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Blind ein Glas Wasser einschenken

In meiner Herkunftsfamilie wuchs ich mit dem Wissen auf, dass ich aufgrund meiner angeborenen Blindheit viele Dinge nie allein machen würde. Und wenn ich doch mal in meiner kindlichen Neugierde etwas ausprobierte, wurde ich mit Argusaugen beobachtet. Und allein das Wissen darum kritisch beobachtet zu werden, ließ mich unsicher werden. Und so kam es dazu, dass ich beim Einschenken, in ein Glas, Flüssigkeit verschüttete, oder andere Fehler machte. Es verhielt sich so wie bei den sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Es dauerte lange, bis ich meinen Frieden damit machen konnte. Ich mache meinen Eltern damit keinen Vorwurf. Ich war das erste blinde Kind, welches sie kannten. Und eben das wollten sie vor möglichst allen Gefahren dieser Welt beschützen.
Kommen wir zurück zum Glas und der verschütteten Flüssigkeit. Nicht jeder sehbehinderte Mensch gießt automatisch daneben, nur weil das Sehen nicht funktioniert. Es gibt mehrere Möglichkeiten eine Flüssigkeit sicher in ein anderes Gefäß zu befördern. Und einige davon stelle ich heute vor.
Die einfachste Möglichkeit ist den Finger in das Glas zu halten. Wenn er feucht wird, ist das Glas bis zum Finger hin gefüllt. Man kann so selbst bestimmen wie voll das Glas oder der Topf sein soll. Das funktioniert auch bei einem Messbecher, der an der Innenseite tastbare Markierungen hat.
Wenn es um einen herum leise ist, kann man auch nach Gehör einschenken. Fließt Wasser in ein leeres Glas, so klingt das anders als bei einem gefüllten Glas. Je mehr Flüssigkeit drin ist, desto tiefer klingt es. Diese Methode erfordert etwas Übung und braucht eine geräuscharme Umgebung. Am besten übt man das über dem Spülbecken oder stellt das Glas in ein größeres Gefäß.
Von einem Bekannten weiß ich, dass er das zu füllende Glas in die Hand nimmt, und anhand des Gewichts feststellen kann, ob es voll genug ist. Ich selbst habe mit dieser Methode keine Erfahrungen, würde das aber auch eher über dem Spülbecken ausprobieren.
Für Personen, die noch ein bisschen sehen können, lohnt es sich mit Kontrasten zu arbeiten. Nimmt man für eine dunkle Flüssigkeit ein helles Gefäß, oder auch umgekehrt, kann man leichter die Flüssigkeit optisch wahrnehmen.
Und natürlich darf auch hier die technische Lösung nicht fehlen. Denn es gibt Situationen, in denen ich nicht meinen Finger in die Flüssigkeit halten möchte. Sei es bei heißer Flüssigkeit, oder beim Glas eines Gastes. Dafür gibt es eine Einschenkhilfe. Sie ist auf dem Beitragsbild zu sehen. Zwei Fühler werden am Rand in das Glas gehängt. Werden diese von der Flüssigkeit erreicht, geben sie einen Ton ab. Für Nutzer, die den Ton nicht mehr so gut hören können, gibt es das gute Stück auch als vibrierende Version. Das Hilfsmittel ist Batterie betrieben, und damit auch für den mobilen Einsatz gemacht.
Kommen wir zum Einfüllen von Flüssigkeit von einem größeren in ein kleineres Gefäß. Hier nehme ich gern mal einen Trichter. Denn damit kann ich einfach besser zielen.

Mit diesen Möglichkeiten kann man sich als Mensch mit einer Sehbehinderung aussuchen, ob und welche man für sich für geeignet hält. Und natürlich steht es einem ebenso frei sich beim Einschenken helfen zu lassen. Wichtig ist hier nur, dass man die Entscheidung selbst getroffen hat.

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Abwiegen, abmessen und dosieren – so mache ich das blind

Bild: Lydia mit einem halb gefüllten und einem vollen Messlöffel.

Es ist Samstagvormittag, als ich damit beginne den ersten von zwei Kuchen zu backen. Schließlich steht heute Nachmittag ein Kindergeburtstag an. Und wie jedes Jahr gibt es bei uns eine klare Aufteilung. Während mein Mann die obligatorische Schatzsuche vorbereitet und später auch begleitet, bin ich für das Backen zuständig. Und wie die meisten Mamas liebe ich es ganz besonders, wenn mich während des Backens keiner stört oder mir im Weg steht.
Halt, Stopp, blind, und Kuchenbacken? Das heißt doch abwiegen, abmessen oder so was. Geht das? Ja, das geht. Und zwar vollkommen blind. Hier zeige ich Euch ein paar Möglichkeiten auf.

