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Allgemein Alltag blinde Eltern

Typische Fragen an blinde Eltern

Die Gruppe behinderter Eltern ist relativ klein. Und die von uns Eltern mit einer Sehbehinderung noch kleiner. Daher bleibt es nicht aus, dass Fragen aufkommen, die nur wir beantworten können. Und eben das möchte ich tun. Und um ein Ergebnis zu erhalten, das nicht nur meine Ansichten repräsentiert, habe ich auf meiner Facebookseite eine entsprechende Anfrage an mitlesende Eltern mit Sehbehinderung gestartet. Die Teilnehmer konnten öffentlich antworten, oder mich privat anschreiben. Aus diesem Fragenkatalog habe ich mir die meist gestellten Fragen ausgesucht. An oberster Stelle steht die Frage „Aber Ihr Partner sieht doch?“ Das kann sein, muss es aber nicht. Blinde Eltern gibt es sowohl mit als auch ohne sehenden Partner. Und es gibt sie ebenso auch allein erziehend. Wer also einen sehenden Partner als die Voraussetzung für ein funktionierendes Familienleben sieht, der wird hier enttäuscht werden.
„Haben die Kinder Deine Blindheit geerbt?“ Es gibt viele unterschiedliche Augenerkrankungen. Die wenigsten davon sind erblich. Blinde Eltern mit Kinderwunsch haben heute eine Reihe an Möglichkeiten das feststellen zu lassen.
„Bist Du so richtig blind?“ Diese Frage wird gern durch ein mitleidheischendes „Dann hast Du Deine Kinder also noch nie gesehen?“ begleitet. Wer gesetzlich blind ist, muss nicht vollblind sein. Blinde Menschen, die wirklich gar nichts mehr sehen, machen nur vier Prozent aller Blinden aus. Ich habe es nicht vermisst, dass ich meine Kinder nicht vollständig sehen kann. Ich finde, dass sehen hier einfach überbewertet wird. Denn wir Menschen haben nicht nur optische Eigenschaften.
„Hast Du eine Betreuerin bzw. eine Haushaltshilfe?“ Nein, habe ich nicht. Eine Sehbehinderung ist kein Grund für eine gesetzliche Betreuung. Es gibt blinde Eltern, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, andere wiederum nicht. Hier sind die Bedürfnisse unterschiedlich wie bei normal sehenden Personen.
„Die Kinder helfen bestimmt ganz viel.“ Kopfkino: Das Grundschulkind, welches vor dem Schulbesuch den Eltern das Frühstück bereitet, nach der Schule das Mittagessen kocht, den Einkauf erledigt und mit den Eltern spazieren geht. Am Wochenende erledigt es die Wäsche und putzt die Wohnung durch. Leute, Kinder blinder Eltern sind in erster Linie Kinder, und nicht dazu da die Sehbehinderung der Eltern zu kompensieren. Wenn Eltern also regelmäßige Hilfe brauchen, dann organisieren sie sich diese durch Assistenz, Haushaltshilfe oder aus dem sozialen Umfeld.
„Wie machst Du das mit den Hausaufgaben?“ Es gibt Kinder, die alleine klarkommen, Eltern, die noch ausreichend sehen, um den Kindern zu helfen und Schulen mit angeschlossener Hausaufgabenbetreuung. Ich habe eine Assistenz beschäftigt, deren Aufgabe es war mit den Kindern lesen zu üben und auf das Schriftbild zu achten. Das war die für uns richtige Lösung.
„Ihr könnt ja dann kein Auto fahren. Könnt Ihr dann überhaupt Ausflüge machen?“ Meine Kinder und ich waren viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Es gab einige Ziele, bei der ich mir eine sehende Begleitung mitgenommen habe. Dazu gehörten Kirmes oder Schwimmbad, denn bei der Geräuschkulisse habe ich mir die Beaufsichtigung erst alleine zugetraut, als die Kinder älter waren. Eine gute Alternative waren Verabredungen mit anderen Familien.
„Dürfen andere Kinder Euch besuchen?“ Von uns aus sprach nie etwas dagegen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder vorbehaltlos zu uns lassen, und Andere, die uns erst mal kennenlernen möchten. Und da es mir ähnlich ging, erledigte sich das dann von selbst.
„Wie können Eure Kinder Freunde besuchen?“ Verabredungen nach Kita oder Schule sind einfach. Mein Kind geht mit dem anderen Kind mit, und ich hole es zur vereinbarten Uhrzeit ab. Entweder kenne ich den Weg, und finde ihn alleine, oder ich nehme mir ein Taxi. Eine weitere Alternative ist eine gute Wegbeschreibung. Es gibt aber auch nette Eltern, die mir anbieten mein Kind zu bringen. Das ist immer situationsabhängig.
„Kriegt Ihr Essen auf Rädern, oder habt ihr euch schon mal den Magen verdorben?“ Fragen wie diese machen mich einfach nur fassungslos. Der Fragesteller geht davon aus, dass blinde Menschen weder kochen noch verdorbene Lebensmittel erkennen können. In So prüfe ich wie gut meine Lebensmittel sind beschreibe ich wie man das auch ohne sehen feststellt.
Blinde Eltern haben eine Schwangerschaft lang Zeit sich auf die Ankunft ihres Kindes vorzubereiten. Dazu gehört auch, dass man sich Rat im Umgang mit dem Baby holt, sich ggf. Hilfe organisiert und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen trifft. Fragen wie „War das jetzt ein Unfall“ kann dabei kein werdendes Elternteil gebrauchen. Genauso wenig wie Menschen, die einem zum Schwangerschaftsabbruch oder Pflegefamilie raten. Wertschätzung oder Unterstützung sehen anders aus.

