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Blinde Eltern und Gesundheit

BLOGBEITRAG LYDIAS WELT

Blinde Eltern und Gesundheit

Als Kind hatte ich große Angst vor Spritzen. Diese taten weh, und die Ärzte, mit denen ich meine ersten Erfahrungen machte, redeten nicht mit mir. Warum das so war, das weiß ich heute nicht mehr. Fakt aber war, dass ich eine riesengroße Angst bekam, wenn eine Impfung oder eine andere Art von Spritzen anstand. Tröstlich war, dass manche Ärzte mich damit köderten, dass ich eine Einwegspritze mit nach Hause nehmen konnte. Diese stellte einen unglaublichen Schatz dar. Und je größer diese war, desto mehr Wasser passte hinein. Und das entschädigte mich für den Schmerz. Als meine Kinder klein waren, war das Thema Impfen eines der meist diskutierten Themen in meinem Freundeskreis. Eine meiner Freundinnen, deren jüngstes Kind so alt war wie meine Tochter, bekannte sich offen dazu, dass sie ihre Kinder nicht impfen ließ. Ich selbst hatte anfangs gar keine Meinung dazu. Tatsächlich werden sowohl die Risiken als auch die Impfschäden meist überschätzt. Impfstoffe werden ja heute strengen Sicherheitskontrollen unterzogen, bevor sie zugelassen werden. Ich kannte es aus meiner Kindheit, dass meine Geschwister und ich alle möglichen Kinderkrankheiten hatten, und diese überlebten. Und danach hatte ich mich einfach zu selten mit der Thematik befasst. Meine Mutter hatte sich während meiner Kindheit darum gekümmert und später kümmerte ich mich um die Impfungen, die mein Hausarzt für notwendig hielt. Natürlich setzt das ein großes Vertrauen voraus.

Bei der Geburt meines ersten Kindes bekam ich das obligatorische Untersuchungsheft nebst Impfpass. Und jetzt begann ich mich damit auseinanderzusetzen. Ich wollte wissen, warum diese oder jene Impfung Sinn machte. Einen Verbündeten fand ich in unserem Kinderarzt, der mir mit einer Engelsgeduld meine Fragen beantwortete und mir die Angst vor den so gefürchteten Impfschäden nahm. Er half mir die Vorteile und meine Bedenken abzuwägen.
Außerdem genoss ich den Luxus, dass die Praxis uns anrief, sobald ein weiterer Impftermin anstand. Das war für mich eine große Erleichterung.

Als Mutter ist mir ein Schutz vor Krankheiten wie z.B. Masern oder Pneumokokken wichtig.

Ich schütze damit nicht nur meine eigenen Kinder, sondern trage durch die Impfung dazu bei, dass bestimmte Krankheiten ausgerottet werden.

Neben den empfohlenen Vorsorgemaßnahmen wie Impfen und U-Untersuchungen gab es noch weitere Maßnahmen, die für mich wichtig waren. Meine Kinder wurden beide gut ein halbes Jahr voll gestillt. Dann erst begann ich, pro Monat eine Mahlzeit durch Babynahrung zu ersetzen. Ich hatte Freude daran, diese selbst zuzubereiten. So wusste ich auch immer, was drin war. Ich nahm von Zeit zu Zeit ein weiteres Gemüse oder Obst dazu, um zu schauen wie meine Kinder darauf reagierten. Das war wichtig, um Allergien oder Unverträglichkeiten zu erkennen. Außerdem gehörten Spielen an der frischen Luft und ein halbwegs strukturierter Tagesablauf zu meinem Alltag mit Baby und Kleinkind.

Ein ganz großes Thema im Haushalt von blinden Eltern ist die Angst vor Gefahrenquellen, wie z. B. Putzmittel oder Verbrennen an heißen Herdplatten. So zumindest suggerierte mir das mein sehendes soziales Umfeld. Aber das kann man mit ein bisschen Kreativität lösen. Mein Korb mit den Reinigungsmitteln stand auf einem Regal, welches sich in zwei Meter Höhe befand, und auch für mich nur mit einer Trittleiter erreichbar war. Ich gewöhnte mir an, hauptsächlich auf den hinteren Herdplatten zu kochen. Da kamen meine Kinder nicht dran. Tja, und den Griff der Küchentür drehte ich um 90 Grad. Damit konnten meine Kinder die Tür nicht alleine öffnen. Im Übrigen eignet sich diese Methode auch hervorragend dazu, Katzen oder Hunden den Zutritt zu verwehren. Außerdem machen Kinder immer irgendein Geräusch. Nur wenn es mal ganz leise wird, sollte man doch mal nachschauen gehen. Erst recht, wenn es sich um mehrere Kinder handelt. Das mal so als Faustregel.

