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Allgemein blinde Eltern unterwegs

Die Begleitperson muss nicht erwachsen sein

Eine Begleitperson ist für einen blinden Menschen etwas persönliches, und sollte nicht fremd bestimmt oder an Bedingungen Außenstehender geknüpft werden.

Gemeinsam mit unseren sehenden Kindern im Alter von siebzehneinhalb und fast neunzehn Jahren wollen wir eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer unternehmen. Der Reiseanbieter gewährt Menschen mit Behinderung, welche das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis haben, die kostenlose Mitnahme einer Begleitperson. Entsprechend wurden wir an der Hotline beraten. Wir buchten also für uns blinde Eltern und zwei Begleitpersonen, nämlich unsere Kinder. Für letztere würden nur noch die Kosten für den Transfer und der übliche Kleinkram anfallen. Ebenso schickten wir eine Kopie der Schwerbehindertenausweise an den Reiseanbieter, und warteten auf die Bestätigung.
Vier Tage später kam die Ernüchterung. Die Zentrale in Italien habe unsere Buchung bestätigt. Allerdings wollte man uns die Ermäßigung für eine Begleitperson nicht gewähren. Als Grund wurde angegeben, dass der Sohn das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und mich somit also nicht begleiten dürfe. Für ihn würden also noch mal fast 700 € zusätzliche Kosten anfallen. Das wollte ich so nicht stehen lassen, und schrieb eine entsprechende E-Mail an den Anbieter. Ich erklärte ihm meinen Standpunkt und dass ich diese Reise unter diesen Bedingungen nicht antreten möchte. Eine Antwort habe ich noch nicht bekommen, werde jedoch gern in einem späteren Beitrag über den Ausgang berichten. Auch fand ich keine Altersangabe der Begleitperson in den AGBs des Reiseanbieters.
Das Merkzeichen B auf dem Schwerbehindertenausweis berechtigt den Inhaber zur Mitnahme einer Begleitperson. Daran sind hier in Deutschland keine Bedingungen geknüpft. Und das aus gutem Grund. Denn die Anforderung an eine Begleitperson ist bei jeder Behinderung unterschiedlich. Ich kann also die Begleitperson mitnehmen, die ich als Mensch mit Behinderung für geeignet halte. Im Idealfall überlege ich mir also welche Hilfestellung ich brauche, und wähle aus welche Begleitung ich mitnehmen möchte.
In der Praxis heißt das, dass ich als blinde Frau auf einem Kreuzfahrtschiff jemanden brauche, der mir die Wege, die ich brauche zeigt, mir bei einem Büfett hilft mein Essen zusammenzustellen, oder bei der Suche eines Liegestuhls hilft oder mal einen Aushang vorliest. Das sind Tätigkeiten, die auf meine Anweisung hin passieren. Gleiches gilt für Ausflüge, an denen ich teilnehmen möchte.
Die Begleitperson begleitet und assistiert. Sie hilft mir meine Sinnesbehinderung, also die Blindheit ein stückweit zu kompensieren. Sie trägt keinerlei Verantwortung für mein Handeln. Der Einzige, der Verantwortung trägt, bin ich. Und zwar sowohl für mich, als auch für mein noch minderjähriges Kind. Und ich kann das, was ich meinen Kindern zumute, sehr gut verantworten.
Auch wenn es mir nicht schmeckt, habe ich gelernt damit zu leben, dass das Weltbild nicht blinder Personen in Bezug auf unseren Personenkreis oft sehr viele Missverständnisse beinhaltet. Hieraus resultieren Entscheidungen von nicht betroffenen Verantwortlichen, die absolut ungerechtfertigt sind. Hier eine kleine Auswahl von Diskriminierungen im Alltag, welche darauf basieren, dass blinden Menschen kein eigenverantwortliches Handeln zugetraut wird:
– Blinde dürfen keine Fahrgeschäfte vieler Freizeitparks nutzen,
wie Freizeitparknutzung durch blinde Menschen
und Freizeitparks, Blinde müssen draußen bleigen.
– Fitnessstudios, die blinden die Mitgliedschaft verwehren,
wie in Blinde Neu-Isenburgerin fühlt sich von Fitnessstudio ausgeschlossen,
und Als ich versuchte in einem Fittnessstudio zu trainieren.
– Zutrittsverweigerung einer blinden Mutter ins Schwimmbad.

Ich kann mir gut vorstellen, dass so mancher Zeitgenosse den früheren Wortlaut, „Eine ständige Begleitung des Schwerbehinderten ist nachgewiesen“ oder so ähnlich verinnerlicht hat. Das wurde irgendwann geändert, nachdem unbegleiteten blinden Personen die Mitfahrt in manchen Bussen oder der Zutritt zu Einrichtungen verwehrt wurde. Manchmal scheint es, als habe die Ausgabestelle für gesunden Menschenverstand, Empathie und sozialer Kompetenz schon länger geschlossen.

So, Ihr kennt nun meine Sicht der Dinge. Jetzt bin ich gespannt auf Eure.