Blinde Eltern sind nicht die einzige Gruppe, die mit Vorurteilen kämpft. Mich hat Victoria durch ihren Beitrag Verheiratet mit einem Moslem und die schlimmsten Vorurteile zu diesem Beitrag inspiriert. Sollte ich jemanden von Euch zu einem ähnlichen Beitrag inspirieren, dann freue ich mich über den entsprechenden Link in den Kommentaren.

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Was Kinder wirklich brauchen

Es gibt ganz viele Ratgeber darüber was Kinder brauchen, und wie man sie fördern, erziehen und begleiten soll. Die Meinungen sind genauso vielfältig wie die Verfasser selbst.
Was Ratgeber angeht, so habe ich keinen Einzigen zu Ende gelesen. Denn für mich als blinde Mutter gab es nie einen, welcher irgendwie auf meine Situation übertragbar war.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder uns ihre Bedürfnisse mitteilen. Und es ist an uns Eltern, Betreuern oder erwachsene Freunde diese zu erkennen und darauf zu reagieren.

An oberster Stelle stand bei mir Vertrauen. Ich musste lernen meinen Kindern zu vertrauen und ihnen nach ihren Möglichkeiten eigenständiges Handeln zuzutrauen. Das war für mich anfangs schwer auszuhalten. Ich erinnere mich an den ersten Ausflug alleine auf den Spielplatz, ins Schwimmbad oder auf die Kirmes. Ich musste lernen darauf zu vertrauen, dass meine Kinder sich wie vereinbart bei mir melden, wenn wir uns zwischenzeitlich getrennt hatten. Erst recht, als sich ihr Radius mit zunehmendem Alter erweiterte.
Ebenso ist es auch an mir ihnen vorzuleben, dass auch ich Bedürfnisse und Grenzen habe. Und dass ich mich an Vereinbarungen und Versprechen halte. Wenn die Spülmaschine ausgeräumt ist, gehen wir raus. Ich möchte nicht, dass Du nach mir schlägst. Ich mache mir Sorgen, wenn Du mir nicht Bescheid sagst, dass Du länger bei Deiner Freundin bleibst.
Vor ein paar Jahren bekam ich von meinen Kindern ein wunderschönes Kompliment gemacht. „Mama, bei Dir weiß man immer woran man ist.“ Darüber habe ich mich damals riesig gefreut.
Heute sind meine Kinder beide volljährig. Wir haben ein liebevolles Vertrauensverhältnis zueinander. Und dafür bin ich dankbar. Denn das bedeutet für mich, dass wir für uns das richtige Maß von Nähe und Distanz gefunden haben.