Blinde Eltern sind in erster Linie Eltern. Die Sehbehinderung sagt nichts über ihre Eignung als Eltern aus. Dennoch werden wir gern in die Schublade von Defizitäreltern gesteckt. Dabei machen sich werdende Eltern mit einer Behinderung meist mehr Gedanken über ihre Aufgaben als nicht behinderte Eltern. Denn das Leben mit Kind und einer Behinderung erfordert eine ganze Menge an Eigeninitiative und Kreativität. Erst recht, wenn wir unseren Kindern ein normales Leben ermöglichen wollen. Dazu kommen die ständigen Kämpfe gegen Vorbehalte gegenüber Eltern mit einer Behinderung, denen wir uns immer wieder stellen müssen.
In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns doch etwas von anderen Familien. Genauer betrachtet sind wir aber am Ende alle gleich: Wir tun alles dafür, dass unsere Kinder gesund aufwachsen. Und das wiederum haben wir mit all den Familien gemeinsam, die Wert auf ein gesundes Aufwachsen ihrer Kinder legen. Unter dem #ungleichgleich könnt ihr unterschiedliche Familien kennenlernen, die sich auch mit dem Thema Impfen auseinandersetzen. Weitere Informationen zum Impfen findet ihr auf www.wirfuersimpfen.de/ungleichgleich.

Mit freundlicher Unterstützung von Pfizer.

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Allgemein Sport und Freizeit

Als ich versuchte, in einem Fitnessstudio zu trainieren

Januar 2016. Meine Kinder, 15 und 16 Jahre alt, lagen mir damit in den Ohren, ins Fitnessstudio gehen zu dürfen. Also ging ich mit und regelte den Vertrag für meine noch minderjährige Tochter. Da ich ebenfalls Lust bekam, mich körperlich zu betätigen, vereinbarte ich einen Termin für ein eigenes Probetraining. Hier wurde mir alles gezeigt. Auch konnte ich die einzelnen Geräte ausprobieren. Dabei stellte ich fest, dass Fahrrad, Laufband und Zirkel für mich ohne fremde Hilfe zugänglich waren. Ich könnte also selbständig Sport treiben, ohne dass ich Hilfe beim Einstellen der einzelnen Geräte brauchte. Das ist nicht unbedingt der Standard. Viele Geräte lassen sich nur noch über den Bildschirm bedienen. Das einzige, was hier über Bildschirm lief, war der Timer. Und den konnte ich mir selbst mitbringen. Wozu gibt es schließlich Organizer mit Sprachausgabe, sprechende Uhren mit Timerfunktion oder Smartphones, die eine Sprachausgabe haben?
Mit der Trainerin vereinbarte ich einen zusätzlichen Termin, der unter realen Bedingungen stattfinden sollte. Im Klartext hieß das, dass ich selbständig in die Umkleide und an die mir bekannten Geräte ging. Das war alles kein Thema. Das einzige, was nicht ordentlich ausgeführt wurde, waren zwei Übungen, die die Trainerin bei mir korrigierte. Dasselbe tat sie auch bei anderen Trainierenden. Nachdem ich mich wieder umgezogen hatte, meinte sie, dass es von ihr aus kein Problem gäbe, da sie gesehen habe, dass ich mich gut zurechtfinde. Die Entscheidung über meine Aufnahme müsse jetzt der Inhaber treffen.
Da ich das für eine reine Formsache hielt, meldete ich mich zwischendurch, wurde jedoch vertröstet. Man konnte den Inhaber noch nicht fragen. Und so gingen ca. zweieinhalb Monate ins Land, ohne dass ich ein Ergebnis hatte.

Es war Mitte April als ich über Facebook einen Artikel über Diskriminierung teilte. Hier gab ich den bisherigen Verlauf als mein persönliches Erlebnis zu dieser Thematik wieder. Irgendjemand aus meiner Freundesliste teilte das dann in einer regionalen Facebookgruppe. Und hier löste das eine Diskussion zum Thema Gleichbehandlung aus. Daraufhin wurde die Frage an das Fitnessstudio herangetragen. Ein Anruf der Trainerin informierte mich darüber, dass der Inhaber zwar zugestimmt habe, die Versicherung jedoch noch prüfen müsse, ob das so in Ordnung sei. Denn schließlich sei ich die erste Kundin mit einer Sehbehinderung, die sich bei ihnen anmeldete. Und da ich keine Ahnung von der Materie hatte, akzeptierte ich das. Schließlich glaubte ich bis dahin noch immer an die Formsache.
Das war erst mal das letzte, das ich von dem Fitnessstudio hörte. Und da ich im Sommer am Fuß operiert wurde und an Sport nicht zu denken war, kümmerte ich mich nicht weiter drum.
Irgendwann im August suchte ich über eine regionale Gruppe in Facebook nach einer Laufbegleitung. Ich erwähnte beiläufig, dass sich meine Anmeldung im Fitnessstudio meiner Wahl wohl erledigt habe. Denn solange braucht keine Versicherung, um eine Entscheidung über eine Mitgliedschaft zu treffen.
Es war Ende November als mein Mann und mein fast 16jähriger Sohn ebenfalls dort hingingen. Mein Sohn wollte dort ebenfalls trainieren. Als mein Mann fragte was nun aus meiner Mitgliedschaft geworden sei, teilte man ihm mit, dass die Versicherung negativ beschieden hätte. Man habe mich informiert und ich hätte gesagt, dass sich das bereits erübrigt habe.
Also, dass ich dort nicht einfach so trainieren konnte, damit hatte ich mich abgefunden. Wer mich nicht will, der hat mich auch nicht verdient. Aber dass mir etwas in den Mund gelegt wurde, dass ich gar nicht gesagt habe, wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass man sich hier hinter versicherungsrechtlichen Floskeln versteckte.
Ich schilderte unserem Bürgermeister die Geschichte, der mir versprach nachzuhaken. Auf seine schriftliche Nachfrage erklärte das Fitnessstudio, es schließe mich nicht aus. Ich sei willkommen, sofern ich eine Sondervereinbarung unterschreiben würde. Außerdem räumte man ein, dass man mein Desinteresse aus Facebook bezogen habe. Ich war erst mal sprachlos.

