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Blind unterschreiben, so geht’s

Ich erkläre wie blinde Menschen unterschreiben, und wie Ihr uns wirksam helft, ohne zu bevormunden.

Irgendwann hatte meine Tochter die Idee sich Löcher in die Ohren stechen zu lassen. Und sie hatte auch schon eine Idee in welches Geschäft sie gehen und das machen lassen möchte. Der einzige Haken war, dass sie das Einverständnis eines Erziehungsberechtigten dazu brauchte. Soweit, so gut. Also gingen wir hin, und meine Tochter trug ihren Wunsch vor. Die Mitarbeiterin erklärte ihr, dass ein Formular auszufüllen und dieses von mir zu unterschreiben sei. Und das sei das Problem. Denn sie wisse nicht wie wir das mit dem Unterschreiben machen sollten. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich sehr wohl in der Lage bin zu unterschreiben. Nur wurde ich einfach nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen fing die Dame an mit einer Kollegin darüber zu diskutieren wie das mit der Unterschrift zu lösen sei. Ich machte noch zwei Versuche zu Erklärung. Nachdem man mich aber weiterhin ignorierte, verließ ich mit meiner Tochter den Laden. Denn eine solche Ignoranz steht im Widerspruch zu kundenorientiertem arbeiten. Und das wollte ich nicht dadurch unterstützen, indem ich Geld dort ausgab. Wir suchten und fanden eine kundenfreundlichere Alternative.
In der Regel passiert sowas nicht in einem solchen Extrem. Ich erlebe oft, dass ich gefragt werde: „Können Sie unterschreiben“, oder „Wie unterschreiben Sie“. Dann erkläre ich was ich brauche, und gut.

Aber wie geht das mit dem Unterschreiben?
Menschen, die erst später blind geworden sind, wissen wie ihre Unterschrift aussieht, und können diese recht einfach schreiben, wenn man ihnen zeigt wohin sie gesetzt wird. Blinde Menschen, die kaum bis gar nicht mit der Hand schreiben können, müssen ihre Unterschrift regelrecht lernen und üben. Eine Möglichkeit ist diese für den Blinden erhaben darzustellen, damit diese eine Vorstellung davon bekommt wie diese auszusehen hat. Ist noch ein Restsehen vorhanden, kann man die Unterschrift alternativ mit einem dicken Stift aufmalen. In beiden Fällen muss diese solange geübt werden, bis man sie beherrscht.

Wohin mit der Unterschrift?
Ich mache das so, dass ich mir zeigen lasse, wohin die Unterschrift muss. In manchen Fällen kann ich die entsprechende Linie noch erkennen. Alternativ lasse ich mein Gegenüber eine Karte oder ein Stück Pappe auf die Linie setzen, während ich diese mit einer Hand fixiere, kann ich mit der anderen Hand entspannt unterschreiben. Außerdem kann man eine Plastikkarte oder einen anderen flachen Gegenstand nehmen, der diese Form hat.
Eine weitere Alternative ist eine Unterschriftenschablone. Diese gibt es aus Pappe, Kunststoff oder Metall. Und es gibt sie in unterschiedlichen Größen. Der Trick ist, dass man hier ein fühlbares Fenster hat, in dem die Unterschrift zu leisten ist. Mit Hilfe eines Lineals und einer guten Bastelschere kann man diese auch gut selbst herstellen. Ansonsten werden diese in Fachgeschäften für Blindenhilfsmittel angeboten.

Mythen für die Unterschrift
„Soll ich Ihnen die Hand führen“, ist eine Frage, die ich oft zu hören bekomme. Aus meiner Sicht ist es Blödsinn, da diese Unterschrift jedes Mal anders aussieht, abhängig vom Helfer. Und es fühlt sich einfach unangenehm an. Diesen Leuten sei gesagt: Auch blinde Menschen können unterschreiben. Sie müssen nur wissen wo. Und wir unterschreiben auch nicht mit einem Fingerabdruck, wie es in manchen Ländern bei blinden Personen vorgeschrieben ist.

Von lydiaswelt

Ich bin blinde Mutter von zwei Kindern. Beiträge aus meinem Alltag und dem meiner Gastautoren finden hier eine Plattform.

