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Blinde Menschen in Filmen

Die meisten Filme, in denen blinde Personen vorkommen, werden von Menschen ohne Sehbehinderung gemacht. Ein Beitrag über Klischees und Darstellung blinder Protagonisten.

Wenn blinde Menschen in Büchern oder in Filmen eine Rolle spielen, dann sind sie absolute Superhelden mit übernatürlichen Fähigkeiten. Oder sie sind absolut hilflos, mitleiderregend und haben nur einen zentralen Wunsch. Dieser ist irgendwann einmal wieder sehen zu können. Blinde Personen, die einfach nur eine halbwegs normale Rolle spielen, findet man nicht.
Es gibt nur wenige Filme, die das Leben von blinden Menschen wirklich realistisch darstellen, ohne sämtliche Klischees zu bedienen. Was ich damit meine, möchte ich gern an einem Beispiel veranschaulichen.
Die Fernsehserie „unsre kleine Farm“ hat mich durch meine Kindheit und Jugend begleitet. Ich weiß noch, dass ich sonntags vor dem Fernseher saß, und hoffte, dass das Taxi zum Internat ein bisschen später kam. Nur damit ich diese Serie zu Ende sehen konnte.
Später, als ich Mitte 20 war, entdeckte ich diese Serie wieder. Und da verstand ich die Zusammenhänge ganz anders. Erst recht, nachdem ich die Idee hatte die entsprechenden Bücher zu lesen, aus denen die Serie bestand. Diese gab es weder in Braille, noch als Hörbuch. Das hieß für mich, dass ich fanatisch genug war, um die sieben Wälzer zu je etwa 600 Seiten einzuscannen, und durch eine Texterkennung jagte. Anschließend verbrachte ich Stunden damit mir diese Bücher von einer synthetischen Computerstimme vorlesen zu lassen. Mit einer Freundin, die ebenso von diesem Kitsch besessen war, konnte ich mich austauschen. Und in dieser Zeit begann ich den Inhalt zu hinterfragen. Dabei ging es darum den Inhalt der Bücher mit der Fernsehserie zu vergleichen.
Besonders interessant fand ich die Darstellung der jungen Mary, die im Teenageralter erblindet, in eine Blindenschule geht, einen ebenfalls blinden Mann heiratet und mit ihm gemeinsam eine Blindenschule gründet. Soweit, so gut. Allerdings werden hier eine Menge Klischees bedient. Dazu gehören:
– Es gibt nur normal sehend und ganz blind. Also nur schwarz oder weiß. Dabei sind nur vier Prozent aller blinden wirklich so blind, dass sie gar kein Restsehen mehr haben.
– Blinde Menschen tasten das Gesicht ihres Gegenübers ab. Dieses Klischee ist noch immer weit verbreitet. Ich selbst kenne keinen Blinden, der das Gesicht seines Gegenübers abtastet, um sich ein Bild von ihm zu machen. Da sind andere Kriterien wie Stimme, Körpergröße und andere Dinge wesentlich aufschlussreicher.
– Plötzlich wieder sehend. Hier geht es um den blinden Adam, der irgendwann einen Schlag auf den Kopf erhalten hatte, und ab da blind war. Und nachdem sich das irgendwann wiederholt hatte, ist er wieder sehend. Auf einmal hat er Freunde, studiert Jura und übernimmt irgendwann die Kanzlei seines verstorbenen Vaters. Jeder nur halbwegs vernünftig denkende Augenarzt weiß, dass es so was nur im Religionsunterricht gibt.
Ich halte den Filmemachern zugute, dass die Serie Ende des 19 Jahrhunderts spielt, wo die Möglichkeiten für blinde Menschen sehr begrenzt waren. Und ich halte ihnen zu Gute, dass die Serie zu einer Zeit gedreht wurde, wo blinde Menschen noch sehr wenig Möglichkeiten hatten. So weit, so gut. Dennoch hätte der Serie ein bisschen mehr Recherche gut getan. Alternativ hätten sich die Filmemacher an die Bücher halten können. Aber das widerspricht jeglicher Philosophie in Bezug auf Einschaltquoten.

