Und hier kommt er, der nächste Teil meines Ratgebers „Vierwirksame Tipps, einen Blinden zu stressen“. Danke an Euch für die vielen Tipps aus Insiderkreisen, die mich immer wieder erreichen, und die diese Beiträge erst möglich machen.
Heute wende ich mich an Mitarbeiter der Gastronomie, und an jene, die es noch werden möchten. Denn auch hier gibt es ganz viele Möglichkeiten, einen Blinden zu stressen.
Betritt dieser den Gastraum mit sehender Begleitung, dann sprechen Sie ausschließlich mit ihr. Bringen Sie dabei zum Ausdruck, dass Sie es wunderbar finden, dass sie die blinde Person so toll betreut. Begleiten Sie die Gäste zum Tisch, und fragen Sie die sehende Begleitung wo der Blinde sitzen möchte. Grundsätzlich ist diese auch Ihr Ansprechpartner, wenn Sie Fragen an den Blinden haben. Das gilt auch für die Bestellung von Speisen und Getränken.
Hat der Blinde den Gastraum alleine gefunden, schauen Sie ihm eine Weile dabei zu, wie er sich seinen Weg zwischen Tischen und Stühlen sucht. Geben Sie ihm Gelegenheit die Einrichtung eigenständig kennenzulernen, und sammeln Sie ihn anschließend ein. Er wird Sie nach einem freien Tisch fragen. Zeigen Sie auf einen Tisch und sagen: „Da hinten ist noch ein Platz frei!“. Bittet er Sie darum, ihn hinzuführen, schieben Sie ihn vor sich her und warnen dabei vor jeder noch so kleinen Unebenheit am Boden. Vergessen Sie nicht, ihn auf den Sitzplatz zu drücken und ihn mit samt des Stuhls an den Tisch zu schieben.
Sobald Sie die Getränkebestellung aufgenommen haben, versorgen Sie den Blinden wortlos mit einer Speisekarte und lassen ihn für längere Zeit allein. Fragen Sie anschließend nach seinem Essenswunsch. Bekunden Sie Ihr Mitleid darüber, dass er die Speisekarte nicht selbst lesen kann. Bieten Sie an, ihm beim Kleinschneiden der Speisen zu helfen, und stellen Sie hin und wieder sein Getränk um.
Gehen Sie davon aus, dass der Blinde sich selbst meldet, wenn er zahlen möchte. Legen Sie ihm dann die Rechnung hin und gehen wieder. Möchte er mit Karte zahlen, so macht sich ein Bezahlterminal mit Touchscreen besonders gut. Der Blinde wird Ihnen sagen, dass er ohne fühlbare Tasten seine PIN nicht alleine eingeben kann. Bieten Sie an, dies für ihn zu tun. Auch hier dürfen Sie Ihr Mitleid bekunden.
Besitzen Sie ein Fastfood-Restaurant mit Bestellterminal? Dann ist es für Sie richtig einfach, den Blinden in Stress zu versetzen. Der Blinde wird erst mal zum Tresen kommen und Ihnen sagen, dass er das Bestellterminal nicht bedienen kann. Achten Sie darauf, dass er auf Mitarbeiter trifft, deren Deutschkenntnisse das Sprachniveau A1 nicht überschreiten. Ist die Bestellung mit Hilfe des Mitarbeiters gemacht, stellen Sie ihm das Tablett mit dem Essen wortlos hin und warten bis der Blinde danach fragt. Bittet er darum, ihm das Essen an den Platz zu tragen, dürfen Sie sagen, dass hier Selbstbedienung ist oder Sie nehmen das Tablett und gehen ca. vier Meter voraus. Geben Sie nur dann einen Ton von sich, wenn der Blinde nach Ihnen ruft. Testen Sie aus wie schnell der Blinde auf Kurven zwischen Tischen und Stühlen reagiert, und lassen Sie sich nicht durch Zurufe anderer Gäste irritieren. Beobachten Sie die Lage. Greifen sie erst ein, wenn ein anderer Gast Anstalten macht, dem Blinden zu helfen. Nehmen Sie dabei den Blinden an die Hand oder schieben ihn vor sich her.
