungsbericht, den sie mir geschickt hat.

Blindheit und Sehbehinderung in Togo

Tick, Tick, da höre ich es plötzlich. Unerwartet an der Busstation in Kpalimé, wo meine Gastschwester und ich auf die Abfahrt des Kleinbusses nach Hause warten. Da ich selbst sehbehindert bin, hat es mich natürlich schon von Beginn meines Freiwilligendienstes an interessiert, wie Blinde und Sehbehinderte in Togo leben, welche Hilfsmittel sie nutzen und welche Berufe für sie möglich sind. Nachdem ich im Voraus von einer Schule in Kpalimé gelesen hatte, in welcher Blinde Menschen im Regelschulunterricht durch freiwillige Helfer unterstützt wurden, hatte ich gehofft über die anderen Freiwilligen vielleicht mehr erfahren zu können oder die Schule während der Seminare in Kpalimé selbst zu finden. Leider wusste auch bei unserer Partnerorganisation niemand etwas darüber. Und von Balanka aus, einem kleinen Dorf im Norden Togo, gestaltete sich die Suche für mich etwas schwieriger. So erfuhr ich zwar dass es in Sokode, der zweitgrößten Stadt Togos, ein Zentrum für Blinde und Sehbehinderte gebe, in welchem sie Handwerksberufe erlernen könnten um ihren Lebensunterhalt nicht mit betteln verdienen zu müssen, wagte es jedoch nicht, dort auf gut Glück vorbeizukommen. Eine ältere Frau die erblindet ist, begegnete mir im Dorf, wobei sie von ihrer Enkeltochter geführt wurde. Einen Langstock oder ähnliches hatte sie nicht dabei.
Nach knapp vier Monaten traf ich dann zufällig Ayala an der Busstation. Er war mit Langstock und in Begleitung eines Schulfreunds unterwegs. Im Gespräch war er sehr offen, er erzählte, dass er 2011 nach seiner Erblindung aus Benin nach Kpalimé (Togo) gezogen sei, da sich dort ein Zentrum für sehbehinderte und blinde Menschen befinde. Auch von seiner Schule erzählte er, an der neben ihm noch sechs weitere Blinde bzw. Sehbehinderte unterrichtet werden. Schon damals fiel mir sein Langstock auf. Nicht nur die, wie er mir zeigte, fehlende Spitze, sondern auch das ausgeleierte Gummiband, welches die einzelnen, teils verbogenen Teile des Faltstocks miteinander verbindet.

Jasmin steht mit 7 blinden Schülern einer WG im Eingangsbereich der Wohnung
Jasmin steht mit 7 blinden Schülern einer WG im Eingangsbereich der Wohnung