5 Antworten auf „Blind unterschreiben, so geht’s“

Hi Lydia,
krasse Geschichte mit dem Laden, wo Deine Tochter sich ihre Ohrlöcher
stechen lassen wollte. Ich bilde mir immer ein, zu laut und bestimmt
aufzutreten, als dass mich Leute so übergehen könnten, und tatsächlich
ist es mir so extrem auch noch nie passiert. Aber vermutlich agierst Du
nicht weniger deutlich und bestimmt als ich, insofern ist das wirklich
heftig.
Ich habe fürs Unterschreiben noch eine andere Taktik entwickelt. Geübt
habe ich meine Unterschrift, als ich noch mit einem Bildschirmlesegerät
arbeiten und darunter handschriftlich schreiben konnte. Das kann ich
seit über 10 Jahren nicht mehr und meine Unterschrift sieht nur noch aus
wie ein L und ein H mit einem langen Krakelstrich dahinter. Eine
Unterschriftenschablone habe ich noch nie besessen und auch noch nie
vermisst, würde sie doch meinen Krakelstrich viel zu sehr einengen ;o)
Stattdessen bitte ich eine sehende Person, meinen linken Zeigefinger am
Anfang der Linie oder des Felds zu platzieren, wo ich unterschreiben
möchte. Dort kann ich dann mit der rechten Hand den Stift aufsetzen und
meine Unterschrift beginnen. Wenn ich gleichzeitig die Ausrichtung des
Papiers vor mir kenne, weiß ich ja, in welche Richtung ich von dort aus
dann schreiben muss, und meine Bewegungen sowie die Größe meiner
Unterschrift sind nicht von der Schablone eingeschränkt. Vor allem bin
ich so aber auch nicht abhängig von irgendwelchen Hilfsmitteln sondern
brauche einfach nur die richtige Position auf dem Zettel.
Klar, die Frage, ob oder wie ich unterschreiben kann, höre ich auch oft.
Aber die finde ich auch legitim, da sehende Menschen sich das wohl
einfach nicht vorstellen können, mangels Erfahrung.
liebe Grüße
Lea

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Ja, das mit der Unterschrift ist so eine Sache. Ich bin von Geburt an quasi blind und kann das nicht wirklich gut. Wir haben mal in der Blindenschule die Unterschrift in Schreibschrift gelernt, aber das habe ich wieder vergessen, weil wir das nicht intensiv genug geübt hatten. Ich unterschreibe in so etwas ähnlichem, wie Druckschrift. An die kann ich mich noch aus meiner Zeit erinnern, als ich noch mit dem Bildschirm-Lesegerät arbeiten konnte. Außerdem bin ich bis heute noch Optacon-Leser, wer dieses gute alte Gerät noch kennt. Grundsätzlich unterschreibe ich nicht gerne, weil der Stift und Papier einfach nicht mein Medium sind. Und wann ist es schon so, dass man wirklich sich alles vorlesen lässt, was auf einem zu unterschreibenden Zettel steht. Meistens will man das doch einfach nur hinter sich bringen und gut. Ganz besonders nervt mich, wenn ich irgendwo mit Karte zahle, und dann plötzlich vom elektronischen System wieder zurück auf den antiquierten Stift und Papier soll, weil die Kasse entweder kein Tastenfeld für die Geheimzahl hat, was ich problemlos bedienen kann, oder es mir nicht geben möchte. Ehrlich gesagt hätte ich überhaupt nichts dagegen, mit dem Fingerabdruck zu unterschreiben. Das wäre eine für mich plausible und glaubwürdige Identifizierung. Ich glaube nicht, dass man meine Unterschrift grundsätzlich wirklich ernst nehmen kann, weil sie immer anders aussieht. Mit dem Kugelschreiber hat jeder eine Sauklaue. Und wer, in drei Teufels Namen, hat eigentlich diese unsäglichen Pads erfunden, die Paketboten mit sich führen, und wo man dann meist noch so halb in der Luft unterschreiben muss. Diese Unterschriften sind einfach nur lächerlich, weil auf so einem Ding keiner unterschreiben kann, egal, wie viel er oder sie noch sieht.

Meine Bank hat seit einiger Zeit auch solche runden Pads, auf welche man mit einem Stift digital unterschreibt. Die Dinger sind schlicht und ergreifend der totale Quatsch, weil auch auf denen niemand richtig schreiben kann.

Zum Glück muss ich quasi nie zu meiner Bank, außer zum Geldautomaten. Der Rest geht meistens online.

Bei mir stellte sich die Frage mit der Unterschrift wieder ganz neu, als ich mein Buch „Blind zu den Sternen“ veröffentlichte. Es ist klar, dass man dann bei Lesungen und Vorträgen um eine Signatur gebeten wird. Dieses Problem habe ich gelöst, indem ich mir ein schönes astronomisches Motiv ausgedacht habe, und daraus mir einen Stempel machen ließ. Das Motiv zeigt im wesentlichen ein Teleskop, durch welches niemand sieht, sondern an welchem jemand hört,

weil ein wesentlicher Teil, wie ich Astronomie treibe, eine Hörerfahrung ist.

Außerdem kann ich handschriftlich keine Widmung schreiben. Somit war der Stempel die beste Idee. Er verblüfft die Käufer meines Buches und für die meisten ist es absolut logisch, dass ich mit einem Stift eher nicht umgehen kann.

Ich finde, dass die handschriftliche Unterschrift im digitalen Zeitalter immer mehr Unsinn ist. Viele Kinder lernen heutzutage überhaupt keine ordentliche Handschrift mehr.

Mein Handy erkennt mich an meinem Fingerabdruck, und das funktioniert prächtig.

Mein Kredo ist: „Ich wünsche mir eine Welt, in welcher es Papier höchstens noch, na ihr wisst schon wo, gibt.“

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