Von lydiaswelt

Ich bin blinde Mutter von zwei Kindern. Beiträge aus meinem Alltag und dem meiner Gastautoren finden hier eine Plattform.

18 Antworten auf „Die Begleitperson muss nicht erwachsen sein“

liebe Lydia, ich weiß, dein Blog richtet sich nicht unbedingt an blinde, dennoch finde ich die Links die einfach nur hier heißen, nicht gut. Da verliert man in der Mail dann den Überblick.

blinde dürfen auch, selbst mit Begleitpersonen, nicht unbedingt in eine Rehaklinik, sondern müssen dafür kämpfen, wenn man ihnen sagt, wir haben keine Pflegestation. Als ob sich selbst anzuziehen und zu waschen ein Problem der See Einschränkung sei, wenn man operiert ist.

Viele Grüße

Eli Osewald

Mobil: 0172 28 300 79

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Liebe Eli, das „hier“ kennzeichnet die Stelle, auf die Du klicken kannst, um den hinterlegten Link aufzurufen. Es handelt sich um Zeitungsberichte und Beiträge Betroffener zu dieser Thematik.

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Die „hier“-Links widersprechen leider den Kriterien, auf die wir uns sonst – ZU RECHT – so berufen. Wenn ich z. B. eine Link-Liste anzeigen lasse, sehe dann einige Hier-Links. Wie sind die dann noch zuordnebar, welches Hier gement ist?

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ich finde es gut, wenn Kreuzfahrtschiffe uns überhaupt eine vergünstigung für Begleitpersonen anbieten. In Hotels, wo du ja auch argumentieren könntest, dass du Hilfe mit den Wegen und am Buffet brauchst, hast du die nicht. Denke dann muss man deren Regeln auch akzeptieren.

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Ich denke, was Melanie sagen möchte ist, dass wir als blinde Menschen schon dankbar dafür sein sollten, dass es uns überhaupt an so vielen Orten gestattet ist, eine Begleitperson kostenfrei mitzunehmen. Es ist korrekt, dass eine Begleitperson nicht zwingend volljährig sein muss. Gerade bei den Dingen, die du in deinem Artikel ansprichst, kann auch eine minderjährige Person problemlos unterstützen, zumal dein Sohn schon beinahe volljährig ist.
Ich kann aber in gewisser Hinsicht auch den Reiseanbieter verstehen. Wie du in deinem Text ausgeführt hast, muss deine Begleitperson dich nur ab und zu, z.B. beim Buffet oder beim Vorlesen eines Aushanges, unterstützen. Die Zeit, die die Person nicht damit verbringt, dich zu unterstützen, ist sie ein ganz normaler Reiseteilnehmer, wie jeder Andere auch. Wenn dein Sohn nun als deine Begleitperson mitreist und außer dem Transfer und sonstigem Kleinkram – was bei einer Kreuzfahrt übrigens schon eine ganze Menge werden kann – Nichts zahlen muss, kann er viele Reiseangebote des Veranstalters sozusagen kostenfrei mitnutzen.
Leider gibt es immer wieder Situationen, in denen die Notwendigkeit der Begleitung von unwissenden Menschen vollkommen falsch eingeschätzt wird. Das ist zweifelsohne schlimm und darüber müssen die umwissenden personen aufgeklärt werden. Auf der anderen Seite sollten aber auch wir manchmal ein wenig Verständnis für unseren Gegenüber aufbringen. Eine sehende Begleitperson ist auf einer Kreuzfahrt ganz klar notwendig. Daraus aber den Anspruch auf einen weiteren, quasi kostenfreien Reisegast zu begründen, halte ich für falsch.
Ja, auch ich habe die Vorteile, die die kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson mit sich bringt, bereits oft genutzt. Ich kann aber jeden Veranstalter verstehen, der argumentiert, dass die Begleitperson ja auch die gemachten Angebote teils zu ihrem eigenen Vergnügen mitnehmen kann. Einen Kompromiss in der Art, dass für die Begleitperson z.B. nur 50% des regulären Reisepreises zu zahlen wäre, halte ich hier für angebracht. Immerhin sind 700 Euro nicht gerade wenig an Geld, dass dem Reiseveranstalter damit entgeht. Mit einem solchen Kompromiss würdest auch du zeigen, dass nicht immer nur wir blinden Menschen fordern und fordern, sondern auch ein wenig die Seite des sehenden Anderen nachvollziehen können.

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Hauke, mir geht es nicht darum etwas umsonst zu bekommen, sondern darum, dass wegen der nicht Volljährigkeit einer Begleitperson so ein Aufhebens gemacht wird. Wenn der Reiseanbieter auf das zur Bedingung macht, dann bitte so, dass man es nachlesen kann. Hier geht es nicht darum, ob Ermäßigung oder nicht, sondern um die Bedingung „Volljährigkeit“.