Centre des aveugles de Kpalimé

Kennen Sie das„Centre des aveugles de Kpalimé“?“ frage ich knapp eine Woche später den Motofahrer. Er bejahte und nachdem wir den Preis für die Fahrt ausgehandelt hatten, ging es los. Ich war auf dem Weg zu dem Zentrum, in dem Ayala die Brailleschrift und den Umgang mit seinem Langstock erlernt hat. Als wir dort angekommen sind, konnte ich es kaum glauben, ein riesiges Gelände mit grüner Rasenfläche und verschiedenen Gebäuden lag vor mir. Ein Lehrer des Zentrums sprach mich an und bestätigte dass ich hier richtig sei. Die Aufschrift am Tor und am ersten Gebäude konnte ich ja selbst nicht erkennen. Er begleitete mich zu einem freundlichen Ehepaar aus den USA, welches das Zentrum im Auftrag der Organisation ABWE (Assiociation for World Evangelism) betreibt. Das Zentrum, eine von etwa fünf Schulen für Sehbehinderte und Blinde in Togo, besteht seit 44 Jahren und wird neben Spenden verschiedener Organisationen (z.B. Lions Club einmal jährlich) auch durch eine Boutique finanziert, in der neben den Arbeiten regionaler Künstler insbesondere Produkte von blinden Handwerkern verkauft werden. Diese entstehen entweder während der Ausbildung im Zentrum oder über eine spätere Zusammenarbeit. So sind dort neben selbst hergestellter Seife, Kreide und Babypuder auch Stühle und Hocker (jeweils mit gewebter Sitzfläche) und verschiedene weitere Einrichtungsgegenstände von blinden bzw. sehbehinderten Handwerkern zu kaufen.
Im Zentrum leben momentan etwas mehr als 60 Schüler im Alter zwischen 6 und 40 Jahren. Die Schulgebühr von 20.000 CFA (etwa 31 Euro) decke niemals die Ausgaben für ein ganzes Jahr. Diese kleine Eigenbeteiligung kann auch durch Felderträge geleistet werden, wodurch gleich ein Teil der Ausgaben für die Verpflegung der Schüler gedeckt würde, die auch für ärmere Familien möglich ist. Die Schulgebühr beträgt in Togo normalerweise für Mädchen etwa 8.000 CFA und für Jungen etwa 10.000 CFA pro Jahr. In einem Garten lernen alle Schüler den Anbau von Lebensmitteln, welche primär den Eigenbedarf der Schule decken. Schüler, welche nicht vollblind sind, lernen zudem zu kochen. Ihre Zimmer müssen die Schüler selbst sauber halten und auch um das Waschen ihrer Wäsche kümmern sie sich selbst. In Togo ist das so üblich. Auch meine Gastgeschwister waschen ihre Wäsche Großteils selbst, helfen beim Putzen, beim Kochen oder machen den Abwasch. Das Zentrum bietet Kindergarten und die ersten sechs Schuljahre in Form eines Internats an. Im Kindergarten, der eher mit der Vorschule in Deutschland vergleichbar ist, wird begonnen, den Kindern die Brailleschrift beizubringen. Auch ältere, neu hinzu gekommene Schüler beginnen im Kindergarten, um die Brailleschrift zu erlernen. Dabei wird nicht zwischen sehbehinderten Schülern, deren Sehrest genutzt werden könnte, und vollblinden Schülern unterschieden.
In der Schule werden alle Bücher und Arbeitsblätter in Brailleschrift übertragen bzw. angefertigt. Außer dem regulären Schulunterricht st
ehen auch der Umgang mit dem Blindenlangstock und Lebenspraktische Fähigkeiten auf dem Lehrplan. Diese sind vor Allem für die Personen wichtig, die noch nicht so lange blind sind.
Neue Schüler erfahren oft durch Krankenhäuser von dem Zentrum, zudem wird vor Schuljahresbeginn Werbung in verschiedenen Radiosendern gemacht. Lehrer besuchen dann potentielle Schüler, von denen das Zentrum auch oft durch christliche Gemeinden, mit denen es zusammen arbeitet, erfährt. Nur wenige Schüler entscheiden sich nach dem sechsten Schuljahr für den Besuch einer weiterführenden Schule bzw. schaffen es bis zum Abitur. Ebenso wie ältere Schüler des Zentrums absolvieren sie stattdessen eine Ausbildung im Zentrum, wo sie neben den praktischen Fähigkeiten auch Kenntnisse im Aufbau und in der Führung eines Geschäfts erwerben.
Von ihren erlernten Berufen können viele ehemalige Schüler gut leben und haben oft eine eigene Familie. Einige ehemalige Schüler gehören inzwischen auch zu den 27 Angestellten des Zentrums, unter anderem drei Lehrer und einige G
ärtner. Zudem besteht, wie bereits erwähnt, eine Zusammenarbeit mit einigen Handwerkern.
Den Unterricht konnte ich leider nicht besuchen, da die Weihnachtsferien bereits begonnen hatten. Stattdessen habe ich das Magazin gesehen. Einen Raum in dem sehr günstige Lesebrillen verschiedener Stärken verkauft werden. Auch wurden mir dort die Langstöcke gezeigt, welche in Ghana gekauft werden und nicht nur an die Schüler ausgegeben sondern auch an eine Blindenschule in Benin weiterverkauft würden. Diese Faltstöcke hatten außer dem Name
n nicht mehr viel mit meinem eigenen Langstock zu tun. Sie gingen mir etwa bis zur Hüfte, waren oft schon verbogen und das Gummiband, welches die Teile miteinander verband, schaute an einem Ende raus, damit die nötige Spannung überhaupt zustande kam. „Es gibt leider keine anderen zu kaufen, das sind die einzigen die wir bekommen können, nachdem eine bekannte, größere Hilfsorganisation die Sachspenden an das Zentrum eingestellt hat“, so der zuständige Lehrer. Selbst für mich mit Sehrest ist es ehrlich gesagt schwer vorstellbar, sich auf einen so miserablen Stock wirklich blind verlassen zu müssen.