Unser Bürgermeister wollte der Sache auf den Grund gehen, und Lud die Trainerin, den Inhaber des Fitnessstudios und mich zu einem persönlichen Gespräch ein. Hier bestand der Inhaber auf eine Sondervereinbarung, welche er auch gleich vorlegte. Er erklärte, dass man keine Kapazitäten habe, jemanden abzustellen, der mich die ganze Zeit herumführen könne. Und Gäste lassen auch schon mal was am Boden liegen. Unser Bürgermeister erklärte dem Inhaber, dass diese Haltung absolut diskriminierend sei. Und wenn die Versicherung nach wie vor darauf besteht, dann sollte er sich doch einen kompetenteren Versicherungsberater suchen. Denn schließlich würde man andere Trainierende auch nicht fragen, ob sie regelmäßig trinken, unter Wahrnehmungsstörungen leiden oder auch mal unvorhergesehen umfallen. Stattdessen stellt man mich auf eine Stufe mit einem Kind unter 16 Jahren, welches nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen trainieren darf.
Als sich die Presse dieses Themas annahm, bekam ich einen Anruf vom Fitnessstudio. Der Inhaber erklärte er, dass ich doch mit einem meiner Kinder trainieren könne. Alternativ würde man versuchen, mir eine Aufsicht zur Seite zu stellen. Beides lehnte ich aus Prinzip ab. Weder sind meine Kinder für mich verantwortlich, noch unterliege ich einer Aufsichtspflicht.
Als der Presseartikel erschien, bekam ich einen Anruf. Ich könne sofort anfangen, dort zu trainieren. Aber inzwischen wollte ich das nicht mehr.
Dieses Fitnessstudio kommt künftig nicht mehr für mich in Frage. Denn ich werde mein Geld ganz sicher nicht in einer Einrichtung ausgeben, welche Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung hat und sich hinter versicherungstechnischen Floskeln versteckt. Ich habe sehr schnell zwei Einrichtungen gefunden, die mich sofort zu einem kostenlosen Probetraining eingeladen haben. Beide hatten kein Problem damit, mich ohne irgendwelche Sondervereinbarungen trainieren zu lassen.
Im Übrigen steht nirgendwo geschrieben, dass jemandem aufgrund seiner Einschränkung die Mitgliedschaft verwehrt werden darf. Alle Welt spricht von Inklusion und Gleichbehandlung. Und dennoch tauchen immer wieder Fälle in den Medien auf, wo Menschen mit einer Behinderung der Zutritt ins Schwimmbad, Fitnessstudio oder Sauna verwehrt wird. Angeblich weil diese eine höhere Eigengefährdung oder Fremdgefährdung darstellen. Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen, die solche Entscheidungen treffen, kaum Berührungspunkte mit unserem Personenkreis haben. Und hier gibt es die rechtlichen Grundlagen dazu, die ich der Seite von RBM, Rechte behinderter Menschen, entnommen habe.
Mir geht es nicht darum, die Geschichte von der armen Blinden und dem bösen Fitnessstudio zu erzählen. Mir geht es vielmehr darum, anhand dieses konkreten Beispiels zu erklären, dass auch Menschen mit einer Sehbehinderung erwachsen werden und genauso auch behandelt werden möchten. Wenn also ein blinder Mensch durch ein Fitnessstudio läuft, dann hat er genau zwei Optionen. Entweder sein Sehrest ist ausreichend, um Gegenstände am Boden auszumachen und sie zu umlaufen, oder er nimmt einen Blindenstock in die Hand, mit dessen Hilfe er nicht darüber stolpert. Von einem erwachsenen Menschen erwartet man, dass er für sich selbst die Verantwortung trägt. Und das gilt auch für sehbehinderte Menschen. Oder würde man bei einem normal sehenden anders verfahren, nur weil er mal in die Luft geschaut hat und über eine herumliegende Hantel gestolpert ist? Ich glaube nicht!

Ich lade alle ein, in den Kommentaren über diesen Artikel zu diskutieren.