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Abwiegen, abmessen und dosieren – so mache ich das blind

In diesem Beitrag erkläre ich euch wie ich blind Backzutaten und andere Lebensmittel dosiere.

Bild: Lydia mit einem halb gefüllten und einem vollen Messlöffel.

Es ist Samstagvormittag, als ich damit beginne den ersten von zwei Kuchen zu backen. Schließlich steht heute Nachmittag ein Kindergeburtstag an. Und wie jedes Jahr gibt es bei uns eine klare Aufteilung. Während mein Mann die obligatorische Schatzsuche vorbereitet und später auch begleitet, bin ich für das Backen zuständig. Und wie die meisten Mamas liebe ich es ganz besonders, wenn mich während des Backens keiner stört oder mir im Weg steht.
Halt, Stopp, blind, und Kuchenbacken? Das heißt doch abwiegen, abmessen oder so was. Geht das? Ja, das geht. Und zwar vollkommen blind. Hier zeige ich Euch ein paar Möglichkeiten auf.

Natürlich gibt es Rezepte, bei denen man nicht viel abmessen braucht. Die sogenannten Tassenkuchen. Die liebe ich, weil sie einfach schnell gehen.

Hier ein Rezept für einen solchen Kuchen:
1 Tasse Öl, 1 Tasse Zucker, 5 Eier, 1 halbes Päckchen Backpulver und 4 Päckchen Puddingpulver. In dieser Reihenfolge zusammenrühren und anschließend ca. 45 Minuten bei 180 Grad Heißluft backen. Fertig. Wenn man ihn besonders locker haben mag, dann trennt man die Eier und schlägt das Eiweiß zu Eischnee und hebt ihn darunter.

Nun sind aber nicht alle Rezepte so einfach, dass man ohne Abwiegen oder Abmessen auskommt. Brauche ich präzise Messwerte, so gibt es Waagen, welche mit einer Sprachausgabe ausgestattet sind. D.h., dass die Waage mir sagt, wie viel Gramm ich jetzt in der Schüssel habe. Besonders schätze ich daran die Zuwiegefunktion. Und inzwischen sind sie auch erschwinglicher als vor 20 Jahren. Damals habe ich für meine 160 DM gezahlt. Heute gibt es welche für unter 30 €.
Für diejenigen, die lieber einen Messbecher benutzen möchten, gibt es auch diese mit einer Sprachausgabe. Ich selbst habe so einen allerdings noch nie benutzt. Dafür hatte ich mal einen, der eine fühlbare Markierung auf der Innenseite hatte. Damit konnte ich Flüssigkeiten wie Milch ganz gut abmessen. Das mache ich inzwischen mit Tassen, von denen ich weiß wie viel ml Fassungsvermögen sie haben.
Irgendwann habe ich Messlöffel für mich entdeckt. Diese hatte ich mir mal aus Neugierde bei einem Versand mitbestellt. Es waren 5 Löffel aus Kunststoff mit 100, 50, 15, 5 und 1 ml Inhalt. Bei den zwei größeren Löffeln befand sich in der Mitte eine fühlbare Markierung, um 50 und 25 ml abmessen zu können. Dazu gab es eine Messtabelle in Brailleschrift, die Angaben darüber enthielt wie schwer 100 ml Zucker, Mehl usw. Sind. Außerdem gab es noch eine Tabelle mit Angaben darüber wie viel ml 100 g von Zucker, Mehl usw. ergaben. Irgendwann fing ich an damit zu experimentieren.

Mit der Zeit brauchte ich die Tabelle nicht mehr, da ich die Dinge, die ich häufig brauchte, auswendig konnte. Außerdem sind Maßangaben bei Rezepten im Grunde nur Richtwerte.
Was ich nach wie vor als Herausforderung empfinde ist das Abmessen kleiner Mengen. Ich weiß noch, als eines meiner Kinder täglich inhalieren, und ich das Kochsalz abmessen musste. Die Kinder waren noch zu klein, um mir hier helfen zu können. Also brauchte ich die rettende Idee.
Ich ließ mir vom Kinderarzt eine Einwegspritze geben. Diese markierte ich mir am Kolben mit einem Küchenmesser so, dass ich fühlen konnte wie viele ml Flüssigkeit ich aufgezogen hatte. Die Flüssigkeit konnte ich somit präzise aufziehen und direkt in den Inhalator geben. Das andere Medikament konnte ich mit der Pipette hineintropfen. Das kann man hören. Und so konnte ich mir behelfen, wenn ich keine normal sehende Person in meiner Nähe hatte. Generell fand ich es einfacher Medikamente mit der Spritze aufzuziehen als mit dem Löffel zu geben. Denn dazu hätte ich drei Hände gebraucht: Eine, die den Löffel hält, eine die kontrolliert wie voll der Löffel ist, und eine die das Medikament eingießt. Und für mich, Mama mit zwei Händen, ist das ein wirkliches Problem.

Zurzeit habe ich keine sprechende Waage mehr. Irgendwann hat sie ihren Geist aufgegeben. Und seither trage ich mich mit dem Gedanken, mir eine Neue ins Haus zu holen. Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen. Und ich habe noch immer keine. So viel zum Thema Dinge aufschieben. Und irgendwie haben mir meine Messlöffel bisher ganz gut geholfen. Jedenfalls für das was ich machen muss. Und für wirklich präzise kleine Mengen, muss nach wie vor eine Einwegspritze herhalten. Doch wie heißt es so schön? Der Zweck heiligt die Mittel.

Von lydiaswelt

Ich bin blinde Mutter von zwei Kindern. Beiträge aus meinem Alltag und dem meiner Gastautoren finden hier eine Plattform.

7 Antworten auf „Abwiegen, abmessen und dosieren – so mache ich das blind“

Ich finde die Messbechermethode auch sehend praktischer als eine Waage (normale Messbecher für Flüssigkeiten haben in der Regel ohnehin auch Markierungen für Mehl, Zucker, etc. an der Außenseite), denn Messbecher gehen weniger leicht kaputt als Waagen, vor allem, wenn man so ein Schussel ist wie ich, und sie gerne fallenlässt (die Waage; den Messbecher habe ich fest in der Hand, der fliegt nicht so oft). Butter messe ich geometrisch ab (halbes Päckchen, viertel Päckchen…).

Ich habe mir auch ein paar andere „Küchentricks“ von meiner blinden Freundin „geklaut“, weil sie einfach praktisch sind, egal, ob man beim Kochen mit den Augen hinschaut oder mit den Händen.

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Hallo,

ich habe eine taktiele Waage. Ist ein älteres Modell, bekam sie vor vielleicht 25 Jahren gebraucht, keine Ahnung, ob es das noch gibt. Beim zuwiegen muss man selbst rechnen, aber sonst auch sehr praktikabel. Messbecher habe ich ebenfalls zum Tasten, geht für Flüssigkeit, Mehl, Zucker schneller. Tassenrezepte hab ich auch noch ein paar, wenn du magst. Tropfen zählen kann man sehr gut in einem leeren Becher (Buttermilch, Joghurt etc.) reintropfen, das hört man deutlich. Löffel kannst du nur versuchen in einer Hand halten und gleichzeitig den Finger in den Löffel
Gruß Sebastian

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!!!‘ 
Vielen Dank, Sven. Auch dein Blog verfolge ich mit Spannung. Ich wollte dich immer mal anschreiben, habe es aber irgendwie von der Bedienung her nicht geschafft. Schick mir doch bitte mal eine E-Mail.

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