Im Zusammenhang mit blinden Eltern taucht oft die Frage auf, wie ich damit umgehe, dass sie meine Sehbehinderung ausnutzen, oder mich hintergehen. Besonders die vielen selbst ernannten Miterzieher sind der festen Überzeugung, dass meine Kinder sich ihre Freiheiten sowieso nehmen. Schließlich bin ich blind genug, um das meiste nicht mitzukriegen. Tja, Freunde des Misstrauens und der großzügigen Verbote, sehen ist nicht alles. Die meisten Eltern werden mir Recht geben, dass man ein Gespür dafür entwickelt, was das Kind gerade macht oder wie es ihm geht. Und daraus lässt sich vieles ableiten.
Eine weitere Regel war, dass ich nie einfach so Verbote erlassen habe, sondern ganz viel Überzeugungsarbeit gemacht habe. Es dauert ein wenig länger, hat aber eine nachhaltige Wirkung.
Tja, und dann kommt das Kind in ein Alter, in welchem es beginnt eigenständig zu handeln, seine eigenen Ideen umzusetzen und damit auch mal Fehler zu machen. Das war eine Zeit, die ich schwer aushalten konnte. Aber mit Vorhaltungen und Verboten kommt man hier nicht weit. Erst recht nicht, wenn man möchte, dass das Kind mit einem darüber spricht, und sich meine Vorschläge anhört.
Heute blicke ich auf zwei selbständig denkende, volljährige Kinder, die sich in vielem selbst zu helfen wissen, die aber bei Bedarf auch mal meinen Rat einholen.

Mit diesem Text nehme ich an einer Blogparade mit dem Titel „Was brauchen Familien wirklich“ teil. Diese läuft noch bis zum 15.06.2019.

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Blogparade Was darf man Kindern zutrauen?

Wenn es um Erziehung, Kinder und Familienstrukturen geht, streiten sich die Geister unentwegt. Ich finde es immer wieder erstaunlich wie viele Menschen eine Meinung dazu haben. Sei es, dass sie eigene Kinder haben oder ihr Nachwuchs bereits erwachsen ist. Besonders interessant ist, wie viele Personen auch hier eine feste Vorstellung von Kindererziehung haben, ohne je mit einem Kind zusammengelebt zu haben.
Besonders stark gehen die Meinungen auseinander, wenn es darum geht was man seinem Kind in welchem Alter zutrauen kann. Daher rufe ich zu meiner ersten Blogparade mit der Überschrift „Was darf man Kindern zutrauen“ auf.

Und hier die Regeln:
Schreibe einen Blogbeitrag zu diesem Thema, und verlinke auf diese Blogparade.
Verlinke Deinen Beitrag in den Kommentaren, und stelle auch Deinen Blog mit ein paar Worten vor.
Die Blogparade läuft bis zum 15.01.2019. Danach wird es hier auf dem Blog eine Zusammenfassung der Teilnehmerbeiträge geben. Diese werden auf meiner Facebookseite veröffentlicht und über meinen Twitter Account verbreitet.