Natürlich gibt es Rezepte, bei denen man nicht viel abmessen braucht. Die sogenannten Tassenkuchen. Die liebe ich, weil sie einfach schnell gehen.

Hier ein Rezept für einen solchen Kuchen:
1 Tasse Öl, 1 Tasse Zucker, 5 Eier, 1 halbes Päckchen Backpulver und 4 Päckchen Puddingpulver. In dieser Reihenfolge zusammenrühren und anschließend ca. 45 Minuten bei 180 Grad Heißluft backen. Fertig. Wenn man ihn besonders locker haben mag, dann trennt man die Eier und schlägt das Eiweiß zu Eischnee und hebt ihn darunter.

Nun sind aber nicht alle Rezepte so einfach, dass man ohne Abwiegen oder Abmessen auskommt. Brauche ich präzise Messwerte, so gibt es Waagen, welche mit einer Sprachausgabe ausgestattet sind. D.h., dass die Waage mir sagt, wie viel Gramm ich jetzt in der Schüssel habe. Besonders schätze ich daran die Zuwiegefunktion. Und inzwischen sind sie auch erschwinglicher als vor 20 Jahren. Damals habe ich für meine 160 DM gezahlt. Heute gibt es welche für unter 30 €.
Für diejenigen, die lieber einen Messbecher benutzen möchten, gibt es auch diese mit einer Sprachausgabe. Ich selbst habe so einen allerdings noch nie benutzt. Dafür hatte ich mal einen, der eine fühlbare Markierung auf der Innenseite hatte. Damit konnte ich Flüssigkeiten wie Milch ganz gut abmessen. Das mache ich inzwischen mit Tassen, von denen ich weiß wie viel ml Fassungsvermögen sie haben.
Irgendwann habe ich Messlöffel für mich entdeckt. Diese hatte ich mir mal aus Neugierde bei einem Versand mitbestellt. Es waren 5 Löffel aus Kunststoff mit 100, 50, 15, 5 und 1 ml Inhalt. Bei den zwei größeren Löffeln befand sich in der Mitte eine fühlbare Markierung, um 50 und 25 ml abmessen zu können. Dazu gab es eine Messtabelle in Brailleschrift, die Angaben darüber enthielt wie schwer 100 ml Zucker, Mehl usw. Sind. Außerdem gab es noch eine Tabelle mit Angaben darüber wie viel ml 100 g von Zucker, Mehl usw. ergaben. Irgendwann fing ich an damit zu experimentieren.

Mit der Zeit brauchte ich die Tabelle nicht mehr, da ich die Dinge, die ich häufig brauchte, auswendig konnte. Außerdem sind Maßangaben bei Rezepten im Grunde nur Richtwerte.
Was ich nach wie vor als Herausforderung empfinde ist das Abmessen kleiner Mengen. Ich weiß noch, als eines meiner Kinder täglich inhalieren, und ich das Kochsalz abmessen musste. Die Kinder waren noch zu klein, um mir hier helfen zu können. Also brauchte ich die rettende Idee.
Ich ließ mir vom Kinderarzt eine Einwegspritze geben. Diese markierte ich mir am Kolben mit einem Küchenmesser so, dass ich fühlen konnte wie viele ml Flüssigkeit ich aufgezogen hatte. Die Flüssigkeit konnte ich somit präzise aufziehen und direkt in den Inhalator geben. Das andere Medikament konnte ich mit der Pipette hineintropfen. Das kann man hören. Und so konnte ich mir behelfen, wenn ich keine normal sehende Person in meiner Nähe hatte. Generell fand ich es einfacher Medikamente mit der Spritze aufzuziehen als mit dem Löffel zu geben. Denn dazu hätte ich drei Hände gebraucht: Eine, die den Löffel hält, eine die kontrolliert wie voll der Löffel ist, und eine die das Medikament eingießt. Und für mich, Mama mit zwei Händen, ist das ein wirkliches Problem.

Zurzeit habe ich keine sprechende Waage mehr. Irgendwann hat sie ihren Geist aufgegeben. Und seither trage ich mich mit dem Gedanken, mir eine Neue ins Haus zu holen. Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen. Und ich habe noch immer keine. So viel zum Thema Dinge aufschieben. Und irgendwie haben mir meine Messlöffel bisher ganz gut geholfen. Jedenfalls für das was ich machen muss. Und für wirklich präzise kleine Mengen, muss nach wie vor eine Einwegspritze herhalten. Doch wie heißt es so schön? Der Zweck heiligt die Mittel.