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Wir Alltagsblinden – zwischen Klischee und Realität

Uns blinden Menschen werden gern bestimmte Eigenschaften zugeschrieben – nach dem Motto: „Kennst du einen, kennst du alle.“ Jeder, der sich mit mehr als einem blinden Menschen unterhalten hat, weiß, dass das nicht stimmt. Und weil es diesen „typischen Blinden“ nicht gibt, freue ich mich jedes Mal, wenn Gastautorinnen und -autoren mit Sehbehinderung auf meinem Blog schreiben.

 

Der heutige Beitrag stammt von Tamara , die ich über ein gemeinsames Buchprojekt kennengelernt habe und deren Worte mir aus der Seele sprechen.  Wir Alltagsblinden – zwischen Klischee und Realität Wenn die Medien über blinde Menschen berichten, dann meistens in Extremen.

Es werden entweder die Hilflosen gezeigt, die angeblich kaum selbstständig zurechtkommen,

oder die Helden, die mit unglaublicher Willenskraft beim Laufen, Schwimmen, Singen oder anderen herausragenden Leistungen brillieren.

 

Sicher gibt es Hilflosigkeit.

Ich erinnere mich an einen Mann, der plötzlich sein Augenlicht verloren hatte. Er war so ängstlich, sich in seiner eigenen Wohnung zu bewegen, dass er sich auf seinem Bürostuhl durch die Räume rollte, weil er dachte, das sei sicherer.

Er war neu betroffen, überfordert, ängstlich – und musste neu anfangen.

 

Doch Hilflosigkeit muss kein Dauerzustand sein. Sie kann eine Phase sein, die man durch Training, Mut und Zeit überwinden kann. Geeignete Unterstützung wie Unterricht in lebenspraktischen Fertigkeiten ist leider schwer zu bekommen, vor allem, wenn man nicht im Berufsleben steht.

 

Dann gibt es noch die sogenannten „Vorzeigeblinden“, die Medaillen holen, erfolgreich Musik machen oder einen außergewöhnlichen Beruf ausüben. Ihre Leistungen verdienen Anerkennung – aber dadurch wird die Latte für andere Blinde oft ziemlich hochgelegt.

 

Viele von ihnen haben durch Sport oder Musik wieder Mut, Struktur und Lebenswillen gefunden. Sie haben ihren Weg Schritt für Schritt entwickelt und sind nicht einfach auf dem Siegertreppchen oder der Bühne erwacht. Auch sie müssen sich den täglichen Herausforderungen des Alltags stellen.

 

Ich selbst bin seit 23 Jahren blind. Und ich finde mich in keiner dieser Darstellungen wieder.

Ich bin weder ein hilfloses Opfer noch eine Heldin. Ich bin einfach ich – eine Alltagsblinde .

Eine, die ihr Leben lebt, mit Routinen, Techniken, Erfahrungen und einer Portion Gelassenheit.

 

Niemand wird über Nacht zu einem souveränen blinden Menschen, der alle Tricks kennt. Blinde, die seit Geburt an nichts sehen, haben meist über Jahre hinweg gelernt, mit ihrer Umwelt umzugehen. Und auch sie lernen ständig dazu.

 

Selbst nach über zwei Jahrzehnten erlebe ich immer wieder neue Situationen, die herausfordernd sind.

 

Die meisten von uns stehen eben nicht auf der Bühne oder auf dem Podest.

Wir meistern unseren Alltag – ohne große Dramen, aber mit viel Kompetenz.

Wir gehen arbeiten, reisen, kochen, telefonieren, lachen, streiten, lieben.

Manches mit Unterstützung und manches genauso selbstverständlich wie alle anderen auch.

 

Das ist es, was viele übersehen: die Normalität. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft uns nicht länger nur als hilflose Opfer oder als außergewöhnliche Helden sieht, sondern als Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, Fähigkeiten und Lebenswegen.

 

Wir wollen weder bewundert noch bemitleidet werden.

Wir wollen einfach dazugehören – so wie wir sind.  Vielen Dank, liebe Tamara, für deine Worte.

Wir beide sind gespannt, welche Meinungen meine Leserinnen und Leser haben.

 

Lasst gern ein Like da, wenn es euch gefallen hat, und kommentiert unter diesem Beitrag.

Auf einen guten Meinungsaustausch freuen sich Lydia und Tamara

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Mein erster Tag an der Blindenschule

Nachdem ich über meine ersten Jahre in einer Schule für Sehbehinderte geschrieben hatte, möchte ich heute auf meinen ersten Tag in der Schule für blinde Kinder eingehen.

Die ersten Wochen verbrachte ich noch in der dritten Klasse meiner alten schule. Das lag wohl daran, dass noch nicht alle Formalitäten vollständig erledigt waren. Und dann ging alles ganz schnell. Ich hatte noch nicht einmal Zeit Abschied von meiner alten Klasse zu nehmen.

Es war ein Montag, als meine Eltern und ich nach Friedberg fuhren. Hier war die nächstliegende Blindenschule, in die ich ab heute gehen sollte. Ich war mächtig aufgeregt. Denn ich hatte absolut keine Idee was mich nun erwarten würde, außer einer Menge blinder Kinder.

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Sehen für Blinde im digitalen Zeitalter

Auf dem Foto halte ich mein Smartphone in der Hand.
die Kamera ist in Richtung meiner Bluse gerichtet.

Ich bin mächtig aufgeregt. Heute habe ich einen Termin mit einer Redakteurin, die über meine Arbeit berichten wird. Das Outfit dafür habe ich gestern zusammen mit einer Freundin ausgesucht und griffbereit auf einen Bügel gehängt. Also alles palletti. Wenn nicht diese blöde Milchtüte umgefallen wäre. So was passiert nur heute, und nur weil ich mich bereits angezogen hatte. Was mache ich jetzt? Es ist keiner in meiner Nähe, den ich fragen kann ob die Kleidung sauber geblieben ist. Und viel Zeit bleibt mir nicht mehr.