So, und jetzt seid Ihr dran. Welche Filme mit blinden Protagonisten findet Ihr gut, und welche nicht?

Von lydiaswelt

Ich bin blinde Mutter von zwei Kindern. Beiträge aus meinem Alltag und dem meiner Gastautoren finden hier eine Plattform.

14 Antworten auf „Blinde Menschen in Filmen“

Bitte nicht hauen, aber ich mochte Al Pacino in Der Duft der Frauen.
Und der Blinde names Whistler aus dem Film Sneakers war cool.

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Ich habe mich gefragt, warum Blinde in Filmen immer wo anders hingucken, wenn sie mit jemandem reden. Ich bin nicht blind, daher weiß ich es nicht besser, ich stelle mir nur vor, dass ich in die Richtung, aus der die Stimme kommt, sprechen würde, wenn ich nichts sehen könnte. Ich hätte jetzt gedacht, dass das eher natürlich wäre, natürliches Verhalten mäßig, dass man den Kopf in die Richtung Geräusch dreht. Nicht weil man dort dann hinguckt, sondern hinhört. Besonders bei Menschen, die blind geworden sind und es gewohnt waren, in Gesichter zu schauen, während sie reden, hätte ich das vermutet. So war meine Überlegung. Daher weiß ich nicht, ob ich mich da vollkommen irre, oder ob sich die Filme, in denen Blinde ihren Kopf immer wo anders hinrichten, als zum Sprecher, irren, nur um dem Zuschauer deutlich zu machen, dass der Blinde den Sprecher nicht sieht. Vielleicht kannst du dazu was schreiben, das würde mich sehr interessieren, denn das hat mich schon immer in Filmen gestört, aber vielleicht haben sie ja recht. So oder so, wenn ich dieses Mysterium aufdecken könnte, wäre ich froh. Danke.

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Blinde in Filmen kenne ich, glaube ich, nicht. Wir hatten hier vor kurzem einen blinden Minister, Panagiotis Kouroumbis, er ist Jurist und in Politischer Wissenschaft promoviert. War Mitbegründer der internationalen Organisation der Binden und der entsprechenden Organisation der EU. Wurde dreimal mit der PASOK (Sozialisten) ins Parlament gewählt, wurde unter dem Syriza ( griechische Linke) erst Gesundheitsminister, dann Innenminister und schließlich als Minister zuständig für die Seefahrt. Kandidierte bei den letzten EU-Wahlen für die Linke. Er erblindete als Junge, als er mit einer deutschen Granate spielte. Ferner haben wir einen blinden Terroristen vom 17N Savvas Xiros, der erblindete, als ihm eine Bombe in der Hand explodierte – wodurch die Organisation, die viele Morde auf dem Gewissen hat, aufflog. Wurde zu 15 mal lebenslänglich verurteilt. Das sind natürlich beide keine Durchschnittsfälle, die aber beide Vorlagen für Filme bilden könnten.

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El Pacino im Duft der Frauen fiel mir auch sofort ein. Vor allem die Szene mit der Fahrt im Ferrari. Bei einer Bekannten in der Nachbarschaft lebte ein junges blindes Mädchen( ich weiß nicht, ob sie vollständig erblindet ist) Alle haben ihr Mut gemacht, dass sie zwar eingeschränkt ist, aber dennoch alles kann, was sie will. Sehr viel Wert wurde auf Selbstständigkeit gelegt. So übte meine Bekannte mit ihr Rad fahren in einer ruhigen Seitenstraße und das Mädchen machte ein Praktikum im Kindergarten. Letztens habe ich sie noch gesehen mit ihrem Hund. Das ist auch das, was ich an der Darstellung Sehbehinderter in Filmen mag. Die Darstellung, dass es zwar ein Handicap ist, dennoch Vieles möglich, wenn der Mut und die Unterstützung da ist, sich auszuprobieren und auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen.
Liebe Grüße
Alice