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Ja, das wäre sie. Es geht hier um die Bedingungen, und die Anforderungen. Die Begleitung muss für mich keine Dokumente unterzeichnen oder Betreuungsdienste leisten.

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Hallo Hauke,
Ich glaube, wie Lydia bereits festgestellt hat, liegt hier ein kleines Missverständnis vor. Da der Reiseanbieter von sich aus (wie ich es verstanden habe) bereit ist, die Mitnahme von Begleitpersonen kostenfrei anzubieten, ist dies nicht der Schwerpunkt der Diskussion. Falls du dich aber für eine andere Möglichkeit im Bezug auf Reisen mit Begleitpersonen und möglicher Kostenverteilung interessierst, kann ich Dir den Reiseanbieter „tour de sens“ (www.tourdesens.de) empfehlen.
Was Lydia in Ihrem Artikel anspricht erlebt ich mitunter auch, beispielsweise wenn ich mit einer Freundin mit Bus oder Bah in die Stadt fahre. Da ich selbst erst vor kurzem volljährig wurde und weder meine Freundinnen noch ich vom Äußerlichen erwachsen wirken, haben auch schon Schaffner nochmals nachgefragt, ob die jeweiligen Person wirklich meine Begleitperson sei. Nachdem diese und ich es bestätigten, war dann auch alles okay. Ich sehe zwar noch deutlich mehr als Lydia, auf meinem Schwerbehindertenausweis steht das Merkzeichen „B“ aber ebenfalls drauf. Und natürlich ist es hilfreich, gerade an unübersichtlichen Haltestelle von jemandem begleitet zu werden, der auf den ersten Blick erkennt, ob es der richtige Bus ist, der den aushängten Fahrplan ohne Probleme erkennt und an der ich mich in Menschenmengen (gerade wenn die Sonne blendet) orientieren kann. Dabei ist es auch für mich völlig unrelevant ob die Freundin jetzt schon volljährig ist oder nicht. Hauptsache ich kann ihr vertrauen und sie kennt mich gut genug um einschätzen zu können, was ich etwa sehe oder wo ich Probleme habe. Dabei profitiere ich von ihren Sehfähigkeiten und sie kann auf den Kaum eines Tickets verzichten. Letztendlich ist es eine Win-Win-Situation für beide, denn natürlich würde sie mir auch helfen, wenn sie nicht bei mir auf dem Ausweis mitfahren könnte, aber so kann ich mich bei ihr durch die Mitnahme wenigstens indirekt revanchieren (ansonsten hätte ein Eis es wahrscheinlich auch getan) 🙂

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Eigentlich wäre die Angelegenheit ganz einfach.
Der Reiseveranstalter müßte lediglich klar definieren, das nur Volljährige als Begleitperson erlaubt sind. Er müßte das nicht begründen, weil er die ganze Sache schon aus Großzügigkeit macht und sich damit von den anderen Veranstaltern abheben möchte.
Es ist durchaus nachvollziehbar, das man die Nebenbedingunng nicht an die große Glocke hängen möchte. Lieber den Eindruck erwecken, Begleitpersonen zu ermöglichen, und dabei die genauen Bedingungen im Dunkeln lassen als alles klar offen zu legen – wirklich schade…

Richtig dumm ist, das der Veranstalter eine unsinnige Begründung liefert. Wenn er sagen würde, das es mal einen Streitfall gab und man keine vergleichbaren Situationen erneut haben möchte, wirst Du nicht dagegen arguementieren können – schließlich handelt es sich um ein großzügiges Zusatzangebot.

Wenn man genau darüber nachdenkt, werden alle anderen Reisegäste die Zusatzaufwände tragen müssen – ist wirtschaftlich also eine Mischkalkulation die besser wird, wenn man Begleitpersonen vermeidet…

Fazit:
Kommunikation ist alles. Mit guter Argumentationskette wäre das alles kein Diskussionsthema…

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Es ist eine Frage des Prinzips. Wenn der Reiseanbieter es so anbietet, dann können schlecht hinterher Bedingungen daran geknüpft werden. Aus Nettigkeit wird auch kein Reiseanbieter Begleitpersonen mitnehmen. Sie haben ein Geschäftsmodell entwickelt und der Reiseanbieter glaubt damit gut punkten zu können. Man kann sich freuen, diese Möglichkeit zu haben. Dankbar muss man dafür jedoch nicht sein. Allerdings könnte es sein, dass dem Reiseanbieter entgangen ist, dass nicht jeder Minderjährige ein Kleinkind ist. Und es könnte auch sein, dass jetzt Angst hochkommt, weil sie manche Bedingungen nicht klar genug aufgeführt haben. Bin gespannt, was dabei rauskommt.

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Da fällt mir noch eine Geschichte von Jasmin ein.
Die hat mir beim Treffen erzählt, das es ein Schwimmbad gibt wo man bei der Vorlage des Schwerbehindertenausweis mit Kennzeichen ‚B‘ zwingend eine Begleitperson dabei haben muß.
Da möchte man einen Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen und muß sich sowas gefallen lassen…

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