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Inklusion, ich war immer die Ausnahme

Das Thema inklusiver Unterricht wird immer wieder kontrovers diskutiert. Doch nur selten kommen Menschen zu Wort, die tatsächlich mit Behinderung auf einer Regelschule sind oder waren.
Niklas ist 29 Jahre alt. Er besuchte zehn Jahre lang als blindes Kind eine Regelschule. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Informatikkaufmann an der Blindenstudienaanstalt Marburg. Ich freue mich, dass er bereit war mir einige Fragen zu seinen Erfahrungen an der Regelschule zu beantworten.
Lydia: Warum haben Deine Eltern sich dafür entschieden Dich an einer Regelschule anzumelden?
Niklas: Meine Eltern haben sich dafür entschieden, weil sowohl sie als auch ich nicht wollten, dass ich mit 6 Jahren in ein Internat komme und somit von zu Hause weg.
Lydia: Wann hast Du erfahren, dass es auch Schulen für blinde Kinder gibt, und wie hast Du darüber gedacht?
Niklas: Ich wusste von Blindenschulen schon seit ich in der Schule war. Ich dachte nicht negativ darüber. Wenn eine Blindenschule bei mir Vorort gewesen wäre, wäre ich auch hin gegangen.
Lydia: Wie sah Dein Schulalltag in der Grundschule aus, und wie ging es Dir damit?
Niklas: Ich hatte in der Schule täglich einen Zivildienstleistenden gehabt, der mich morgens abgeholt hat und mich zur Schule gefahren hat. Nach der Schule hat er mich dann wieder nach Hause gefahren.
In der Schule hat der Zivi dann mir auch geholfen von Raum zu Raum zu kommen, Tafelanschriebe mit zu schreiben usw. Es gab von der Blindenschule Neuwied einen Blindenlehrer für eine Gewisse Anzahl von Stunden, der Materialien die im Unterricht benötigt wurden für mich aufbereitet hat. Wie es mir damit ging, ist schwer zu sagen. Ich kannte damals ja nichts anderes.
Lydia: Hattest Du während Deiner Schulzeit Freunde, mit denen Du Dich auch außerhalb der Schule getroffen hast?
Niklas: Dies war schwierig, weil durch die Hausaufgaben nicht viel Zeit blieb sich zu treffen. Außerdem war es auch durch meine Blindheit schwierig sich zu treffen. Viele meiner sehenden Mitschüler hatten Schwierigkeiten damit klar zu kommen, dass ich blind war und wollten nicht wirklich was mit mir zu tun haben.
Lydia: Wie wurden Dinge wie Kunst- Sport oder Klassenfahrten gestaltet?
Niklas: Bei Kunst hatte ich oft Einzelförderunterricht, weil dort viel mit Wasserfarben gemalt wurde. Dies ging natürlich für mich nicht.
Sport habe ich mitgemacht was möglich war, aber Dinge wie Ballsportarten konnte ich nicht mit machen und habe dann Förderunterricht bekommen.
Bei Klassenfahrten habe ich an allen Aktivitäten teilgenommen. Hatte auch meinen Zivi, der mich führte.
Lydia: Gab es ein Schulfach, an welchem Du nicht teilnehmen konntest?
Niklas: Ganze Schulfächer gab es nicht. Es gab nur einzelne Themen an denen ich nicht teilnehmen konnte.
Lydia: Wie hätte Dein Unterricht besser für Dich gestaltet werden können?
Niklas: Ich hätte mir teilweise mehr Integration gewünscht. Das heißt: Ich hatte teilweise viel Einzelunterricht mit meinem Blindenpädagogen oder meinem Zivi. Die Fachlehrer haben sich teilweise sehr zurückgezogen.
Lydia: Wie oft hattest Du Kontakt mit anderen blinden Schülern?
Niklas: Eigentlich nur bei Freizeiten für integrativ beschulte Kinder, die von diversen Blindenschulen angeboten wurden. Sonst nicht.
Lydia: Hast Du irgendwann vermisst, dass Du Dich nie mit anderen blinden Mitschülern vergleichen konntest?
Niklas: Das habe ich ja nie richtig kennengelernt und somit auch nie vermisst.
Lydia: Auf dem Lehrplan einer Blindenschule stehen Mobilitätstraining und lebenspraktische Fertigkeiten. Wie war das bei Dir?
Niklas: Dies viel in der Integration weg. Es hab keinen Kostenträger, der dies finanzierte. Meine Eltern und ich hatten damals noch nicht viel Erfahrung und wussten auch nicht wo man rechtliche Unterstützung speziell hierfür herbekommen kann.
Lydia: Wie kam es dazu, dass Du eine Ausbildung in einer Einrichtung für blinde Schüler gemacht hast, und was hat sich für Dich dadurch geändert?
Niklas: Dies hing damit zusammen, dass die Integration nach und nach schwieriger wurde. Der Stoff wurde komplexer und dadurch auch die Arbeit des Umsetzens. Außerdem kam in der Integration die Selbstständigkeit zu kurz und auch dies führte dazu die Ausbildung in einer Blindengerechten Einrichtung zu absolvieren.
Lydia: Was würdest Du Eltern blinder Kinder gern mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen ihr Kind an einer Regelschule anzumelden?
Niklas: Ich würde mit auf den Weg geben, dass man bedenken solle, dass das ganze Material aufbereitet werden muss und dies viel Zeit kostet. Des Weiteren würde ich empfehlen, auf jeden Fall ein Mobilitäts- und LpF-Training zu beantragen. Dies kam bei mir zu kurz und ich hatte es in der Blista in Marburg schwer das alles aufzuholen.

Ich danke Niklas für seine Offenheit. Und nun lade ich Euch ein hier in den Kommentaren über diesen Beitrag zu diskutieren.