Das waren die Tipps für heute. Und wie immer erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sind das Anregungen Ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.
Haben Sie weitere Tipps für mich? Nur zu. Schreiben Sie diese gern in die Kommentare.
9 replies on “Vier wirksame Tipps einen Blinden zu stressen – Teil 4”
Liebe Lydia!
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div>Vielen Dank für deinen neuen Beitrag! Ich habe ihn gleich an meinen Sohn weitergeleitet, der gerade eine fünfjährige Restaurant Fachschu
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😂Du hast vergessen zu erwähnen, dass die Mitarbeiter die ganze Zeit betonen sollten, wie toll sie es finden, dass der Blinde sich alleine in die Öffentlichkeit wagt.
Ausserdem sollte der Mitarbeiter unter allen Umständen in den Dialog die Frage nach dem Betreuer einfliessen lassen.
Liebe Grüsse Anna
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Liebe Lydia,
ich lese deinen Blog unheimlich gerne, weil ich so viel lerne. Du vermittelst das Offensichtliche auf so eine geistreiche, witzige Art, dass ich mich oft genug ertappt fühle. Vor langer Zeit schriebst du, dass Blinde oft von ihren sehenden Mitmenschen angeschrien werden, weil sie denken, sie müssen nur laut genug reden. Auch ich war eine von diesen, die einfach lauter sprach. Als Flugbegleiterin nehme ich dankbar Tipps von dir an und bin froh, sie anzuwenden. “Blind ist nicht gleich blind”, schriebst du einmal und seitdem frage ich die Gäste an Bord höflich, ob sie mir verraten möchten, wie viel Prozent sie sehen. Zudem spreche ich nicht mehr lauter und frage ganz direkt, welche Informationen sie von mir brauchen, ob ich die Umgebung beschreiben darf, ob ich ihnen zeigen darf, wo der Call-Button ist, etc und was ihre Reise noch angenehmer machen würde.
Hab einen angenehmen Mittwoch und liebe Grüße, Eva
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vielen Dank, liebe Eva, für Deinen Kommentar. Tatsächlich sagt die Prozentzahl des Sehvermögens nicht wirklich etwas darüber aus, was der Einzelne sieht. Mit der Frage nach dem Hilfebedarf bist Du jedenfalls auf einem guten Weg. Dir weiterhin viel Freude in der Luft und auf dem Boden.
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Das ist ein sehr guter Hinweis. Dann lasse ich diese Frage zukünftig aus. Danke dir, Lydia, und einen angenehmen Abend! Viele Grüße, Eva
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Super gut geschrieben ! Liebe Grüsse Anja
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Hallo,
das ist sehr gut geschrieben, und kommt mir stark bekannt vor. Dazu passt noch, was meiner Freundin und mir letztens passierte: Eine fremde Frau, ebenfalls Gast, kam an den Tisch und sagte, dass meine Freundin etwas auf ihrem Pullover habe. Sie sagte noch schnell: „Ich helfe Ihnen mal“, griff zu einer Serviette und wischte mutig drauflos.
Viele Güße Cindy
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Ausser SPRACHE gibt´s auch VERHALTEN !
.. blindengerechter Ort mit Blindenstreifen am Boden !
.. bin doch nur kurz auf dem Blindenweg mit Fahrrad / Gepaeck !
.. kuessen auf dem Blindenweg mit Gepaeck endet mit Anzeige
wegen sexueller Belaestigung !
.. WIR sind ja gleich weg !
.. @-:
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Ich wurde schon mal gefüttert, weil noch was auf dem Dessertteller war. 😉
Naja, die war eben hauptberuflich Mutti, der man nicht wirklich böse sein konnte. Und außerdem war ich mehr als nur angeheitert, sodass ihr Eindruck, mir helfen zu müssen, sicher nicht unbegründet war.
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