Die WG und das „Collège Polyvalent Saint Esprit“

In Kpalimé gibt es 17 sehbehinderte bzw. blinde Schüler auf zwei der weiterführenden Schulen. Ayala hatte mich in seine Schule eingeladen, wo ich auch den Unterricht besuchen durfte. Er ist mit zwei weiteren Blinden und einem Sehbehinderten in der Terminale, dem letzten Schuljahr der gymnasialen Oberstufe. Im Unterricht arbeiten die vier Schüler, welche alle zuvor im Zentrum gelebt hatten, mit Schreibtafel und Griffel. Der Lehrer liest alles vor, was er an die Tafel schreibt und gewährt dadurch, dass alle Schüler wissen was dort steht. Bei kleineren Unsicherheiten beim Mit- oder Abschreiben hilft notfalls der Banknachbar. Auch die Arbeitsblätter werden in Braille vorgelegt. Oft gäbe es zudem eine Freiwillige, die die Schüler begleite und die Hausaufgaben für den Lehrer aus der Brailleschrift übersetze. In den Klausuren nutzen die Schüler normale Schreibmaschinen, sodass keine Übersetzung für den Lehrer nötig ist. In der Schule sind die Lehrer die einzigen Ansprechpartner für die Schüler, das Zentrum ist nicht mehr für sie zuständig. So haben sich die vier, zusammen mit den drei jüngeren, ebenfalls sehbehinderten oder blinden Schülern, selbst um eine Wohnung in der Nähe der Schule gekümmert. Ein Schulfreund, der Ayala auch schon bei unserem ersten Treffen begleitet hat und der Schüler, der sehbehindert ist, allerdings noch deutlich mehr sieht als ich, fuhren ihre Mitschüler nach Hause. Die Langstöcke, welche sich alle in einem ähnlich wenn nicht sogar deutlich schlechteren Zustand wie dem von Ayala befinden, dienen dabei primär um den Straßenrand oder den Abstand zur Mauer dauerhaft zu erspüren. Da keiner der Langstöcke (mehr) über eine Rollspitze verfügt, wäre es für sie kaum möglich die vielen Unebenheiten und Löcher in der Straße mit dem Stock wahrzunehmen.
In der WG lernte ich die drei anderen Schüler kennen. Sie kochen gemeinsam und sind komplett selbst für sich verantwortlich. Auf die Frage wie es nach dem Abitur für ihn weitergeht, antwortet mir Ayala: „Ich will in Lomé Philosophie studieren. Hoffentlich habe ich dann einen Computer, während des Studiums gibt es viel zu lesen“. Weitere mögliche Berufe seien Lehrer, Jurist oder Verwaltungsangestellter.

Alle waren sehr offen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Jedoch war ich sehr überrascht zu erfahren, dass auch Célestin, der sowohl die Schrift an der Tafel, als auch seine eigene Handschrift noch lesen kann, im Unterricht in Braille schreibt. Er hat diese wie alle anderen im Zentrum gelernt und nutzt diese seitdem ebenfalls dauerhaft. Im Gegensatz zu dem Versuch den Sehrest zu nutzen, wird dieser bei den Sehbehinderten des Zentrums nicht beachtet, und alle Blinden und Sehbehinderten gleich unterrichtet.

Stöcke, so wie sie in Togo erhältlich sind
Stöcke, so wie sie in Togo erhältlich sind

Danke liebe Jasmin für den beeindruckenden Erfahrungsbericht. Als ich diesen gelesen habe, ging mir durch den Kopf, dass es doch möglich sein sollte ein paar intakte Blindenstöcke an das Blindenzentrum zu spenden. Also habe ich recherchiert, und einen günstigen, straßentauglichen Blindenstock gefunden, der für ca. 20 € zu haben ist. Vielleicht bekomme ich ein paar Leute zusammen, die Geld für diesen Blindenlangstock erübrigen können. Geplant ist diese Stöcke dann gesammelt im Februar über Jasmin nach Togo zu schicken. Anschließend habe ich einen Moneypool über Paypal eingerichtet, um die Spenden zu sammeln. Wer kein Paypalkonto hat, und sich beteiligen möchte, kann mich direkt anschreiben. Wir finden dann eine andere Lösung.