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Dieser große Unterschied zwischen Superhelden-Blinden und Opfer-Blinden ist mir auch schon aufgefallen. Wo ist die Normalität dazwischen? Und wo sind generell die Sehbehinderten?
Vielleicht kennt der ein oder andere die FederLeicht-Saga von Marah Woolf – ist zwar ein Buch und kein Film, aber… aber… ähm… warum zur Hölle ist dieser Hauptdarsteller blind, wenn es einfach nie auffällt? Das ist sowas von lächerlich und oberflächlich, dass ich gar nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll.
Das Gute insgesamt ist wohl, dass im Film vieles übertrieben scheint. Es gibt ja oft auch nur perfekte Menschen in Serien/Filmen, alle immer Hollywood-hübsch. Vielleicht ist es da nur konsequent, dass Blinde ebenso dargestellt werden…

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Ich weiß nicht, wie der heißt, aber es gibt in Deutschland einen, der im Hotelbereich arbeitete, oder vielleicht immernoch, aber der hat sehr lange Erfolgreich versucht seine Blindheit zu kaschieren. Irgendwann ist er aber unter der ganzen Belastung zusammengebrochen. Nah ja und unter den sehbehinderten kenne ich einige, die mehr oder weniger erfolgreich probieren ihr schlechtes sehen oder schlechter werdendes sehen zu überdecken.

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Hi, ich wüsste gerne, ob du Covert Affairs kennst und was du davon hälst. Es geht in der Serie um eine junge CIA-Agentin und ihren Führungsoffizier, einen ehemaligen Elitesoldat, der im Kampf erblindet ist. Ich hatte immer das Gefühl, dass Auggie (der Führungsoffizier) einigermaßen realistisch weder als Opfer noch als Superheld dargestellt wurde …

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Hi Lydia,
diese Darstellung von menschen mit Behinderung – es sind ja nicht nur die Blinden – entweder als heldenhaft oder bemitleidenswert ist ja nicht nur in fiktionalen Stories wie Filmen und Büchern ein riesen Problem. In Medienberichten über echte blinde oder anderweitig behinderte Menschen ist es genauso. Die Leute haben dieses Klischee so fest in ihren Köpfen sitzen, dass sie scheinbar gar nicht anders denken und dementsprechend auch nicht anders schreiben oder berichten können. Die Webseite http://www.leidmedien.de gibt gute Tips, wie Journalist*innen diese Falle vermeiden und Menschen mit Behinderung realistisch darstellen können. Und ich hoffe sehr, dass sie das irgendwann auch raffen, denn wegen diesem öffentlich erzeugten Bild wird Unsereins dann ja von den unreflektierteren Sehenden auch sofort entweder in die Helden- oder Opferschublade gesteckt – über derartige Erfahrungen habe ich auch schon gebloggt. Filme, Bücher und Nachrichtenmedien sind einfach extrem meinungsbildend und pflanzen unterschwellig jede Menge Unfug in die Köpfe. Und wenn ein Mensch im echten Leben nie Kontakt zu Menschen mit Behinderung hat – woher soll sie oder er es dann auch besser wissen?
Ich habe – ein bisschen wirklich auch deshalb – schon früh eine Richtung eingeschlagen, in der ich selbst Öffentlichkeitsarbeit mache und Medien quasi vorgeben kann, was sie schreiben oder zumindest, mit welchem Grundton sie es darstellen. Das ist sehr cool, denn die machen tatsächlich meistens keinen Mist mit meinen Verlautbarungen 🙂
liebe Grüße
Lea

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Mir fällt gerade kein Film ein, aber Danke, dass du mir ein paar Klischees vor die Nase hältst. Besonders die Geschichte das Gesicht-Abtastens war auch irgendwie in meinem Kopf, obwohl ich das noch nie gesehen habe

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Ich schon. Ich stand im Studio des NDR in Hamburg wo u. A. Frau Berghoff anwesend war und die etwa 6 älteren blinden Besucher hatten überhaupt keine Berührungsängste und fühlten ihr Gesicht ab. Als ich an der Reihe gewesen wäre habe ich mich bedankt, und ihr lediglich auf die Schulter gefasst um mich der Größe zu versichern. Was ich gesagt habe weiß ich nicht mehr, aber dieses Klischee hat durchaus einen realen Hintergrund. Ob die Herschaften das auch sonst tun weiß ich nicht.