Mein Beitrag zu Was darf man Kindern zutrauen?
Als blinde Eltern hatten wir ganz viele Ratgeber aus dem sozialen Umfeld. Und wenn wir deren Ratschläge mal nicht annahmen, dann gab es ein Totschlagargument, nämlich, dass sie ja sehen, und es damit auch besser wissen.
Hier mal ein Beispiel, dass für große Empörung sorgte. Meine Tochter war sehr früh fit im Straßenverkehr. Im Alter von vier Jahren trainierte ich daher mit ihr das Überqueren von Kreuzungen. Wir liefen also auf eine Kreuzung zu, die wir diagonal überqueren mussten. Und meine Tochter durfte entscheiden welche wir zuerst überqueren konnten. Das sah sie an der Ampel. Ich tat das an Kreuzungen, die ich selbst kontrollieren konnte. Sie hatte Freude daran, wenn sie es richtig machte. Es gab hier diverse Besserwisser, die mir sagten, ich überfordere mein Kind, indem ich ihr die Entscheidung überlies. Da mich das verunsicherte, holte ich mir Rat beim Kinderarzt. Dieser beruhigte mich diesbezüglich.
Meine Kinder und ich waren viel zusammen unterwegs. Mal zu Fuß, mal mit Bus und Bahn. So waren öffentliche Verkehrsmittel für sie etwas völlig alltägliches. Und so bezog ich sie immer mehr in unsere Fahrten mit ein. Auf dem Fahrplan oder die Anzeigetafel schauen, zum entsprechenden Gleis gehen oder einen reservierten Sitzplatz suchen konnten sie bereits im Grundschulalter. Mein Sohn war 12 und meine Tochter 14, als sie ihre erste unbegleitete Zugfahrt zu einer Verwandten machten. Für ihre Entwicklung war das sehr gut. Und sie hätten mich jederzeit anrufen und um Hilfe bitten können. Aber sie schafften es alleine.

Im Januar 2018 reiste ich nach Paris. Auf dieser Reise begleitete mich mein 17 jähriger Sohn, der sich vorab Straßenkarten heruntergeladen hatte. Denn er wollte sich im Verkehrsnetz von Paris zurechtfinden können. Ich ließ ihn machen, statt ein Taxi vom Bahnhof zum Veranstaltungsort zu nehmen. Er ließ sich erklären wie der öffentliche Nahverkehr aufgebaut war, und suchte sich seine Wege selbst. So war auch mal beispielsweise ein Besuch des Eifelturms möglich.

Meine Kinder haben gelernt sich Informationen selbst zu beschaffen, ihre Grenzen einzuschätzen und sich ggf. Hilfe zu holen. Und sie haben gelernt, dass sie in vielen Dingen mein volles Vertrauen haben. Sie mussten aber auch lernen, dass ihre Eltern aufgrund ihrer Sehbehinderung auf die selbe Stufe wie ein minderjähriges Kind gestellt wird. Das ist z. B. bei den meisten Kreuzfahrtanbietern der Fall. Diese schreiben für minderjährige Kinder, blinde, gehbehinderte und gehörlose Fahrgäste die Mitnahme einer volljährigen Begleitperson vor, die in derselben Kabine reist. Im Klartext heißt das, dass ein blindes Paar nicht alleine in derselben Kabine reisen darf, sondern sich diese mit der Begleitung teilen muss. Und für uns hieß das, dass wir, zwei blinde Eltern, eine neunzehnjährige Tochter, und ein noch nicht ganz achtzehnjähriger Sohn nur hätten reisen dürfen, wenn wir eine zusätzliche volljährige Begleitung mitgenommen hätten. Unter Kreuzfahrtanbieter diskriminiert blinde Fahrgäste habe ich darüber geschrieben. Denn ich bin in erster Linie Mutter meiner Kinder. Und ich weiß am besten was ich ihnen zutrauen kann, und was nicht. So wie alle anderen Eltern auf dieser Welt. Wir Eltern sind die Experten in eigener Sache, und haben unsere Handlungen ganz allein zu verantworten. Und niemand anderes sonst.

Und jetzt freue ich mich auf viele interessante Beiträge von Euch.