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Mir fallen kaum Filme mit blinden Figuren ein, höchstens so blöde Thriller, in denen Blinde natürlich oft das Opfer sind. Ach, und noch ein Klischee: Blinde in Filmen sind oft sehr musikalisch.
Was ich aber eigentlich schreiben wollte: Mit meiner Grundschulklasse habe ich mal einen Dokumentarfilm über ein blindes Mädchen gesehen und das (ganz normale) Leben, das sie führt. Ganz ruhig erzählt und sympathisch, einfach Alltagsszenen. Ich weiß noch, wie ich danach auf dem Heimweg zu meiner Klassenkameradin sagte, dass ich den Film sehr schön fand. Und meine Freundin sagte sowas wie: Wie kannst du das nur schön finden? findest du etwa gut, dass das arme Mädchen blind ist?

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Ja, Lydia, „Unsere kleine Farm“. Herrlich musste ich darüber schmunzeln, denn ich erlag dieser Serie natürlich auch.

Und ja, natürlich hat die blinde Tochter sogar bei mir als selbst betroffenem funktioniert.

Auch ich hatte vor wenigen Jahren die Gelegenheit mal wieder die alten Folgen zu schauen. Meine lieblingsfolge ist die, wo sich herausstellt, dass die Predigerin eine Analphabetin ist. Eine neue nicht akzeptierte Lehrerin aus der Stadt deckt das auf…

Stimmt schon. Es ist wirklich super schwierig, einen Film zu finden, in welchem die blinde Person realistisch und angemessen gespielt wird.

Also so weit ich es beurteilen kann, und sehende mit Hintergrunderfahrung es auch berichteten, war die Rolle des sehbehinderten Kelners in „Blind Date mit dem Leben“ ganz gut gespielt.

Der Film basiert ja auch auf einer wahren Geschichte, wo jemand sehbehindertes unbedingt im Hotelservice arbeiten möchte und es dann auch geschafft hat.

Ja, was soll ich sagen. Bei mir haben die Klisches immer funktioniert. Als Lena Valaitis 1981 Blue Jonny Blue sang, war ich sehr ergriffen, weil das Lied des einsam zuhause sitzenden Musikers mehr auf mich zutraf, als mir lieb sein konnte.

Ich weiß auch noch, wie Professor Brinkmann gerade noch die Hand eines berühmten Pianisten retten konnte.

Ich muss mir jetzt unbedingt mal diese Serie mit der blinden Anwältin, die auf Frau Papst beruht, ansehen.

Das mit den Blindenklisches sehe ich mittlerweile relativ entspannt. Zum einen bin ich abgeklärt und weiß, dass es immer die unbelehrbaren geben wird, die es nicht mal dann kapieren, wenn Du ihnen Deine Gaben auf das Bett kotzt.

Das ist verlorene Liebesmühe.

Andererseits ist es oft schon auch Empathie, wenn die Klisches greifen. Und wenn sich jemand berufen fühlt, mir mal helfen zu wollen, weil die arme Tochter in der Farm erblindete, dann soll es so sein…

Wie auch immer. Ich glaube nicht, dass irgend eine Serie etc. zu einer geistigen Erleuchtung und Erweckung führen werden.

Beste Grüße.

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Ach herrlich, die kleine Farm. Ich konnte mich kaum nach an die Serie erinnern, als ich sie auf Kabel1 wiederentdecke. NHetterweise guckte meine Mutter die viel. Ich fand die Darstellung aber schon auch im Hinblick auf die Zeit als die Serie gedreht und in der sie spielte, nicht ganz so überdreht war wie andere Darstellungen. Klar mit Klischees hat sie auch gespielt, wie die, das blinde wohl nur unter ihresgleichen Partner finden können.

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